EU im Dienst der Dienstleistung

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Der Entwurf zur EU-Dienstleistungsrichtlinie ist in wichtigen Teilen umformuliert. Trotzdem ist längst nicht alles geklärt, und von allseitiger Zufriedenheit kann auch keine Rede sein.

Noch Ende voriger Woche wurde der neue Entwurf zur Dienstleistungsrichtlinie groß gefeiert: Endlich sei ein Kompromiss zwischen Christ-und Sozialdemokraten gelungen, mit dem eine deutliche Mehrheit im EU-Parlament zufrieden sein werde. Nun werden immer neue Stimmen vor allem in den Reihen der Europäischen Volkspartei laut, denen der Kompromiss deutlich zu weit geht.

Die Dienstleistungsrichtlinie soll die - schon im EG-Vertrag vorgesehene, bisher aber durch nationale Hürden stark eingeschränkte - Dienstleistungsfreiheit Wirklichkeit werden lassen. Sie war aber von Anfang an vor allem wegen des Herkunftslandprinzips heftig umstritten. Nach diesem hätte ein Dienstleister aus einem EU-Land in jedem anderen Mitgliedsstaat seine Dienstleistung zu den Konditionen seines Heimatlandes anbieten können. Die Angst vor allem der Arbeitnehmervertreter war, dass dadurch ein Wettlauf um die geringsten Sozialstandards in der EU entstehen würde: Unternehmer siedeln sich in den Ländern mit den geringsten Arbeits-und Sozialsstandards an und bieten ihre Dienstleistung von dort aus zu Dumping-Bedingungen an. Unternehmer in den alten Mitgliedsländern wiederum fürchteten, mit der billigen Ost-Konkurrenz nicht mithalten zu können.

Auch im neuen Entwurf, über den am Donnerstag im EU-Parlament abgestimmt wird, gilt: Wer eine Dienstleistung in einem EU-Staat erbringen darf, darf dies auch in allen anderen. Einschränkungen dieser Freiheit sind nur möglich, wenn sie "aus Gründen der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sicherheit, des Umweltschutzes und der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt sind." Die Sozialdemokraten wollen auch noch den Verbraucherschutz berücksichtigen.

Rechtsprechung nötig

Neu ist nun, dass jeder Anbieter eben nicht die Gesetze seines Heimat-, sondern des Ziellandes einhalten muss. Eine Forderung der Richtlinien-Gegner scheint erfüllt. Der Teufel steckt allerdings im Detail: Die Regelung gilt nur, sofern die Gesetze angemessen, nicht diskriminierend und notwendig zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Zieles sind. In welchen Fällen also etwa die österreichische Gewerbeordnung notwendig und angemessen ist, wird wohl der Europäische Gerichtshof in Einzelfällen entscheiden müssen - die Frage nach dem anzuwendenden Recht ist nicht abschließend beantwortet.

Die Rechtssicherheit sei durch diese Formulierung sicher nicht sehr ausgeprägt, meint dementsprechend Werner Schroeder, Leiter des Institutes für Europarecht und Völkerrecht der Universität Innsbruck. Im Gespräch mit der FURCHE erklärt er allerdings, die Sorge, durch die Richtlinie und die wohl folgenden Präzisierungen durch den EuGH würden Schutznormen unterwandert, sei unnötig: "Der Europäische Gerichtshof anerkennt in seiner ständigen Rechtsprechung Normen zum Schutz des Einzelnen. Nur wenn eine Regelung allein zur Marktabschottung dient, urteilt er abschlägig." Und er erinnert daran, dass die Richtlinie schließlich nur verwirkliche, was "eigentlich längst geltendes Recht ist."

Auf Druck der Richtlinien-Gegner wurden weite Bereiche aus dem Geltungsbereich der Richtlinie ausgeklammert: So gilt jedenfalls das Arbeitsrecht des Landes, in dem die Leistung erbracht wird. Sozial-und Gesundheitsdienstleistungen sind völlig ausgenommen. Weitere Bereiche der Daseinsvorsorge können von den Mitgliedsstaaten definiert und somit ebenfalls ausgenommen werden. Rechtsberatung, Finanzdienstleistungen, Leiharbeit, Glücksspiel, Rundfunk und Kino bleiben ebenso wie Bank-und Versicherungsgeschäfte, Verkehr und Telekommunikation unberührt von der Richtlinie.

Zahnlos mangels Sanktion

Ein Kritikpunkt an der Neufassung des Papiers ist jedoch, dass das Zielland zwar - im Gegensatz zum alten Entwurf - die Einhaltung seiner Vorschriften kontrollieren darf. Allerdings sagt die Richtlinie nichts über Sanktionen und Rechtsdurchsetzung, was sowohl Arbeiterkammer als auch Wirtschaftskammer kritisieren (siehe unten). Die Industriellenvereinigung wiederum bemängelt, dass vom ursprünglichen Herkunftslandprinzip nicht mehr viel übrig sei, während der Österreichische Gewerkschaftsbund beklagt, in der Substanz werde trotz Streichung des Begriffs am Herkunftslandprinzip festgehalten.

Was die Richtlinie bringen könnte, hat Wirtschaftsforscher Fritz Breuss von der Wirtschaftsuniversität Wien in einer Studie untersucht. Demnach könnten durch die Aufhebung administrativer und bürokratischer Hindernisse in Österreich bis zu 10.000, in der gesamten EU bis zu 800.000 neue Jobs entstehen. Allerdings, betont Breuss, sage die Studie nichts darüber aus, wie viele Jobs tatsächlich entstünden. Schließlich gebe es neben bürokratischen Hindernissen auch noch andere Gründe, warum Unternehmer ihre Dienste in anderen Ländern nicht anbieten. Sprachbarrieren etwa oder die Einschätzung, dass die Nachfrage nicht groß genug sei.

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