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Europa wird ein globaler Finanzplatz

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BÖRSEN UND TERMINMARKTE

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BÖRSEN UND TERMINMARKTE

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Die Tatsache, daß zu einem möglichst weitgehenden Erfüllen der Maastricht-Kriterien in allen EU-Staaten einschneidende Sparpakete notwendig sind, ist zwar schmerzhaft, aber notwendig: endlich sparen Regierungen und das „laissez-faire” kann damit nicht endlos und unlimitiert weitergehen. Daß natürlich in all diesen Ländern gleichzeitig nachlassende Staatsinitiativen in einer stagnierenden Wirtschaftsentwicklung gefährlich sind und insbesondere auch auf dem Arbeitsmarkt drastische Auswirkungen haben, ist unbestritten, doch scheint es hier mehr und mehr realistisch zu hoffen, daß die EU von sich aus gerade grenzüberschreitende Investitionen auf dem Verkehrssektor wie transversale Straßen- und Eisenbahnprojekte finanziert, sich also die EU im Sinne eines arbeitsmarktför-dernden „deficit spending” verschuldet und nicht die einzelnen Volkswirtschaften.

In puncto realer Wirtschaftskraft wird sich der Euro nicht vor dem Dollar verstecken müssen, da es selbst eine kleine Währungsunion mit Deutschland, Frankreich, den Bene-lux-Staaten, Österreich und Irland auf 67 Prozent der US-Wirtschaftsleistung bringen würde. Demnach sollte es keine wirklichen Stabilitätsprobleme im Wechselkursgefüge Euro/Dollar geben. Der Euro sollte für die EU von Vorteil sein, weil mit ihm der zweitgrößte Anleihenmarkt der Welt entsteht, der bereits bei einer kleinen Währungsunion die Hälfte des US-Marktes ausmacht. Die Exporteure der EU werden nicht bloß wegen des wegfallenden Kursrisikos innerhalb der Währungsunion profitieren, sondern auch von der internationalen Handelswährung Euro. Derzeit kommt ungefähr 1 /7 der weltweiten Exporte aus den USA, dennoch wird fast die Hälfte der Ausfuhren in US-Dollar fakturiert. Wird der Euro ein Erfolg, können die Europäer demnach mit dem Entgegenkommen ihrer internationalen Handelspartner rechnen. Der einheitlichen europäischen Währung wird ein größeres Gewicht zukommen als derzeit der Summe aller EU-Währungen. Auch dadurch erklärt sich wohl das Interesse der USA über die Konsequenzen der Euro-Einführung.

Und die Auswirkungen für die Börsen? 31 Börsen und 23 Terminmärkte gibt es zur Zeit noch in der Europäischen Union. Die große Mehrheit von ihnen dürfte bald einem einheitlichen gesamteuropäischen Markt Platz machen: wiederum also schmerzhafte Veränderungen, gleichzeitig aber Vorteile, die ein einheitlicher und liquider Finanzmarkt für Investoren und Emittenten bringen sollte, was günstige Finanzie-rungs- und attraktive Anlagemöglichkeiten ergäbe. So ist anzunehmen, daß es in der ersten Phase nach dem Euro-Start in der Währungsunion zwei große Finanzplätze geben wird. London sollte zukünftig sicher alles unternehmen, um seine führende Rolle als Globalmarkt zu verteidigen. Paris und Frankfurt zittern noch um den zweiten Rang. Unter den aktuellen Bedingungen hat noch Paris die Nase vorn, haben doch die Franzosen eindeutig einen liquideren Markt -insbesondere bei kürzeren Anleihenlaufzeiten.

Weil Aktien vorrangig immer dort gehandelt werden, wo die Informationen zuerst verfügbar sind, so heißt das für kleinere Börsen, daß sie sich eher (nur) im Nischenbereich der kleineren Unternehmungen bzw. im Handel ihrer Aktien oder zum Beispiel in Wien auch für den Handel mit Ost-Wertpapieren zwar durchaus behaupten sollten, sich aber ansonsten Einheitsmärkte durchsetzen werden.

Allerdings wird der Euro nicht nur die Finanzplätze, sondern erst recht die Banken treffen, können es sich doch selbst die größten und effizientesten Institute nicht erlauben, die Hände in den Schoß zu legen. Neben dem rasanten technologischen Fortschritt wird uns alle auch der Euro vor Probleme stellen. Der In -vestitions- und Kapitalbedarf steigt an, ebenso der Kostendruck.

Noch profitable Nischen werden jeweils auch ausländische Konkurrenten auf den Plan rufen. Spekulationen über die Bildung großer Bankengruppen bleiben folglich nicht aus. Große Einheiten schaffen aber wiederum Nischen die Entwicklung scheint sich also noch mehr zu polarisieren: Gerade in einem schnellebigeren, noch automatisierterem Umfeld wird der Kunde dann und wann erst recht das ausführliche Gespräch suchen, wozu sich insbesondere auch gesunde Privatbanken weiterhin gut am Markt behaupten können sollten.

Es ist anzunehmen, daß der Anteil am Anleihenmarkt europäischer Werte in amerikanischen und japanischen Portefeuilles steigen wird. Und auch auf der Finanzierungsseite wer-den die europäischen Unternehmungen ihren Eigenkapitalbedarf künftig stärker in Europa decken können als bisher. Interessant freilich, daß sich im Gegensatz zu Amerika, wo man sich langsam mit dem Thema einer neuen Währung anfreundet, in Japan, wie man hört, noch keinerlei Vorbereitungen für den Euro zu bemerken sind.

Haben die Banken also ganz zweifellos mit vorerst großen Gewinneinbußen und Umstellungskosten zu rechnen, so sind sie sehr mehrheitlich doch Befürworter des Euros, weil sie realistisch erkennen, daß hier die Fakten gegeben und Weichen schon gestellt sind. Und kommt den Kunden der Euro insgesamt und sehr überwiegend zugute, so sollte das letztlich auch für die Banken von Vorteil sein. Im übrigen geht es im größeren Zusammenhang um die Wettbewerbsfähigkeit Europas gegenüber den USA und Asien - und nicht zuletzt hiefür ist eine vereinheitlichte Währung von fast unverzichtbarem Vorteil.

Es verbleibt also der Investor in Hartwährungsländern, der befürchtet, daß eine einheitliche, also eine Mischwährung, doch weniger stabil sein wird als eine bisherige Hartwährung. Dabei jedoch ist zu beachten, daß die Hartwährung ja auch einen entsprechend höheren Gegenwert an Euro bei der Umstellung geboten bekommt, daß die Vorteile des größeren Marktes und der einheitlichen Währung eben nur so möglich sind. Ein Beispiel auch dafür, daß ein währungsschwaches Land durchaus in Währungsunion mit einer währungsstarken Volkswirtschaft ko-operiern kann, bietet das jahrzehntelange Beispiel der Benelux-Länder: weniger Leistungskraft oder schwächere Strukturen schaffen weniger Gegenwert in der gemeinsamen Währung und der Stärkere, sprich Luxemburg, hat daraus meines Erachtens und augenscheinlicherweise keine Nachteile. Wenn trotzdem eine Alternative zum Euro gesucht wird, so bietet sich jedenfalls eher der Dollar als der überbewertete Schweizer Franken an.

Ein Wort noch zur Währung im Hinblick auf die Aktie: gerade eine von manchen befürchtete Währungsunsicherheit spricht für den Substanzwert, sprich also für die Aktie. Sie sollte von der Währungsumstellung am allerwenigsten betroffen sein: einen guten Substanzwert zu besitzen, hat allemal geholfen, unsichere Phasen zu überbrücken.

Aus genannten Gründen sehe ich deutlicher denn je den Vorteil der Beimischung von Aktien und bin dabei von der Philosophie der sogenannten Wachstumsfonds mit ihrer Substanz-, Ertrags- und Langzeitaus-richtung überzeugter denn je: bei weiterhin diszipliniertem Einsatz dieses Investmentansatzes sollten unruhige Zeiten an der Währungsfront am allerbesten durchzustehen sein.

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