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Europas Kirchen setzen Signale

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Europas Kirchen wollen an der wachsenden Armut nicht vorbeisehen. Eine gemeinsame Resolution soll Signale setzen.

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Europas Kirchen wollen an der wachsenden Armut nicht vorbeisehen. Eine gemeinsame Resolution soll Signale setzen.

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In den Mitgliedsländern der Europäischen Union leben Tausende von Menschen auf der Straße, 18 Millionen sind ohne Arbeit, 52 Millionen von der Armut betroffen. An dieser dramatischen Situation können und wollen die Kirchen nicht vorbeisehen. Mit einer gemeinsamen Resolution treten sie an die europäische Öffentlichkeit.

Initiiert wurde die Konsultation von der Europäischen Kommission. Durchgeführt wurde sie von der Europäischen ökumenischen Kommission für Kirche und Gesellschaft, der Kommission der Rischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft, Eu-rodiaconia und Caritas Europa. Jetzt wurde in Wien der Abschlußbericht von Vertretern des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich kommentiert.

Diskussionsgrundlage in Brüssel war für die römisch-katholischen Bischöfe Österreichs der Sozialhirtenbrief „Der Mensch ist der Weg der Kirche”. „Darin gibt es”, so Bischof Maximilian Aichern, „viele inhaltliche Gemeinsamkeiten ”. Fest steht für Bischof Aichern, daß der Kampf gegen die Armut von vielen getragen werden muß, von der Politik, der Wirtschaft, Privatgruppen und Kirchen. Letztere müßten mehr noch als bisher ihre Stimme erheben. Zusätzlich zu den bisherigen Taten dürfe die Kirche nicht ruhen, Armut aufzudecken sowie zusätzliche Hilfen anzubieten, wie etwa Beratung bei Verschuldungen, Arbeitslosenstiftungen ins Leben zu rufen, Hilfsstellen für Asylanten und Flüchtlinge und Aufenthaltsstellen für Unterstandslose zu schaffen. Mehr als bisher müsse man auch mit Politikern im Gespräch bleiben.

Pfarrer Michael Chalupka definiert Armut als „die verweigerte Teilhabe an gesellschaftlichen Möglichkeiten”. Davon betroffen seien vor allem Langzeitarbeitslose, Minderheiten, Behinderte und hier insbesondere Frauen. Armut, davon ist Chalupka überzeugt, sei gemacht und somit nicht unumkehrbar. Hier sei die Politik gefordert. Sie müsse eine gerechte Verteilung garantieren und vor allem für die Ärmsten eine menschenwürdige Mindestsicherung ermöglichen. Ähnlich der Umweltverträglichkeitsprüfung sollte eine „ Sozial vertrag-lichkeitsprüfung” für wirtschafts-und sozialpolitische Entscheidungen geschaffen werden mit den Wohlfahrtsverbänden und sozialen Initiativen als kompetente und gleichberechtigte Partner.

Was erwartet sich die EU von den Kirchen im Kampf gegen die Armut? Sehr viel, ist Oberkirchenrat Johannes Dantine überzeugt. Im Gegensatz zu Politikern müßten die Kirchen nicht um die Wählergunst buhlen. Sie seien daher in der Lage, europaweit eine nachhaltige Anti-Ärmutsstrategie zu verfolgen und auch politisch unpopuläre Forderungen - Stichwort Sparpaket - zu stellen. Wie aber kann diese Politik greifen, fragt Dantine, wenn andererseits von den Kirchen erwartet wird, sich nicht in die Politik einzumischen?

Die EU-Kommission brauche Kompetenzen nicht nur im wirtschaftlichen Bereich sondern auch für Armutsbekämpfung, so die Forderungen der Vertreter der europäischen Kirchen. Angeregt werden daher Gespräche auf Regierungsebene, die klären sollen, inwieweit die Sozialprotokolle in die neuen EU-Verträge aufgenommen werden können.

Einig war man sich auch, daß sich Maßnahmen zur Armutsbekämpfung an den Bedürfnissen der armen Menschen orientieren müssen. Kirchen und Politiker selbst sollen daher auf diese zugehen und Räume schaffen, in denen diese ihre Anliegen öffentlich zur Diskussion stellen können. In diesem Zusammenhang wird auch der Ausbau eines Warn- und Informationssystems gefordert - national und europaweit. Erste Ansätze auf diesem Gebiet in sechs EU-Ländern sind den Budgetkürzungen zum Opfer gefallen. „Nicht einmal die Ergebnisse konnten veröffentlicht werden”, bedauert Markus Glatz-Schmallegger, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Katholischen Sozialakademie Österreichs.

Die Kirchen stellen daher klar: So kann es nicht weitergehen! Die österreichischen Kirchen werden versuchen, die in der Konsultation entstandenen Impulse auf österreichische Verhältnisse umzulegen und daraus eine wirksame Anti-Armutsstrategie zu entwickeln. Einig war man sich jedoch, daß dies nur gelingen kann, wenn alle Kräfte an dieser Diskussion beteiligt werden, politische und gesellschaftliche. Als Beispiel nannte Glatz-Schmallegger Irland, wo mit Beteiligung der Kirchen eine „nationale Anti-Armutsstrategie” entwickelt wurde.

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