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Finanz-Einigung als Gretcherage

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DIEFURCHE: Was haben Bundesstaatsreform und Föderalismus mit der europäischen Integration zu tun^ PETER KOSTELKA: Der Anlaß ist ein mittelbarer: die Länder haben gesehen, daß ihnen der EU-Beitritt Kompetenzen und Entscheidungsbefugnisse kostet, die an die EU abgegeben werden. Dieses Schicksal trifft aber nicht nur die Länder, sondern auch den Bund und minimal auch die Gemeinden. Wir haben zwar als Bund abgelehnt, in einer Entschädigungstheorie alles, was an Kompetenzen nach Brüssel abgegeben wird, abzugelten. Wir haben aber auf der anderen Seite akzeptiert, daß unsere Kompetenzverteilung und bundesstaatliche Organisation im wesentlichen aus dem Jahre 1925 stammt und daß es in der Zwischenzeit natürlich gesellschaftliche, wirtschaftliche und technische Änderungen geben hat, die eine Neuordnung sinnvoll machen. Das ist der theoretische Ansatz. Der praktische hält sich natürlich nicht immer daran. Aus meiner Sicht ist bei der Reform neben dem föderalistischen auch der verwaltungsreformatorische Ansatz wesentlich, der Aspekt der effizienteren, bürgernahen Verwaltung.

DIEFUHCHE: Was bringt die Bundesstaatsreform den Gemeinden^ KoSTELKA: Die Gemeinden bekommen ein bißchen mehr Selbständigkeit, insbesondere die Städte mit ei-

;enem Statut. Da gibt es zusätzliche iechtsmittel, die eher zur Verkomplizierung beitragen, die jetzt abgeschafft werden. Und bei den größeren Gemeinden wird die doppelte Finanzkontrolle (Anm. d. Red.: durch den Rechnungshof und eine Landesbehörde) abgeschafft. Föderalismus darf nicht bei den Ländern enden, sondern muß sich bis zu den Gemeinden fortsetzen. Das war ein Punkt, der von den Ländern nicht immer so gesehen wurde.

DIEFURCHE: Wie können Sie einem Bürger erklären, welche konkreten Auswirkungen die Reform für — ihn haP

KoSTELKA: Das ist ein bißchen schwierig, wenn die bundesstaatliche und föderalistische Gliederung Österreichs nicht bereits bekannt ist. Das ist das Problem bei der ganzen Diskussion, daß es föderalistische Fundamentalisten im Westen gibt, die davon ausgehen, daß das eine Entscheidung über das Wohl und die Zukunft der Republik ist und daß es andere gibt, die das eher theoretisch und distanziert sehen. Für die ist es überhaupt nicht wichtig, ob eine Sache, die bisher von der Landesregierung in mittelbarer Bundesverwaltung nun in autonomer Landesverwaltung vollzogen wird. In beiden Fällen hat man als Bürger mit Ämtern zu tun, in den allermeisten Fällen sogar mit demselben Amt. Die Frage ist nur, ob es dahinter noch eine Kompetenz in Wien gibt und wenn ja, was die tun darf

DIEFURCHE: Vor zwei Jahren wurde ja die Kompetenz für den Ausländer-Grundverkehr den Ländern übertragen Sind Sie mit dieser Föderalisie-rung zufrieden’

KoSTELKA: Ich habe schon vor zwei Jahren die Übertragung des Ausländer-Grundverkehrs als einen Akt exemplarischen Lernens für die Länder betrachtet. Die Länder haben uns damals suggeriert, daß die Problematik des Grundverkehrs dann gelöst wird, wenn sie die Kompetenz dafür bekommen. Objektiv hat einiges dafür gesprochen. Der erste Akt des Lernens war, daß klar wurde, daß die Probleme damit noch nicht gelöst sind, wenn die Länder zuständig sind. Da muß eben das Land die Regelung finden. Und dann sind teilweise Regelungen herausgekommen, die nicht EU-konform sind. Das wird der zweite Akt exemplarischen Lernens sein. Ich bin überzeugt, daß ein Verfahren, insbesondere zum Tiroler Grundverkehrsgesetz, nicht lange ausbleiben wird. Die Konsequenz wird sein, daß man sich bewußt wird, daß nicht nur der Bund sondern auch die Länder und Gemeinden der EU beitreten, beziehungsweise dem EWR bereits beigetreten sind.

DIEFURCHE: Die Bundesstaatsreform hat auch eine finanzielle Dimension KOSTELRA: Natürlich wird man sich darüber einigen müssen, welche Finanzanteile vom Bund an die Länder übertragen werden sollen. Das wird schwierig genug sein und ich will nicht ausschließen, daß die Finanz-Einigung letztlich das Gesamtpaket in einzelnen Punkten noch beeinflussen kann. Darüber hinaus ist auch eine Reform der Finanzverfassung zu diskutieren, was aber nicht ^anz einfach sein wird. Der Bund lat sich ja bereit erklärt, den Ländern mehr Autonomie zu geben. Manche Länder - vor allem die wirtschaftlich potenteren - wollen dieses Steuereinhebungsrecht haben, andere Bundesländer aber es lieber dabei belassen, wie es ist. Nämlich daß sie das Geld ausgeben, das der Bund für sie einnimmt, ohne daß die Länder das nicht sehr schöne Geschäft der Steuereinhebung betreiben müssen. Diese Diskussion ist aber von den Ländern selbst abzuschließen.

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