Flexible Betriebe und Mitarbeiter

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Veit Sorger, Präsident der Industriellenvereinigung (IV), betont die Bedeutung ältere Arbeitnehmer

Die Furche: Die Beschäftigungsquote in der Bevölkerung zwischen 55 und 65 Jahren liegt in Österreich bei 28,8 Prozent, die Lissabon-Agenda sieht bis 2010 jedoch 50 Prozent vor. Halten Sie dieses Ziel für erreichbar?

Veit Sorger: Grundsätzlich ist die Lissabon-Agenda die richtige Vorgabe. Einzelne Ziele sind vom Zeitpunkt 2010 her aber nur mit größeren Anstrengungen zu erfüllen. Dies gilt in Österreich auch für die Beschäftigungsquote Älterer. Österreich hat in den letzten Jahren eine Reihe wichtiger Maßnahmen, wie die Entlastung von Arbeitszusatzkosten bei 56/58-Jährigen und über 60-Jährigen und mit der Pensionsreform ein deutliches Signal zum längeren Verbleib im Arbeitsleben gesetzt. Darüber hinaus sind die Qualifizierungsmaßnahmen verstärkt worden. Das Beschäftigungsziel muss letztlich auch wegen der demografischen Entwicklung erreicht werden. Bis 2010 sind es immerhin noch vier Jahre.

Die Furche: Bringen ältere Mitarbeiter tatsächlich Probleme für den Betrieb? Und wie sieht es mit Vorteilen und besonderen Qualifikationen aus?

Sorger: Ein wesentlicher Faktor ist die Beschäftigungs-und Veränderungsfähigkeit als Antwort auf die sich rasch verändernden Rahmenbedingungen. Wenn sich Produktions-und Dienstleistungsprozesse verändern, müssen sich sowohl die Organisation als auch die Mitarbeiter verändern. Das Wichtigste dabei ist die Anpassung der Qualifikation, um mit den neuen Anforderungen umgehen zu können und die Einstellung zur Veränderung als wesentliches Element der Wettbewerbsfähigkeit. Das langjährige Erfahrungswissen steht nicht mehr im Vordergrund, sondern die Verfügbarkeit jener Qualifikationen, die für die Tätigkeit benötigt werden. Dies gilt es bei Älteren auszugleichen, um Probleme nicht entstehen zu lassen.

Die Furche: Was erwarten Sie von den Betrieben, um die Beschäftigungsquote zu erhöhen?

Sorger: Das Stichwort heute heißt "Alternsgerechte Arbeitswelt". Das bedeutet die Schaffung von Unternehmensorganisationen, die es allen Altersgruppen ermöglichen, produktiv tätig zu sein. Das beginnt bei der Arbeitsablaufgestaltung, bei der Beleuchtung am Arbeitsplatz, der Schriftgröße am Monitor und reicht bis zur didaktischen Gestaltung von Weiterbildungsprogrammen. Auch Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung sind hier sehr nützlich.

Die Furche: Was erwarten Sie von den Älteren selbst, um die Beschäftigungsquote zu erhöhen?

Sorger: Die Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit ist auch eine wichtige persönliche Aufgabe der Arbeitskräfte. Das heißt, sich regelmäßig zu orientieren, ob mit den vorhandenen Qualifikationen und Erfahrungen eine produktive Beschäftigung auf absehbare Zeit möglich ist. Es geht auch um einen Einstellungswandel zur Dauer der Lebensbeschäftigung und zur Veränderung. Das gesetzliche Pensionsantrittsalter von 65 Jahren und damit verbunden eine längere Beschäftigungszeit muss jeden veranlassen, sich auch als älterer Arbeitnehmer darum zu kümmern. Dazu gehört auch die Beachtung der eigenen Gesundheit. An die Veränderungsfähigkeit werden durch den Wirtschaftswandel andere Ansprüche gestellt: Die lebenslange Beschäftigung in einem Betrieb oder an einem Arbeitsplatz gehört der Vergangenheit an. Vielmehr werden sich verschiedene Beschäftigungen und unterschiedliche Arbeitsinhalte aneinander reihen.

Die Furche: Und was muss die Politik tun?

Sorger: Um einen höheren Beschäftigungsgrad zu erreichen, wird die kommende Bundesregierung weitere Maßnahmen setzen müssen, wie beispielsweise eine Entlastung bei den Arbeitszusatzkosten schon bei 55-Jährigen und eine Änderung beim Kündigungsschutz bei der Einstellung von arbeitslosen älteren Arbeitskräften. Die Absetzbarkeit betrieblicher Bildungsaufwendungen für ältere Arbeitskräfte sollte nach ausländischen Beispielen erhöht werden. Zur Zeit können 20 Prozent abgesetzt werden, ein Anreiz wären 40. Flexiblere Arbeitszeitmodelle auch für die Beschäftigung älterer Arbeitskräfte sind uns ein wichtiges Anliegen. Damit würde eine bessere Abstimmung zwischen betrieblichen und individuellen Erfordernissen möglich gemacht.

Die Furche: Dank der demografischen Entwicklung wird schon für die nähere Zukunft ein Mangel an Facharbeitern vorausgesagt. Man wird auf ältere Mitarbeiter zurückgreifen müssen, was derzeit noch kaum passiert. Ist Ihren Mitgliedern denn bewusst, dass sie deutlich zu wenig qualifizierte Mitarbeiter haben werden, wenn sie die Älteren "ausmustern"? Was tut die IV zur Bewusstseinsbildung?

Sorger: Die Europäische Union hat die Problematik der alternden Gesellschaft als eine der Hauptherausforderungen bezeichnet. Das heißt, wir alle müssen dieses Thema mit Priorität bearbeiten. Viele Unternehmen merken heute schon diese Veränderung und stellen sich darauf ein, sich neben einem immer knapper werdenden Arbeitskräftenachwuchs aus dem Bildungssystem Arbeitskräfte durch entsprechende Maßnahmen zu sichern. Neben der verstärkten Beschäftigung von Frauen - dabei hat Österreich das EU-Ziel erfüllt - geht es um die Sicherung des Beschäftigtenpotenzials älterer Arbeitskräfte. Die IV betreibt mit den anderen Sozialpartnern eine eigene Website www.arbeitundalter.at mit Informationen und Beispielen zur alternsgerechten Arbeitswelt und veranstaltet Symposien. Weiters gibt es eine neue Website zur betrieblichen Gesundheitsförderung www.arbeitundgesundheit.at. Durch diese IV-Initiativen sollen Führungskräfte, Berater, Betriebsräte und Arbeitskräfte mit den Themen vertraut gemacht werden und Anregungen für den eigenen Betrieb erhalten.

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