Führen gelingt mit Vertrauen

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Wie führen? Wie kommunizieren? Wie erfolgreich sein? Fragen, die im Berufsleben in Zeiten der Krise und des Wandels drängend gestellt werden. Felix Thun-Hohenstein bietet Antworten. Das Gespräch führte Helmut Berg

Im Ranking "Österreichs beste Arbeitgeber 2012“ zählt das in Perchtoldsdorf bei Wien angesiedelte Headquarter von 3M zu den besten Arbeitgebern des Landes. Im FURCHE-Interview erläutert Felix Thun-Hohenstein, Managing Director für Österreich und die Schweiz, seinen Führungsstil.

Die Furche: Sie sind davon überzeugt, dass der Glaube und die Wertschätzung, die Sie Mitarbeitern entgegenbringen, wesentlich zum Erfolg des Unternehmens beitragen. Worauf stützt sich diese Überzeugung?

Felix Thun-Hohenstein: Ein legendärer 3M-Generaldirektor namens William Mc Knight (1949-1966) prägte die nach ihm benannten Management Prinzipien einer bis heute gültigen Unternehmensphilosophie, der ich mich verbunden fühle. Sie besagt, dass man in wachsenden Unternehmen Verantwortung delegieren muss. Zentralistische Führung ist langsam und irgendwann wird der Manager zum Flaschenhals, weil alle Entscheidungen zentral gefällt werden müssen. Voraussetzung dafür ist, dass man seinen Mitarbeitern vertraut, denn sie werden ihre Aufgaben anders erledigen als man selbst, sie werden andere Entscheidungen treffen, weil jeder Mensch einen anderen Zugang hat. Man muss Fehler zulassen.

Die Furche: Der kreative Umgang mit Fehlern scheint hierzulande noch wenig verbreitet. Nicht selten verhindert die Angst, zu scheitern, eine Initiative, um negative Konsequenzen zu vermeiden.

Thun-Hohenstein: Es muss diesen Freiraum geben, sonst entstehen keine neuen Ideen. Das ist wesentlich, um innovatives Arbeiten überhaupt möglich zu machen und Teil unserer Unternehmenskultur. Hierarchische Strukturen sind dabei kein Widerspruch zu einer Haltung, die Menschen vertraut, Freiraum eröffnet und Wertschätzung entgegenbringt.

Die Furche: Ihre Führung könnte man "management by faith“ nennen, ein Führungsstil, der sich dem Glauben und christlich geprägter Erziehung verdankt.

Thunb-Hohenstein: Die hat mich zweifellos stark geprägt. Auch hier steht der Mensch im Mittelpunkt. Und der Anspruch an uns selbst, mit jedem Menschen wertschätzend umzugehen. So würde ich den Auftrag Christi übersetzen.

Die Furche: Ein Spagat, der nicht leicht zu halten ist. Denn ein international tätiges Unternehmen muss den Umsatz steigern, hart im Wettbewerb sein und die Aktionäre zufriedenstellen. Geht dieser Druck nicht 1:1 an die Mitarbeiter weiter?

Thun-Hohenstein: Freundlichkeit zur Crew und wertschätzende Behandlung sind für mich unterschiedliche Dinge. Ich glaube nicht, dass man einen Menschen wertschätzend behandelt, in dem man ihm stets freundlich auf Daunenkissen bettet und dabei insgeheim denkt: Eigentlich macht er etwas falsch. Wenn etwas schiefläuft, muss man die Dinge offen ansprechen, sich mit dem Menschen auseinandersetzen, im Guten wie im Schwierigen. Das betrifft auch familiäre Angelegenheiten, wie in der Erziehung. Wenn man immer nur nett zu seinen Kindern ist, entwickeln sie sich zu kleinen Monstern und später zu großen und man leidet. Insofern ist es wichtig, klare Grenzen zu setzen und klare Entscheidungen zu treffen. Wenn ich die Meinung anderer höre und mit ihnen wertschätzend umgehe, bin ich in meinen Entscheidungen nicht mehr alleine, sondern treffe sie auf Basis einer Meinungsvielfalt. Dadurch werden Entscheidungen automatisch besser. Der einsame Chef in seinem Sessel trifft einsame Entscheidungen. Je globaler man agiert, desto wichtiger werden das gute Beraterteam und die Reflexion auf vielfältige Sichtweisen. Das ist ein sehr spannender und befruchtender Vorgang.

Die Furche: Letztlich bleibt dem Generaldirektor die Last der Letztentscheidung. Das kann starken Druck auf einen Menschen ausüben. Wie gehen Sie damit um? Wie und wo holen Sie sich Ihre Kraft?

Thun-Hohenstein: Einerseits geben mir Gespräche mit meinen Kollegen und Mitarbeitern Kraft und Rückhalt, andererseits ist meine größte Kraftquelle die Familie. Ich könnte mir mein Leben ohne meine Familie nicht vorstellen.

Die Furche: Können Sie dem von der FURCHE mitgeprägten Begriff Entschleunigung - gegen die Rasanz unserer Zeit - etwas abgewinnen?

Thun-Hohenstein: Bei notwendigen Entscheidungen ist Entschleunigung tatsächlich angebracht. Es ist ein Phänomen, dass Leute sich selbst über die wesentlichsten Themen nur mehr per E-Mail schnell austauschen. Das Sich-Zeit-nehmen für den Menschen und den Dialog, bevor man Entscheidungen trifft, war eines der wesentlichsten Themen der letzten Jahre, die wir diskutiert haben. Egal wie hoch der operative Druck ist; wenn ich mir diese Zeit nicht nehme, ist die Gefahr groß, dass viel kaputt geht. Eine Gallup-Studie zeigt, dass viele Mitarbeiter von Unternehmen sich nicht genügend eingebunden fühlen und innerlich längst gekündigt haben. Diese Zahl ist im Steigen begriffen und liegt derzeit bei etwa 20 Prozent. Wenn jeder Fünfte im Betrieb innerlich gekündigt hat, wie schaut dann das Betriebsklima aus? Wie kann man da erfolgreich zusammenarbeiten? Ich halte das für ein Symptom der scheinbaren Schnelligkeit, die vergisst, den Menschen mitzunehmen. Nach einer Zeit der Versachlichung von Themen sollten wir erkennen, dass die Soft Skills der Menschen doch viel wichtiger sind als man glaubt und dass noch lange nicht alles gut funktioniert, nur wenn der Arbeitsprozess gut definiert und kontrolliert ist. Wirkliche Geschwindigkeit im Geschäftsleben produziert man nicht mit Hudeln, weil man dadurch ungeheure Qualitätsprobleme riskiert.

Die Furche: Personalberater berichten vom Unbehagen mancher Führungskräfte gegenüber hochqualifizierten Mitarbeitern. Wie entgeht man als Manager der Angst des Platzhirsches vor dem Herausforderer?

Blindtextname: Dieser Angst entgeht man nur dadurch, dass man sich sagt: Wenn ich Erfolg haben will, brauche ich die besten Mitarbeiter, die es gibt. Wenn ich diese finde, dann werden die per definitionem ganz sicher etwas besser können als ich. Und das ist auch der Sinn der Sache. Meine Aufgabe ist nicht, dass ich alles weiß, sondern dass ich viele Experten um mich habe, die in ihren Fachbereichen alle besser sind als ich. Ich glaube, dass diese Angst die gefährlichste ist, die es im Management gibt.

Die Furche: Käme auch eine politische Aufgabe für Sie in Betracht?

Thun-Hohenstein: Politisch engagiere ich mich in der Amerikanischen Handelskammer (AmCham). Dort versuchen wir das Verständnis für Österreichs Wettbewerbssituation in der globalisierten Welt zu heben. In vielen aufstrebenden Ländern drängen ungeheuer viele hungrige Menschen darauf, Teil einer Mittelschicht zu werden, die für uns noch selbstverständlich scheint. Wer glaubt, dass sich dieser Zustand von selbst erhält, wird sehr enttäuscht sein.

Eine internationale Laufbahn als Manager

Felix Thun-Hohenstein lebt mit seiner Familie - er ist verheiratet mit Regina-Maria Frankl, das Paar hat drei Kinder - in Wien, wo er 1959 geboren wurde. Er maturierte am Stiftsgymnasium in Kremsmünster, studierte Rechtswissenschaften in Wien und begann seine Berufslaufbahn bei Wacker Chemie.1985 tritt Thun-Hohenstein beim US-Multi-Technologiekonzern 3M ein, für den er in mehreren Ländern tätig ist, 1996 wird er in die Zentrale nach St. Paul im US Bundesstaat Minnesota berufen. 2007 wird er Managing Director der 3M Österreich Niederlassung. Thun-Hohenstein gehört dem Vorstand der Amerikanischen Handelskammer in Österreich an.

3M wurde 1902 als Minnesota Mining & Manufacturing Company gegründet. Heute erzeugt das Unternehmen mit knapp 85.000 Mitarbeitern in 68 Ländern über 50.000 verschiedene Produkte in den Geschäftsfeldern Industrie, Transport, Gesundheit, Sicherheit, Büro und Haushalt. Von ca. 30 Mrd. US $ Jahresumsatz fließen 1,3 Mrd. US $ in die Forschung, denn 40% der Umsätze werden mit Produkten generiert, die weniger als fünf Jahre auf dem Markt sind. (h. b.)

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