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Für europareife Landwirtschaft

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Der Kampf um die „Europareife der Landwirtschaft“ ist durchaus nicht auf Österreich beschränkt. In den meisten europäischen Staaten — ob sie nun die Auswirkungen des Integrationsprozesses direkt oder indirekt zu spüren bekommen — ringen Bauernschaft und Agrarpolitik in einem zunehmend härter werdenden Konkurrenzkampf um Erhaltung und Verbesserung der bäuerlichen Existenz sowie um eine befriedigende Integration der Land- und Forstwirtschaft in die moderne Volkswirtschaft. Agrarpolitische Maßnahmen können dabei die erforderlichen großen Selbsthilfeanstrengungen der Bauernschaft zwar anregen und fördern, nie aber ersetzen.

Der Umstellungsprozeß, in dem sich die Agrarwirtschaft befindet; die Integrationsvor- bereitungen und der Kampf mit den Naturgewalten stellen nicht nur hohe Anforderungen an das fachliche Wissen und Können der österreichischen Bauern, sondern erfordern auch große materielle Aufwendungen. Die gewaltigen Anstrengungen, die hier gemacht werden, und die Ergebnisse, die daraus resultieren, kommen in dem auf Grund des Landwirtschaftsgesetzes seit 1960 alljährlich der Regierung und dem Parlament vorgelegten Grünen Bericht deutlich zum Ausdruck. Gleichzeitig werden im Grünen Plan jeweils jene Maßnahmen vorgeschlagen, deren Förderung zur Verbesserung der Europareife der österreichischen Land- und Forstwirtschaft besonders vordringlich erscheint. Naturkatastrophen und Schlechtwetterperioden, wie sie i.m vergangenen und im heurigen Jahr die Landwirtschaft weiter Gebiete unseres Vaterlandes heimsuchten sowie spürbare Erhöhungen der Produktionsmittelpreise erschweren dabei das Ringen der Bauern um Strukturverbesserung, Betriebsvereinfachung und Rationalisierung.

Gerade der Grüne Bericht 1965, der dem Ministerrat am 13. September dieses Jahres vorgelegt wurde, zeigt wieder sehr deutlich, daß die österreichische Bauernschaft trotz schwerer naturbedingter Rückschläge einen unerschütterlichen Willen zur Selbstbehauptung und Leistungssteigerung besitzt. Insgesamt ist dieser Grüne Bericht 1965 die Bilanz eines Katastrophenjahres und ein deutlicher Beweis für die Risikoanfälligkeit der landwirtschaftlichen Produktion. Während 1964/65 84 Prozent des Emährungsverbrauches aus der heimischen Produktion gedeckt werden konnten, erreichte 1965/66 der Selbstversorgungsgrad nur rund 77 Prozent.

Auch in der Entwicklung des Betriebseinkommens je landwirtschaftlicher Arbeitskraft ist auf Grund dieser Situation 1965 insgesamt ein Rückschlag eingetreten. Im Bundesmittel verminderte es sich um zwei Prozent. Vor allem im nordöstlichen Flach- und Hügelland, aber auch im Alpenvorland sowie im Wald- und Mühlviertel waren die Betriebe vom Einkommensrückgang betroffen. Am besten schnitten vergleichsweise noch die Betriebe in den Produktionsgebieten der Vor- und Hochalpen ab. Nicht zuletzt daraus ergibt sich im Grünen Bericht 1965 eine Verringerung des Einkommensabstandes innerhalb der landwirtschaftlichen Betriebsgruppen beziehungsweise ein deutliches Aufholen der Bergbauerngebiete. Anderseits dokumentiert sich in dieser Erscheinung der große Leistungswille der Bergbauernschaft, aber auch die Wirksamkeit der Maßnahmen des Grünen Planens und des Sonderprogramms zur Bergbauernförderung.

Die großen Investitionsanstrengungen der österreichischen Land- und Forstwirtschaft im Katastrophenjahr 1965 mußten infolge der schlechten Ertragslage durch eine verstärkte Zuhilfenahme von Fremdkapital finanziert werden. Trotz der schwierigen eigenen Situation ist die Bedeutung der Bauernschaft als Käufer gewerblich-industrieller Erzeugnisse auch im vergangenen Jahr weiter gestiegen. Die land- und forstwirtschaftlichen Investitionen im Gefolge der Umstellung von der arbeits- zur kapitalintensiven Wirtschaft sind für die Entwicklung von Industrie und Gewerbe von noch zunehmender Bedeutung.

Der Anteil der land- und forstwirtschaftlichen Gesamtausgaben, der anderen Wirtschaftsbereichen oder der öffentlichen Hand zugute kam, ist im Jahr 1965 gegenüber dem Vorjahr u,m 620 Schilling — oder 8,5 Prozent — je Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche angestiegen und betrug 10.460 Schilling. Die Verteuerung zahlreicher Betriebsmittel und Investitionsgüter machte sich empfindlich bemerkbar, weil gerade in den kapitalintensiv wirtschaftenden Betrieben des Flach- und Hügellandes sowie des Alpenvorlandes eine sehr ungünstige Feldfruchternte zu verzeichnen war, die die Einkommenslage spürbar verschlechtert hat. Die Ausweitung der Investitionstätigkeit konnte daher nur durch eine neuerliche Vergrößerung des Kreditvolumens bewältigt werden.

Das geschätzte Aktivkapital der österreichischen Land- und Forstwirtschaft hat sich im Jahr 1965 um 3,9 Prozent auf 150,9 Milliarden Schilling erhöht. Der Anteil des Fremdkapitals am Gesamtvermögen betrug sieben Prozent — gegenüber 1964 6,6 Prozent.

Die großen Investitionen, die zur weiteren Umstellung der österreichischen Land- und Forstwirtschaft benötigt werden, machen zunehmend Investitionskredite erforderlich. Da in der Land- und Forstwirtschaft eine angemessene Verzinsung des Kapitals nicht gegeben ist, sind ausreichende Zinsenzuschüsse notwendig.

Der Grüne Bericht 1965 bildet wie kaum einer vor ihm geradezu eine Herausforderung zur weiteren Vertiefung des allgemeinen Verständnisses für die besondere, nätüfäbMngfge und risikoreiche Situation der Land- und Forstwirtschaft. Rückschläge in der Landwirtschaft wirken sich stets auf die Gesamtwirtschaft aus — ebenso wie alle Erfolge und aller Fortschritt in der Land- und Forstwirtschaft stets für die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft spürbar werden. Darum verdienen auch die großen Aufgaben und Zielsetzungen der Agrarpolitik unserer Zeit — die nicht zuletzt durch die Maßnahmen des Grünen Planes verwirklicht werden — das Verständnis der gesamten Bevölkerung.

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