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Fur fette und magere Jahre

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Unsere Vorstellung der österreichischen Ministerien geht allmählich zu Ende. Heute beginnen wir mit einer Untersuchung über das Bundesministerium für Land- und Forstwirtsch aft. „Die Furche“

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Unsere Vorstellung der österreichischen Ministerien geht allmählich zu Ende. Heute beginnen wir mit einer Untersuchung über das Bundesministerium für Land- und Forstwirtsch aft. „Die Furche“

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In dem großen Regierungsgebäude auf dem Stubenring zu Wien nimmt das Land- und Forstwirtschaftsministe-rium den linken Flügel ein, dieweil das Zentrum vom Handelsministerium und der rechte Flügel vom Sozialmini -sterium besetzt ist. Das ist natürlich topographisch gemeint, wie's der dort Eintretende sieht. Und politisch? In den alten Zeiten — vor und nach der Gründung des „Ministeriums für Agricultur“, wie es 1868 hieß — wurde die Landwirtschaftspolitik in Österreich weitgehend von den Großgrundbesitzern bestimmt. Seither gab es einen entscheidenden Strukturwandel.

Der Kleinbetrieb dominiert

1960 hatte Österreich (ohne Wien) 399.^63 landwirtschaftliche Betriebe. 48 Prozent von ihnen besaßen nicht mehr Grund als bis zü fünf Hektar. Weitere 18,8 Prozent besaßen Boden-flachen von fünf bis zehn Hektar. Somit sind zwei Drittel aller Betriebe Kleinbetriebe. Wer aber mehr als 20 oder 50 Hektar hat, ist deshalb noch lang kein Großgrundbesitzer, sondern ein Mittelbauer und wirtschaftet oft genug ohne fremde Arbeitskräfte. Damit sieht es aber so aus, daß auf je einen der 111.252 Unselbständigen in der österreichischen Landwirtschaft zwei Selbständige samt drei mithelfenden Familienmitgliedern kommen (In Industrie und Gewerbe zehn Unselbständige, und im Handel und Verkehr je fünf Unselbständige auf einen Selbständigen.) Kein Landwirtschaftsminister würde sich lange halten, wenn er seine Politik nicht auf diese sozialen Tatsachen einstellen würde.

Der derzeitige Landwirtschaftsminister, Diplomingenieur und Ökonomie-tat fE4ua$l E|ar tmann ist in seiner philosophisch sehr ... fundierten Grundhaltung ebenso Produkt der Entwicklung landpolitischen Denkens, wie unsere komplexe, vdelgegliederte Landwirtschaft selbst. In Hartmanns Grundhaltung verbinden sich zwei scheinbar entgegengesetzte Extreme: einerseits glühendes Einstehen für die selbständige bäuerliche Familienwirtschaft und anderseits umfassende, staatliche Planung, Erfassung und Lenkung der Landwirtschaft — also Intervenrionis'-mus.

Nun war allerdings schon Israels Sohn Joseph der erste Interventionist, als er dem Pharao dessen Traum von den sieben fetten Kühen, die von sieben mageren Kühen aufgefressen wurden, deutete, und ihm riet, die Ernteüberschüsse der guten Jahre für schlechte Zeiten aufzuspeichern. Thomas Mann hat darauf hingewiesen, daß dies auch geschah, um zu verhindern, daß die Getreidepreise in Jahren des starken Angebots sänken und in den Jahren heftiger Nachfrage stiegen. Haargenau dasselbe tut heute das Landwirtschaftsministerium auf vielerlei Weise. So wenn es zum Beispiel Händlern und Genossenschaften die Kosten der Einlagerung von Getreide in sogenannten Sperrlagern ersetzt, sofern jene den Bauern das Korn gleich nach der Ernte zu festgesetzten Preisen abkaufen und nicht erst später zu derart gesenkten, wie sie durch großes Angebot nach der Ernte in den alten Zeiten liberaler Marktwirtschaft entstanden.

Das Ministerium steht mit fast allen seinen sechs Sektionen und zahlreichen untergeordneten Dienststellen und Institutionen im Dienste dieses österreichischen Interventionismus. Er hat seine Ausgangspunkte unter anderem bei jenem altösterreichischen Minister Beck, der der Landwirtschaft Gleichstellung als staatspolitischer Faktor verschaffte, und in jenem Abgeordneten und späteren Staatssekretär Stöckler, der im Jahr 1918, als die Schaffung eines Landwirtschafrsministeriums für die Republik als unwesentlich bezeichnet wurde, prophetisch erklärte: „Man wird es noch bitter nötig haben.“ Doch auch das Fabiertum und

die berühmte Kuh Bella des österreichischen Bundespräsidenten und Musterlandwirtes Michael Hainisch gehörten dazu.

Wie jedes Ministerium besitzt auch das für Land- und Forstwirtschaft eine Präsidialsektion, die drei Hauptaufgaben hat: 1. Die Betreuung der 63 36 Bediensteten. Es ist ein vorwiegend „praktisches“ Ministerium: von diesen b336 Menschen gehören nur 358 der Zentralleitung am Stubenring an. Das größte Kontingent — 2336 (davon 1951 Arbeiter) — schützt uns in den I andern bei der Wildbach- und La-winenverbaming vor Überschwemmungen und Lawinen. Ein weiteres Drittel des Gesamtstandes sind Lehrer, Wissenschaftler und Agrotechniker an den land- und forstwirtschaftlichen Bun-deslehr- und Bundesversuchsanstalten. Es gibt übrigens, auch cje'Reihe von Anstalten,, an.dpnen sowohl unterrichtet als auch geforscht wird. Das letzte Drittel ist in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, Gestüten und anderen Zuchtanstalten beschäftigt. Zu den Betrieben gehören übrigens nicht die Bundesforste als Nachkommen der ehemaligen landesfürstlichen und späteren Staatsdomänen. (Ein zwar fachlich gut, jedoch mit Fremdwörtern schlecht beschlagener Landwirrschafts-minister nannte sie einst konsistent die Staatsdämonen.) Die Bundesforste sind ein selbständiger Riesenbetrieb, der über 7517 Arbeiter und Angestellte und Liegenschaften von 814.825 Hektar verfügt und uns derzeit im Jahr einundsechzig Millionen Schilling Reingewinn einbringt.

Die zweite Aufgabe der Präsidialsektion liegt in der alljährlichen Erstellung des Budgets für die Land- und Forstwirtschaft. Der Aufwand beträgt derzeit 1125 Millionen Schilling. Hiervon werden für das Ministerium selbst nur rund 27 Millionen ausgegeben. Weiteres Ausgabenkapital sind: Zivilschutz, Veterinärkontrolle an den Grenzen, Inspektion von Weinkellern, Wildbachverbauungsdienst, Bundesgärten, Subventiionierung und Aufsicht über die durch die Länder betriebenen 1914 niederen landwirtschaftlichen Schulen, Spanische Reitschule: 28,9 Millionen. Für sogenannte Staats-

aufgaben im Interesse der Land- und Forstwirtschaft, wie für Entschädigungen für ausgemerzte, seuchenerkrankte Tiere, betriebswirtschaftliche Untersuchungen, Wasserforschung und Kataster, Futtermittelforschung und anderes: 30,5 Millionen. Für höhere Bundeslehr-, -Versuchs-, -zucht- und \ andere -anstalten: 93,2 Millionen. Diverse Betriebe wie die Bundesforstgär-ten (staatliche Baumschulen) haben hohe Ausgaben - 80,8 Millionen —, aber auch hohe Einnahmen: 76,3 Millionen. Eine hohe Post stellen Ausgaben für Produktionssteigerung und Schutz der Landwirtschaft dar: 211,3 Millionen. Sie sind so vielfältig, daß an anderer Stelle detailliert darüber gesprochen werden soll. Ebenfalls hoch sind die Ausgaben für Maßnahmen in der Land- und Forstwirtschaft im gesamtvolkswirtschaftlichen Interesse, wie Schutzwasserbau und Lawinenbau: 107,8 Millionen.

Kampf um das Landwirtschaftsgesetz

Die dritte Aufgabe der Präsidialsektion, ist die Erstellung der großen gesetzgeberischen Vorhaben des Ministeriums, wie zum Beispiel das große Landwirtschaftä-gesctz von 1960, das freilich gemeinsam mit sämtlichen Sektionen des Ministeriums vorbereitet wurde.

Die Sektion I ist die eigentliche Rechtssektion des Ministeriums. Sie betreut ständig solche Gebiete wie das Wasserecht. Da das Wasser bei uns nicht so rar Ast wie in anderen Ländern, wo seinethalben Bürgerkriege und Stammesfehden, wie in Spanien und im Orient, entstehen, gibt es dennoch bei den rund 100.000 Kilometern an Wasserwegen genug Rendezvousorte für alle Arten von Konflikten, sowohl zwischen Behörden als auch mit Privaten.

Der Sektion I obliegt auch die So-zialreclitspflege in der Land- und Forstwirtschaft. So wurden in der Sozialrechtspflege letzthin die Schutzgesetze für die in der Landwirtschaft tätigen Mütter reformiert.

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