6772572-1969_08_17.jpg
Digital In Arbeit

Gefahr für langfristiges Wachstum?

Werbung
Werbung
Werbung

Der K<mjunfeturaufschwung der österreichischen Wirtschaft, der im Jahre 1968 begann, wird sich im Jahre 1969 weiter fortsetzen. Während das reale Brattonationalprodukt dm Jahre 1968 um mehr als 4 Prozent gewachsen ist, bestehen für 1969 gute Aussichten auf ein Wachstum von mehr als 5 Prozent. Vorläufig ist noch der Export die wichtigste Konjunkturstütze, kräftige Impulse gehen vor allem von der deutschen Konjunktur aus. Die starke Belebung der Industrieproduktion ist besonders in den exportorientierten Branchen zu beobachten, die Produktion von Investitionsgütern hinkt nach, weil die heimische Konjunktur den Maschinenbau und die Baustoffproduktion noch nicht voll erfaßt hat. Dabei bestehen aber gute Aussichten für eine Belebung der Investitionstätigkeit dm Jahre 1969. Es ist auf Grund verschiedener Anzeichen und Überlegungen anzunehmen, daß die Investitionstätigkeit, die bis Mitte 1968 stagniert hatte, in diesem Jahr eine entscheidende Rolle im Konjunkturgeschehen spielen wird. Nach einer Schätzung des Wirtschaftsforschungsinstitutes, die sich vor allem auf den Investitionstest stützt, werden die Brutto-anlagein-vestitionen um 8 Prozent wachsen. Die Industrie beabsichtigt, erheblich mehr zu investieren als im Vorjahr. Auch die öffentlichen Haushalte werden ihr Investitionsvolumen ausweiten. Der Bund wird den Investitionsstoß von 1967 und 1968, der wesentlich zu der Erhaltung und Neubelebung der gesamten Investitionstätigkeit beigetragen hat, auoh im Jahre 1969 aufrechterhalten. Neben den Investitionen des Bundeshaushaltes werden noch durch Haftungsübernahmen des Bundes (zum Beispiel für die Tauern-• autobahn) und durch das neue' Leasing-System für Hochschulbauten Investitionen durch den Bund gefördert. Die Voraussetzungen für eine Ausweitung des öffentlichen und öffentlich geförderten Wohnungsbaues sind ebenfalls vorhanden.

Impulse von den öffentlichen Haushalten werden nicht nur auf die Belebung der Investitionstätigkeit, sondern auch auf die Ausweitung des Konsums ausgehen. Durch die Erhöhung der Gehälter der öffentlichen Bediensteten und die Ausweitung der Transferzah-lungen wird der Konsum gefördert. Die Erhöhung der Steuern wird den Konsum dagegen nur wenig dämpfen.

Wenn keine ernsten Störungen — etwa durch neue Währungskrisen — des Welthandels den österreichischen Export beeinträchtigen, so werden weiterhin Impulse vom Außenhandel ausgehen, wenn sie auch schwächer werden als bisher. Im abgelaufenen Jahr wurde der Exportauftrieb trotz Konjunkturbelebung in Österreich noch stärker. Für 1969 ist damit zu rechnen, daß durch die wachsende heimische Nachfrage der Exportdruck abnehmen und gleichzeitig der Import, vor allem von Investitionsgütern, zunehmen wird. Diese konjunkturbedingten Tendenzänderungen werden das Passivus der Leistungsbilanz vergrößern. Österreich verfügt über große Gold- und Devisenbestände, deren Zweck es vor allem ist, solche konjunkturellen Schwankungen der Zahlungsbilanz auszugleichen, ohne zu einer restriktiven Politik greifen zu müssen. Die hohen Zahlungsbilanzüberschüsse der letzten Jahre sind zu einem Teil von den Kreditinstituten in Auslandsguthaben angelegt worden, so daß ausreichend liquide Mittel zur Finanzierung des Konjunkturaufschwungs bereit stehen. Weder von der Zahlungsbilanz noch von der Finanzierungsseite sind also Bremswirkungen des Aufschwungs zu erwarten.

Bestehen also Aussichten auf einen stetig vor eich gehenden Konjunkturaufschwung ohne Überhitzungen und auf ein langfristig kräftiges Wachstum der Wirtschaft? Derzeit sind es vor allem zwei Probleme, die diese Wachstumschancen beeinträchtigen könnten: Mit dm Fortgang des Konjunkturaufschwungs und der Ausschöpfung des Arbeitsmarktes in einer vollbeschäftigten Wirtschaft wird die Möglichkeit eines Preislohnauftriebs größer. Eine derartige Überhitzung könnte Eingriffe der Wirtschaftspolitik notwendig machen, die nicht ohne Folgen für die Konjunkturentwicklung bleiben würden. Der Politik der Sozialpartner kommt eine entscheidende Bedeutung zu, eine derartige Entwicklung zu verhindern. Bisher hat diese Politik wesentlich dazu beigetragen, den neuen Aufschwung zu ermöglichen und zu festigen. Wenn die Sozialpartner diese verantwortungsbewußte Lohn- und Preispolitik fortsetzen, dann bestehen gute Chancen für einen stetigen Aufschwung ohne Uberbitzungen.

Für die Entwicklung der österreichischen Wirtschaft auf lange Sicht sind eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet worden. Es besteht die Gefahr, daß wir angesichts des Konjunkturaufschwungs die in der Konjuniktur-abschwächung zutage getretenen Schwächen unserer wirtschaftlichen Struktur wieder vergessen. Die Maßnahmen zu ihrer Behebung müssen aber jetzt intensiviert werden, denn ihre Durchführung ist jetzt im Konjunkturaufschwung erleichtert worden. Auf einzelnen Bereichen ist das wirtschaftspolitische Konzept der Bundesregierung bereits durchgeführt worden. So hat die aktive Konjunkturpolitik dazu begetragen, daß die österreichische Wirtschaft Anschluß an einen neuen Konjunkturaufschwung gefunden hat. Die Budgetpolitdk hat die prognostizierte Finanzierungslücke von mehr als 16 Milliarden Schilling durch gesetzliche Maßnahmen und Abstriche auf weniger als 8 Milliarden Schilling heruntergedrückt. Dieser Abgang erscheint währungs- und wirtschaftspolitisch vertretbar. Von den im wirtschaftspolitischen Konzept enthaltenen Maßnahmen für die Wachstumsförderung und Strukturverbesserung sind ebenfalls mehrere schon verwirklicht worden:

Um den Wettbewerb zu fördern, hat das Parlament die 5. Novelle zum Kartellgesetz beschlossen, die Erleichterungen für verschiedene Formen der Zusammenarbeit von Unternehmen zum Zweck der Rationalisierung vorsieht und die Grundlagen für die Einführung des sogenannten Nettopreissystems geschaffen hat.

Die Investitionsfinanzierung wurde durch mehrere Maßnahmen erleichtert: Das Aktienkapital der österreichischen Investdtionskre-dit AG. wurde verdoppelt und 300 Millionen Schilling Kreditmittel für die Finanzierung industrieller Großprojekte zur Verfügung gestellt. Kreditgarantiegesellschaften wurden bereits in einzelnen Bundesländern gegründet, die mittelständischen Betrieben mit unzureichender Sicherheitskapazität neue Investitionen ermöglichen. Das Gesetz über die Gründung einer Entwicklungs- und Erneuerungsgesellschaft wurde kürzlich vom Parlament verabschiedet. Die Gesellschaft wird Bürgschaft für Investitionen vom gewerblichen und industriellen Unternehmen sowie für Fremdenverkehrsinvestitionen in einem Gesamtausmaß von 2,5 Milliarden Schilling übernehmen. Das ebenfalls vom Parlament beschlossene Strukturverbesserungsgesetz begünstigt die Konzentration, um leistungsfähigere Betriebe und Unternehmen entstehen zu lassen. Außerdem ist in dem Gesetz die Gebührenbefreiung für Konsortialkredite vorgesehen.Die Forschung wurde im Bundesvoranschlag 1969 besonders berücksichtigt. Es wurden 20 Prozent mehr Mittel vorgesehen als im Voranschlag 1968. Daneben werden Aufwendungen für Hochschulen stark erhöht. Um die Raumnot an den Hochschulen zu mildern, wird neben dem laufenden Programm noch ein zusätzliches Bauprogramm mit dem modernen Leasing-Verfahren durchgeführt werden.

Die Reorganisations- und Sanierungspolitik in der verstaatlichten Industrie ist durch die ÖIG fortgesetzt worden, wobei vor allem auf die Förderung und Stärkung wachstumskräftiger Unternehmen Bedacht genommen wurde.

Weitere Maßnahmen der Wachstums- und Strukturpoiitik sind in Vorbereitung; so wird ein Energieplan erstellt, ein Investitionsprogramm des Bundes vorbereitet und an der Errichtung einer Beteiligungsgesellschaft gearbeitet.

Ein weiteres Gebiet, auf dem heute Reformen notwendig sind, ist das Gebiet der Geld- und Kreditpolitik. Das Ziel dieser Reformen ist es, die Wirksamkeit der Geldpolitik zu erhöhen und die Finanzierung ertragreicher, aber risikoreicher Investitionen zu erleichtern. Die für diese Strukturverbesserung notwendigen gesetzlichen Maßnahmen werden in einer Novelle zum Nationalbankgesetz, in einem neuen Kreditwesengesetz, einem Sparkassen-und einem Postsparkassengesetz verankert, deren Entwürfe kurz vor der Aussendung zur Begutachtung stehen. Sie sollen noch vor dem Sommer dem Parlament zugeleitet werden.

Wenn man die Wirtschaftspolitik des abgelaufenen Jahres überblickt, ihre Erfolge mißt und dann die Aussichten für das Jahr 1969 abschätzt, dann wird man zum Schluß kommen können, daß Österreich bei einer Fortsetzung des bisherigen Kurses der Wirtschaftspolitik und bei Andauern der verantwortungsbewußten Zusammenarbeit der Sozialpartner sehr gute Chancen hat, einen stetigen Konjunkturaufschwung ohne Überhitzungen und ein langfristiges, kräftiges Wirtschaftswachstum zu erreichen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung