Geldverteilen ist noch keine Politik

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Woran zeigt sich "starke Politik"? Es gibt die Vermutung, dass sich Höhe und Wachstum der Staatsausgaben beziehungsweise der Anteil des Staatsbudgets am Sozialprodukt als Indikatoren eignen. Wenn der Staat viele Ressourcen hat und in alle Bereiche wirkt, ist die Politik einflussreich. Diese Vermutung ist grundfalsch.

Das Gegenteil stimmt. Hohe Staatsausgaben können auch als Indikator einer "schwachen Politik" gesehen werden. Denn Politik lässt sich dann am leichtesten machen, wenn es Geld zu verteilen gibt. Das tut jeder Politiker gerne, und damit brüstet er sich: Dieser oder jener Budgetansatz sei seit dem Vorjahr erhöht worden, es sei also gelungen, mehr Geld auszugeben. Aber Geldverteilung bei sprudelnden Ressourcen ist keine Politik. Entscheidungen werden vermieden, wenn niemandem Nein gesagt werden muss, sondern Ansprüche höchstens gereiht werden müssen.

Schwache Politik kann sich in Zeiten der Wirtschaftskrise besonders gut austoben. Denn die Krise bietet, nach keynesianischer Rezeptur, einen guten Grund zum Geldausgeben. Die andere Hälfte des Rezepts, die Schuldentilgung durch Einnahmenüberschüsse in den guten Zeiten, vergisst man. Freilich geben selbst Kritiker zu, dass es derzeit anzukurbeln gilt, über alle Schuldengrenzen hinaus: ein Geschenkverteilungsfest, auch wenn der Bankrott vor der Türe steht; und man schaut in dieser Lage nicht so genau hin, für wen oder für was. Aber wen kümmert die nächste Generation, die den Spaß bezahlen wird?

So paradox es klingt: Eigentlich ist Politik gerade in Zeiten der Krise einfach. Alle Interessenten werden beteilt, und sie applaudieren freudig. Politik wird erst dann zum Kunsthandwerk, wenn sich die Wirtschaftslage konsolidiert und zukunftsträchtige Maßnahmen zu setzen wären. Das haben (mit einer Ausnahme) die österreichischen Regierungen der letzten drei Jahrzehnte peinlich vermieden.

Der Autor ist Professor für Soziologie an der Karl-Franzens-Universität Graz.

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