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Die Kunst, schwarze in weiße Milliarden zu verwandeln.

Der Kampf gegen die Geldwäsche durch das internationale organisierte Verbrechen scheint hoffnunglos. Millionen Euro werden beschlagnahmt, viel Geld, aber verschwindend wenig angesichts der erfolgreich gewaschenen Beträge. Die Schweiz hat in Sachen Bekämpfung der Geldwäsche kein gutes Image. Nicht zuletzt deshalb bewilligte der Schweizer Nationalfonds ein Forschungsprojekt über die Rolle der Derivate bei der Geldwäsche. Vom fertigen Bericht wollte er aber nichts wissen. Wolfgang Hafner, einer der beiden Forscher, veröffentlichte daraufhin seine Ergebnisse als Buch: "Im Schatten der Derivate. Das schmutzige Geschäft der Finanzelite mit der Geldwäsche".

Das Ergebnis erscheint zweischneidig. Die Beschreibung, wie man mittlere bis hohe schwarze Beträge verschiebt, ist so detailliert, das sie geradezu als Anleitung zum Geldwaschen zweckentfremdet werden kann. Es wäre freilich nicht die erste. Hafner erwähnt Charles Intriago, den Herausgeber der Zeitschrift "Money Laundering Alert" ("Geldwaschwarnung"). Wie sich herausstellte, wollte er in Wirklichkeit Geldwasch-Kunden werben. Alle Prozesse verliefen im Sand.

Hafner sieht die bisherigen Bemühungen, der Geldwäsche Herr zu werden, als Versuche, mit handwerklichen Mitteln einer Industrie auf die Schliche zu kommen. Daher würden immer nur Geldwäscher entdeckt, die selbst auf handwerklichem Niveau agieren. Er beschreibe hingegen die wirklichen Vorgänge und sage, was die Regierungen dagegen tun könnten. In der allgemeinen Vorstellung werde Drogen- und dem Fiskus entzogenes Schwarzgeld gewaschen, das der Besitzer für legale Geschäfte zur Verfügung haben möchte. Doch das sei nur noch ein kleiner Teil der Summen, die täglich "legalisiert" werden: "Waffenhandel, Kinderprostitution, Kinder-, Frauen- und Organhandel" seien neue Marktsegmente, die, meint er, weit mehr einbringen als der Drogenhandel. "Insbesondere seit dem Zusammenbruch der UdSSR sind Strukturen entstanden, die nicht mehr durchschau- und kontrollierbar sind. Hier setzt die Geldwäscherei ein. Sie ist die finanztechnische Ergänzung zum ungehinderten Spiel der Marktkräfte samt seinen illegalen Ausprägungen".

Die theoretischen Grundlagen des Derivathandels gehen, so der Autor, auf das Jahr 1900 und auf den Franzosen Louis Bachelier und den Österreicher Vinzenz Bronzin, einen Professor der K.K. Handels- und nautischen Akademie Triest, zurück. Die Amerikaner Black, Scholes und Merton entwickelten daraus in den siebziger Jahren die Black-Scholes-Formel, für die sie 1997 den Nobelpreis bekamen. Auf dieser Basis entwickelte sich vorerst in Chicago der Derivathandel, eine Nullsummenspekulation mit künftigen Werten: Beide Seiten erwarten, dass sich an einem bestimmten Stichtag der Wert des Handelsobjekts verändert hat. Was dabei der Eine verliert, gewinnt der Andere. Der Marktwert des Spekulationsobjekts wird dabei nicht verändert. Heute werden in diesem Segment der Finanzmärkte täglich mehrere tausend Milliarden Euro umgesetzt. Die Freiheit des Kapitaltransfers ermöglicht es heute dem Futureshändler, Kursdifferenzen eines Wertpapiers auf verschiedenen Märkten innerhalb von Sekunden auszunützen. Die so genannten Hedge-Fonds verfeinerten und perfektionierten den Derivatenhandel.

Die Möglichkeiten, die er ihnen bietet, haben aber längst auch die professionellen Geldwäscher begriffen. Zwar versuchten einige europäische Regierungen, wenn auch zaghaft, das neue Problem in den Griff zu bekommen. Doch angesichts der Haltung der USA konnten isolierte Maßnahmen an der globalen Situation nichts ändern. Hafner zeigt anhand konkreter Beispiele, wie solche Transaktionen ablaufen. Wenn riesige Beträge binnen Minuten über zehn und mehr Länder transferiert werden, haben die handwerklich arbeitenden zuständigen Behörden kaum eine Chance, die Vorgänge nachzuvollziehen. Dafür haben nicht wenige Staaten bereits die Vorteile entdeckt, die sich dabei für sie ergeben. Werden gewaschene Gelder bei ihnen investiert, will man von der Herkunft nichts mehr wissen. Besonders die USA mit ihrem unersättlichen Kapitalbedarf scheinen davon zu profitieren. Bilanzfälscher waren die Nächsten, welche die Brauchbarkeit des Derivathandels erkannten. Der Autor führt Firmen wie Ambros, Capcom, BCCI und schließlich Enron als Beispiele an. Die Methoden der Geldwäscher eignen sich demnach auch hervorragend dazu, kleine und mittlere Anleger sowie ganze Staaten und internationale Institutionen zu schädigen.

Nachdem der Weltwährungsfonds (IWF) 17,1 Milliarden Dollar für Russland freigegeben hatte, verständigte die Republic Bank of New York den IWF von großen Geldtransfers zwischen russischen Gesellschaften und der Bank of New York. Daraufhin stellte sich heraus, dass mindestens 4,2 Milliarden Dollar IWF-Gelder auf Konten der russischen Firma Benex bei der Bank of New York überwiesen worden waren. Die Bank erstattete Selbstanzeige und gestand ein, fahrlässig gehandelt zu haben. Sie opferte Lucy Edwards, ein Mitglied ihrer obersten Führungsriege und nebenbei Ehefrau des Benex-Chefs. Sie gestand, aus Profitgier gehandelt zu haben. Damit war der Fall vorerst erledigt. Man erfuhr zwar vom Skandal, aber nicht, ob das Geld beschlagnahmt werden konnte. Weitere Nachforschungen, so Hafner, wären nur mit Hilfe der russischen Behörden möglich gewesen wären, die dazu aber nicht bereit waren.

Geldwäscher und Akteure anderer betrügerischer Transaktionen gehen allerdings große Risiken ein. Das Risiko, in die Fänge der Justiz zu geraten, ist dabei nicht unbedingt das größte. Stets droht auch die Gefahr, "dass ein Stärkerer kommt und sich das Gewünschte aneignet".

Ein Teilhaber der Bank of New York zum Beispiel verließ die USA, kaufte sich ein Haus in Monaco und baute es zu einem richtigen Bunker aus. Da er nicht gesund war, heuerte er einen von "Freunden" empfohlenen Krankenpfleger mit Kampfsportausbildung an. Der langweilte sich angeblich und legte ein Feuerchen, angeblich, um es zu löschen und als Held da zu stehen. Er kam aber leider zu spät zum brennenden Haus und die in der Zwischenzeit eingetroffene Feuerwehr hatte die festungsartigen Sperren nicht überwinden können. Als er endlich mit den Schlüsseln ankam, war von dem armen Milliardär nicht mehr viel übrig. Der Krankenpfleger kam mit drei Jahren Haft wegen fahrlässiger Tötung davon.

IM SCHATTEN DER DERIVATE

Das schmutzige Geschäft der Finanzelite mit der Geldwäsche

Von Wolfgang Hafner

Eichborn Verlag, Frankfurt /M. 2002 218 Seiten, geb., e 25,60

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