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Gemeinsam sind sie stark

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Im Mühlviertel verdienen die Bauern besonders wenig. Sie versuchen mit vielen bemerkenswerten Initiaven zu überleben.

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Im Mühlviertel verdienen die Bauern besonders wenig. Sie versuchen mit vielen bemerkenswerten Initiaven zu überleben.

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Hans Klaffenböck (32), Bauer in einer 1.300- Einwohnergemeinde im Mühlviertel, wäre wohl nicht so schnell zu seinem Erbe gekommen, stünde nicht der EU-Bei- tritt mit all seinen Umstellungen vor der Tür. „Der Vater hat den Hut d’raufg’haut und übergeben!“ sagt der Jungbauer mit gespielter Respektlosigkeit und einem Seitenblick auf den Altbauern. Der brummt etwas von „eh schon bereut“ und beteuert: Nicht die Angst vor der Zukunft in der EU habe ihn bewogen, den 34 Hektar großen Hof jetzt schon seinem Sohn zu überschreiben, aber doch ein gewisses Unbehagen darüber, daß ihm jetzt „von denen dort in Brüssel alles vorgeschrieben wird“. Er sei sein Lebtag lang gern Bauer gewesen, hätte es wohl noch ein paar Jahre geschafft, aber „das alles“ täte er sich mit seinen 62 Jahren nicht mehr an: „Das soll der Hans jetzt machen, ich beschäftige mich mit dem Wald.“

„Das alles“ schreckt den jungen Bauern weit weniger. Mit Hilfe eines Beraters der Bezirksbauernkammer hat er vorerst einmal alle Anträge für die EU-Förderungen aus gefüllt. Vor einem Jahr noch ist der Bauernsohn täglich als VOEST-Arbeiter nach Linz gependelt. Dann wurde er abgebaut.

Er empfindet die pessimistische Stimmung des Vaters als lähmend. Bei den notwendigen Änderungen am Hof kann er aber zum Glück auf seine Frau zählen, die ebenfalls versichert, daß sie gern Bäuerin sei: „Es gibt nichts Schöneres! Fleißig muß man sein und sich auch über Neues trauen.“ Neben ihrer Beteiligung beim regionalen Bauernmarkt, möchte die Familie eine Jausenstation einrichten.

Daß sich der Vater, angespornt durch den Schwager, der sich durch Hackschnitzelverarbeitung ein Zusatzeinkommen geschaffen hat, der Holzarbeit und Waldpflege zuwenden will, ist den Jungbauern recht. Sie wissen, der Ertrag aus der Milch und der Fleischproduktion, den traditionellen Sparten der Landwirtschaft im Mühlviertler Grünland, würde allein auch ihre Zukunft nicht sichern. Gerade im Mühlviertel gibt es deshalb eine Reihe bemerkenswerter bäuerlicher Initiativen.

Zwei Möglichkeiten sieht Johann Hahn, Sekretär der Bezirksbauernkammer Freistadt und Motor vieler Initiativen, in Zukunft für Vollerwerbsbauern in Österreich und im besonderen im Mühlviertel:

■ Ein vernünftiges inneres Wachstum der Betriebe durch kostengünstigere Produktion (Sparen beim Maschinenkauf - gemeinschaftliche Nutzung; Achten auf mehr Tiergesundheit - Sicherung der Fruchtbarkeit) und die Erzeugung von Qualitätsprodukten, für die ein guter Preis zu erzielen sein wird.

■ Die Schaffung eines innerbetrieblichen Zusatzeinkommens durch Veredelung von Produkten, um eine höhere Wertschöpfung zu erzielen (Direktvermarktung, Kleinalternati- •ven wie zum Beispiel Gänsehaltung) oder durch neue „Standbeine“, zum Beispiel im Tourismusbereich (Erlebnisurlaub am Bauernhof, Pferdehaltung, Reitbetrieb) beziehungsweise durch Rohstoffproduktion (Hackschnitzel, Bio-Energie).

Greift keine dieser Möglichkeiten,

müssen die Bauern ein Nebeneinkommen außerhalb der Landwirtschaft suchen. 64 Prozent der rund 17.000 Mühlviertler Betriebe werden schon jetzt im Nebenerwerb geführt. Wichtig sei, betonte der Kammervertreter, daß auch diese Nebenerwerbsbauern trotz der Doppelbelastung Bauern blieben. „Wir müssen ihnen bei der Umstellung aüf eine arbeitsextensive Betriebs- führung helfen. Wir brauchen diese Betriebe ganz notwendig zur Erhaltung der Kulturlandschaft.“

ENORME BELASTUNG

Die Flächenförderung in der EU, die gleichermaßen für Voll- und Nebenerwerbsbauern gilt, bringt da Vorteile. Profitieren könnte das Mühlviertel auch durch die EU-Regionalför- derung. Es wurde als „Zielgebiet 5b“ vorgeschlagen. Entsprechende „Operationelle Programme“ zur Regionalentwicklung werden derzeit ausgearbeitet.

Deshalb setzt Hahn bei den alternativen Zusatzeinkommen bewußt an erster Stelle auf einen qualität- vollen Tourismus. Eine Ferienwohnung auszubauen erfordere nicht mehr Investitionskapital als drei Kuhstandplätze, mache nicht mehr Arbeit und bringe bei der derzeiti gen durchschnittlichen Auslastung gleich viel an Einkommen: „Urlaub am Bauernhof ist aber mehr als nur Zimmervermietung. Kinder müssen die Tiere wirklich ,erleben1 können, Erwachsene in die Gemeinschaft eingebunden, Kultur- und Freizeiteinrichtungen vernetzt und gemeinsam beworben werden. Außerdem könnte man ein flächendeckendes Reitwegenetz, ähnlich dem Radwegenetz schaffen, auf dem der Gast, ohne mit den Grundbesitzern in Konflikt zu kommen, über Land reiten könnte … “

Immer mehr Bauern im Mühlviertel erkennen, daß sie zum Nutzen aller Zusammenarbeiten müssen. Das funktioniert schon ganz gut bei den Bauernmärkten, in der „Erzeugergemeinschaft Mühlviertler Weidegans“, bei der Hackschnitzelbörse, bei der Rundholzverarbeitung oder in der „Textilwerkstatt Weitersfel- den“, in der Schafwolle zu kompletten Bettausstattungen für (in der an- geschlossenen Tischlerei gefertigte) Kastanienholz-Betten verarbeitet wird. Regionale Zusammenschlüsse ermöglichen eine schlagkräftige Werbung, nicht nur im Tourismusbereich. Aber auch Soloinitiativen sind nach wie vor gefragt.

Die Autorin ist Journalistin.

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