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Gemma Firmen Shopping in Österreich?

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Schade um Traditionsunternehmen, wenn sie eingehen, nicht ganz so schade, wenn sie verkauft werden, am meisten ist es schade um verlorene Arbeitsplätze.

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Schade um Traditionsunternehmen, wenn sie eingehen, nicht ganz so schade, wenn sie verkauft werden, am meisten ist es schade um verlorene Arbeitsplätze.

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Billa nach Deutschland verkauft. Thonet nach Deutschland verkauft. Zuletzt Ankerbrot nach Deutschland verkauft. Viele erinnern sich noch an das Plakat: „Worauf freut sich der Wiener, wenn er vom Urlaub kommt? Auf Hochquellwasser und Ankerbrot!”. Muß es jetzt heißen: Worauf freut sich der Deutsche, wenn er nach Osterreich kommt? Auf Ankerbrot, Thonet und Billa?

Und jetzt wird auch noch die Schratt-Villa weiterverkauft. Nach Deutschland verkauft

wurde sie ja schon in der NS-Zeit. Vielleicht werden sich demnächst Amerikaner oder gar Japaner dort einnisten, wo einst der Kaiser täglich seinen Gugelhupf verspeiste.

Für die einen: Ein nationales Unglück nach dem anderen. Für die anderen: Normale Vorgänge in einer Welt, in der es nur noch für Menschen Grenzen gibt, aber keine mehr für das Geld und fast keine für die Waren. Außerdem blieben Billa, Thonet und Ankerbrot in der Familie. Nämlich in EU-Hand. Wir sind wegen des freien Warenverkehrs in die EU gegangen. Auch ein Unternehmen ist letzten Endes Ware. Wer den Verkauf österreichischer Produkte in aller Welt will, muß auch den Verkauf österreichischer Firmen akzeptieren. Anderenfalls hätten wir nicht der EU beitreten dürfen. Möglicherweise nicht einmal der Welthandelsorganisation GATT.

Firmenverkäufe spielen sich auf keiner Einbahn ab. Es kann sich jeder österreichische Investor einkaufen, wo er will. Sage keiner, wir hätten nicht das nötige Geld. Wenn ein Österreicher ein Unternehmen verkauft, kann er mit dem, was er dafür bekommt, ein gleichwertiges Unternehmen erwerben. Tut er es nicht, oder nicht in Deutschland, oder nicht in der EU, hat er vielleicht gute Gründe dafür.

Tatsächlich wird allenthalben auch österreichisches Geld investiert. Zum Beispiel in Ländern, wo die Löhne niedrig und eventuell auch Vergünstigungen zu holen sind. Oder vor Ort, wo die Märkte sind. Österreichische Unternehmen kaufen oder gründen Firmen in Ungarn, wo Meinl eine alte Tradition und nun wieder ein starkes Standbein hat. Oder in den neuen deutschen Bundesländern, wo den Bauunternehmer Maculan leider die Banken hängenließen. Oder in China, wo man aber leicht über den Tisch gezogen werden kann, weshalb sich Zumtobel wieder zurückzog. Oder in Südostasien, wo Veitscher Magnesit gute Verkaufserfolge erzielt. Oder in den USA, wo ein Swa-rovsky-Unternehmen die Au-tobahnpickerln erzeugt, gegen die manche österreichische Windschutzscheibe eine patriotische Abstoßungsreaktion an den Tag legt.

Österreich, der Vielvölkerstaat, hat seinen Blick zu lange nach innen gerichtet. Einen Weltkonzern wie Nestle in der Schweiz oder Unilever in Holland werden Österreicher kaum mehr aufbauen. Doch Österreichs Unternehmer haben im Fach Weltweites Denken, in dem sie seit 15 oder 20 Jahren nachsitzen, bedeutende Fortschritte gemacht. Österreichs Stärke sind viele rührige kleinere und mittlere Unternehmen, die gelernt haben, nicht auf Chancen zu warten, sondern sie in aller Welt zu suchen.

Keine Einbahnstraßen also. 1 )afür viel Hin und Her zu den richtigen Standorten. Und ein Zug von den Ländern mit höheren zu denen mit niedrigeren Arbeitskosten. Auch da sind österreichische Unternehmen wacker beteiligt. Wenn

Traditionsfirmen verkauft werden, gibt es übrigens nicht nur in Österreich Betroffenheit. Es gab sie auch in England, als BMW die Traditionsmarke Bover kaufte. Und einst in Deutschland, als sich. die Saudis bei Mercedes einkauften. Und die fast schon fertig ausverhandelte Fusion von Benault und Volvo scheiterte, weil die Franzosen zwar bei Volvo mitreden, aber Volvo nicht mitreden lassen wollten.

Es gibt viele gute Gründe, Unternehmen zu verkaufen. Zum Beispiel, wenn kein Erbe da ist. Oder wenn die potenti-

ellen Nachfolger streiten. Verkauf ist oft besser als Erbschaftsstreit. Der Kekserzeuger Bahlsen hat seine Familienkonflikte bewältigt, beim Flugzeugbauer Dornier ging es nicht so gut aus. Oder man kann sich ausrechnen, wann ein kerngesundes Unternehmen aufhören wird, kerngesund zu sein. Etwa, weil es in einer Branche produziert, in welcher der Druck der unbarmherzig ihre Macht ausspielenden Einzelhandelsketten auf die Erzeuger steigt. Dann bleibt oft nur noch die

Frage: Schlucke ich dich, damit ich stärker werde - oder lasse ich mich von dir schlucken, damit du stärker wirst?

Schade um Ankerbrot und Thonet und auch Billa. Vielleicht bleiben Österreich dank Hannes Androsch wenigstens die Salinen. Doch wichtiger als die Frage, wem ein Traditionsunternehmen gehört, ist die, ob die Mitarbeiter ihre Arbeitsplätze behalten.

Doch vergessen wir dabei die Versprechungen von Politikern, ein Semperit-Fall werde sich nicht wiederholen und sie würden in Zukunft ausländischen Investoren besser auf die Finger schauen. Diesen Zug haben sie abfahren lassen. Schließlich hat an allen internationalen Verhandlungen, in denen die Weichen zur Globalisierung gestellt wurden, auch Österreich teilgenommen.

Die neue Regel heißt: Es kann den Unternehmen eines Landes noch so gut gehen -dem Arbeitsmarkt kann es trotzdem dreckig und immer dreckiger gehen. Globalisie rung und Bationalisierung graben uns um die Wette Arbeit ab. Abwandernde Arbeitsplätze wandern aber wenigstens in Länder, die auch Arbeitsplätze brauchen. Wegrationalisierte Arbeitsplätze gehen hingegen der ganzen Welt verloren.

Vergangenen , Samstag konnte man im Mittagsjournal hören, wie groß die Batlosig-keit bereits ist. Stephan Schulmeister vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung warnte, selbst eine Ver-billigung der Arbeit um 20 Prozent werde nicht bewirken, daß

die Schweißroboter wieder durch Arbeiter ersetzt werden. Unmittelbar darauf riet uns der deutsche Experte Scharpf im Gespräch mit Paul Schulmeister, in die USA zu schauen: Die Arbeit müsse nur billiger werden, dann werde die Arbeitslosigkeit dahinschwinden.

Also die Arbeit verbilligen, damit mehr davon nachgefragt wird? - Oder sie nicht verbilligen, damit die Leute die Produkte kaufen können?

Fast genau dieselbe Diskussion lief während der Weltwirtschaftskrise der zwanziger und frühen dreißiger Jahre in England.

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