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Gesetz gegen das „Stottern“

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Bereits in der Budgetdebatte am

9. Dezember 1959 habe ich darauf hingewiesen, daß es hoch an der Zeit ist, unser bestehendes Ratengesetz zu novellieren. Ich habe bereits damals meiner Sorge Ausdruck gegeben, daß die Verschuldung unserer Bevölkerung ständig zunimmt. Ich habe besonders die soziale Seite dieses Problems hervorgehoben und erklärte damals: „Das Ratengeschäft mit seinen verlockenden Anschaffungsmöglichkeiten bietet gerade für den willensschwachen Menschen den Anreiz zu wirtschaftlich nicht vertretbaren Käufen." Ich habe zur Überlegung gestellt, in das Gesetz eine Bestimmung aufzunehmen, die dem Käufer noch eine Überlegungsfrist einräumt, und habe mich damit der Forderung des Österreichischen Arbeiterkammertages angeschlossen.

Schatz für den Käufer

Es ist erfreulich, daß nunmehr ein neues Ratengesetz beschlossen wurde. Es ist ein Schutzgesetz für den Käufer, der ein Abzahlungsgeschäft tätigt, also den Kaufpreis in Teilzahlungen abstattet. Ursprünglich war vorgesehen, .die Anschaffung von Anlagegütern durch selbständig Erwerbstätige vom Rateneesetz auszunehmen, doch haben die Überlegungen im Ausschuß dazu geführt, daß nunmehr alle Käufer, die ein Ratengeschäft eingeben, ob Selbständige oder Unselbständige, geschützt sein sollen, da sie in gleicher Weise schutzbedürftig sind; denn das Ratengesetz soll ein Schutz für den Ratenkäufer vor Übervorteilung sein, ganz gleichgültig, in welcher gesellschaftlichen Position sich dieser befindet. Das derzeitige Gesetz stammt bereits aus dem Jahre 1896 und wurde damals nicht von den Konsumenten, sondern von den Handelskammern gefordert, weil sich dadurch der seriöse Kaufmann gegen den unseriösen schützen wollte. Heute stehen der Schutz des Konsumenten sowie die Überschuldung eines großen Teiles unserer Bevölkerung im Vordergrund. Aus den Mitteilungen des Direktoriums der Österreichischen Nationalbank vom September dieses Jahres geht das ständige Wachstum der Teilzahlungsgeschäfte hervor. Nach dieser Statistik hat ihr Volumen bei einer anhaltenden Steigerung bis August 1961 die Höhe von 2.529,000.000 S erreicht. Dies ergibt eine Zunahme in einem Jahr um rund 320 Millionen Schilling. Die zitierten Mitteilungen enthalten aber lediglich jene Kreditgeschäfte, die über Teilzahlungsinstitute laufen; die direkt vom Kaufmann mittels eigener Kredite abgewickelt werden, sind in diesen Zahlen gar nicht enthalten. Insgesamt werden die aushaftenden Konsumkredite auf fünf bis sechs Milliarden Schilling geschätzt. Es kann sich dabei nur um Schätzungen handeln, weil eine genaue Angabe mangels Unterlagen gar nicht möglich ist; weil die Ratenkäufe in ihrer Gesamtheit nicht erfaßt werden können. Nach einer weiteren Schätzung soll sich das Teilzahlungsvolumen im Jahre 1960 um etwa eine Milliarde erhöht haben, von der nur 300 bis 400 Millionen Schilling über Teilzahlungsinstifte vergeben wurden. Wenn auch demgegenüber im gleichen Zeitraum die Spar einlagen um rund vier Milliarden Schilling zugenommen haben, soll diese Ausweitung des Ratengeschäftes nicht bagatellisiert werden. Es handelt sich um ein sehr ernstes Problem, das nunmehr durch das vorliegende Gesetz einer Lösung zugeführt werden soll. Für diesen Trend zum Ratengeschäft sind aber nicht nur die ständigen Neuerungen auf dem Gebiet der Technik die Ursache, hierzu kommen als entscheidender Faktor die ständige psychische Beeinflussung des Käufers durch die Reklame und — ich spreche es offen aus — das Vertreterunwesen. Wir müssen wohl stTeng unterscheiden zwischen dem seriösen Vermittler von Geschäften, sei es nun der selbständige Handelsagent oder der Angestellte, und jener Gruppe, die sich oft sehr unseriöser Praktiken bedient. Daß für die Vorgangsweise der zweiten Gruppe oft auch ihre Auftraggeber schuldtragend sind, kann unter Beweis gestellt werden. Wenn es zum Beispiel in einem Provisionsvertrag, der ausdrücklich ein Angestelltenverhältnis ausschließt, wörtlich heißt; „Als Berechnungsgrundlage für die Provisionen gilt der am Auftrag festgehaltene Nettoberechnungsbetrag. Für Aufoder Überpreise werden Ihnen 70 (siebzig) Prozent des tatsächlichen Überpreises als Provision gut-

geschrieben", so muß in einer solchen Vereinbarung geradezu ein Anreiz zur Übervorteilung des Käufers erblickt werden; oder wenn auf einem Vertrag die Zinsen zwar nur mit ein Prozent, aber mit der Anmerkung p. M., das heißt pro Monat, angegeben werden, so kommt dies einer beabsichtigten Täuschung des Käufers gleich.

Der zur Beratung des Ratengesetzes eingesetzte Unterausschuß des Sozial ausschusses des Parlaments hat sich eingehendst mit der Regierungsvorlage beschäftigt und ist zu der einhelligen Auffassung gelangt, daß in diesem Gesetz alle Vorkehrungen getroffen wurden, die ungesunde Ratengeschäfte ausschließen. Vor allem ist es die Begrenzung des Kaufpreises mit 50.000 S und eine Anzahlungspflicht, die dazu dienen soll, daß sich der Käufer nur dann in ein Ratengeschäft einlassen darf, wenn er eine bestimmte Anzahlung leistet. Um Härten zu vermeiden, wurde die in der Regierungsvorlage vorgesehene allgemeine Anzahlungspflicht von 20 Prozent für Ratenkäufe bis zu 3000 S auf 10 Prozent herabgesetzt. Von besonderer Bedeutung ist das Rücktrittsrecht des Käufers dann, wenn er außerhalb des Geschäftes eines Kaufmannes einen Kaufantrag mündlich oder schriftlich abschließt. Er kann in einem solchen Fall binnen fünf Tagen vom Vertrag zurücktreten, außerdem muß dieser Rücktritt schriftlich erfolgen, damit der Käufer nicht nachträglich in Beweisschwierigkeiten kommt, wenn der Verkäufer den Rücktritt bestreitet.

Eine wichtige Bestimmung enthält auch der § 10 des Gesetzes, der den Ratenbrief zwingend vorschreibt. Dieser muß alles aufzählen, was für den Käufer zu wissen bedeutsam ist. Dazu gehört besonders die Verzinsung des indirekten Kredites, der dem Käufer eingeräumt wird. Auf diese Weise können Täuschungen unterbunden werden. Schließlich stehen Übertretungen besonders bei Nichteinhaltung der Bestimmungen über den Ratenbrief unter Strafsanktion. Der Ausschuß hat die Geldstrafe gegenüber der Regierungsvorlage wesentlich, von 3000 auf

10.000 S, erhöht.

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