Gesprengte Arbeitsketten

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Arbeiten um der Produktion willen - das wirkliche Leben beginnt hinterher. Mit einem Arbeitsmodell für die Zukunft will der Ethiker Leopold Neuhold dieser gesellschaftlichen Entwicklung entgegensteuern.

Die Szene existiert hunderttausendfach: Egal, ob in einer Fabrik am Fließband, einem Büro vor dem Computerbildschirm oder an einem beliebigen anderen Arbeitsplatz - unzufriedene Mitarbeiter arbeiten unmotiviert und nur des Geldes wegen. Das eigentliche Leben findet nach Feierabend, an Wochenenden und im Urlaub statt. Der Sinn des Lebens und der Sinn des Arbeitens sind konträre Bereiche, der eine liegt in der Selbstverwirklichung, der andere in der Produktion um des monetären Lohnes willen.

Die Zergliederung der Arbeit in kleinste Schritte habe im industriellen System zu einer enormen Produktivitätssteigerung geführt, aber der Sinn der Arbeit als Ganzes sei dadurch verloren, konstatiert Leopold Neuhold, Professor am Institut für Ethik und Gesellschaftslehre an der Karl-Franzens-Universität Graz, in dem Buch "Herkunft und Zukunft", das jenen Fragen Raum geben will, die Österreich in Zukunft beschäftigen werden.

Der katholische Theologe Neuhold gesteht der Arbeit auch in der christlichen Gesellschaftslehre die Bedeutung als Produktionsfaktor, als Mittel zur Schaffung und Sicherung der physischen Existenz zu. Aber Arbeit sei eben noch viel mehr. "So gilt es, in einer umfassenden Betrachtung auf dem Hintergrund einer ganzheitlichen Sinngebung von Arbeit einen verengten Arbeitsbegriff aufzusprengen, um in dieser vieldimensionalen Betrachtung Arbeit auf das Ganze eines geglückten Lebens hin zu öffnen." Zwar sei der Mensch vor jeder Arbeit Mensch: Seine Existenz sei geschenkhafte Existenz. Die Leistung sei aber Mittel zur Entfaltung des Lebens. Eine "Abrüstung" der Arbeit sei nötig, "um sie einer Öffnung auf den weiteren Bereich der Tätigkeit hinzuzuführen". Zusätzlich müsse dafür gesorgt werden, dass möglichst alle einer Arbeit nachgehen können. Mit dem Entwurf eines Drei-Schichten-Modells von Arbeit hält Neuhold sein Ideal der Selbstverwirklichung durch Arbeit für realisierbar. Bedingung dafür sei jedoch, dass nicht nur auf bezahlte Arbeit abgestellt, sondern auch soziale Arbeit wie Kinderbetreuung oder Pflege der greisen Eltern als Arbeit anerkannt und über die Geschlechter hinweg partnerschaftlich aufgeteilt werde.

Das neuholdsche Modell: Die erste Schicht der in einem umfassenden Sinn produktiven Arbeit wird vom Staat garantiert. Rund zwanzig Wochenstunden sollen in für die Gesellschaft auf verschiedenen Ebenen wichtigen Feldern wie Umwelt und Soziales geleistet und mit einem Mindestgehalt entlohnt werden. Die Sinnhaftigkeit der ersten Schicht liegt vor allem im Schaffen von sozialem Kapital für die Allgemeinheit. Die Garantie dieser Grundbeschäftigung entlastet den freien Arbeitsmarkt, der die zweite Schicht bildet: Die freie Wirtschaft ergänzt den staatlichen Arbeitsmarkt, zumindest Teilzeitbeschäftigungen sind so leichter zu finden. Die dritte Schicht bilden die nicht bezahlten freiwilligen Tätigkeiten, die in anderer als monetärer Form von der Öffentlichkeit anerkannt werden soll.

Mit diesem Modell diene Arbeit nicht mehr allein der Sicherung des Lebensunterhaltes, sondern ermögliche zudem die Selbstentfaltung, solange dem Indidviduum die Kombination der einzelnen Bereiche überlassen bleibe, hofft Leopold Neuhold.

Das Buch "Herkunft und Zukunft" eröffnet als Band I die Schriftenreihe des Dr.-Karl-Kummer-Institutes für Sozialpolitik und Sozialreform in der Steiermark, die in loser Folge fortgesetzt werden soll. Das Buch kann beim Dr.-KarlKummer-Institut, Keplerstraße 92, 8020 Graz oder im Internet unter www.oeaab.or.at/kummerinstitut bestellt werden.

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