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Gesundheitsökonom Klaus Prettner: „Covid hat gezeigt, was möglich ist“

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Es wird zu wenig in Forschung und Entwicklung investiert, dafür aber zu viel Antibiotikum verschrieben, sagt Gesundheitsökonom Klaus Prettner. Ein Interview über gesellschaftliches Unwissen, politischen Unwillen sowie Uneinigkeiten zwischen Medizin und Wirtschaft.

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Es wird zu wenig in Forschung und Entwicklung investiert, dafür aber zu viel Antibiotikum verschrieben, sagt Gesundheitsökonom Klaus Prettner. Ein Interview über gesellschaftliches Unwissen, politischen Unwillen sowie Uneinigkeiten zwischen Medizin und Wirtschaft.

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Die Volksgesundheit ist ein bedeutender Posten der Volkswirtschaft – sowohl auf der Haben-, als auch auf der Sollseite. Und das nicht erst seit Corona. Die FURCHE spracht mit Klaus Prettner, Gesundheitsökonom am Institut für Makroökonomie der WU Wien, über Krankheit als Kostenfalle, Scheuklappendenken in puncto Prävention – und warum die Bildung der Bevölkerung in einer Pandemie entscheidend sein kann.

DIE FURCHE: Wieviel Geld gibt man in Österreich eigentlich für den Bereich Gesundheit aus?
Klaus Prettner:
Laut Statistik Austria werden in Österreich von staatlicher und von privater Seite pro Jahr etwas mehr als 43 Milliarden Euro für Gesundheit ausgegeben. Dies entspricht 11,4 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Leistung, also des Bruttoinlandsproduktes.

DIE FURCHE: Was genau ist in diesen Ausgaben subsumiert?
Prettner:
Diese Summe umfasst alle laufenden Gesundheitsausgaben, wie beispielsweise die Gehälter des Personals und Ausgaben für Medikamente. Sie inkludiert aber auch die Investitionen, beispielsweise den Kauf neuer Röntgengeräte oder den Bau von Krankenhäusern. Die Investitionen stellen aber mit knapp 2,8 Milliarden Euro nur einen kleinen Teil der Gesamtausgaben dar.

DIE FURCHE: Neben den Ausgaben für die Gesundheit eines Gemeinwesens fallen auch die Einnahmen durch Krankheit ins Gewicht. Stichwort Gesundheitsökonomie. Wie sieht es hier aus?
Prettner:
Dies ist aus volkswirtschaftlicher Sicht ein sehr wichtiger Punkt. Wenn Gelder für die Heilung eines Kranken ausgegeben werden, dann werden damit wieder Gehälter von Ärztinnen und Ärzten, dem Krankenpflegepersonal etc. bezahlt. Diese wiederum fließen in das Wirtschaftsgeschehen zurück und sind damit gesamtwirtschaftlich gesehen kein Verlust, sondern eine strukturelle Ausgabenumschichtung – weg von anderen Konsumausgaben hin zur Gesundheit. Aus volkswirtschaftlicher Perspektive entstehen Kosten vor allem dann, wenn ein Mensch krankheitsbedingt nicht mehr arbeiten kann bzw. stirbt.

DIE FURCHE: Inwiefern ist ein Mensch, der an einer Krankheit stirbt, ein volkswirtschaftlicher Kostenfaktor?
Prettner:
Insofern, als man davon ausgeht, dass der Mensch in der Zeit, die er ohne die Krankheit noch gelebt hätte, entweder direkt einer Arbeit nachgegangen wäre oder – beispielsweise im Falle von älteren, pensionierten Personen– informell Tätigkeiten wie Kinderbetreuung übernommen hätte.

DIE FURCHE: In einer Ihrer wissenschaftlichen Untersuchungen haben Sie den Versuch unternommen, eine alternative gesundheitsökonomische Kostenrechnung aufzustellen. Was war Ihr entscheidender Erkenntnisgewinn?
Prettner:
Unser internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Harvard University, der Universität Heidelberg und der IIASA in Laxenburg hat sich die Kosten für alle nicht ansteckenden Krankheiten – die großen Posten sind dabei Tumor-, Herz-Kreislauferkrankungen – in China, Japan, Südkorea und den USA angesehen. Gerade für diese Krankheiten sind die volkswirtschaftlichen Kosten enorm hoch, weil sie in reicheren Ländern die Haupttodesursache darstellen und nach wie vor viele Menschen betreffen, die noch aktiv im Berufsleben stehen. Hier gäbe es einige Politikmaßnahmen, die relativ wenig kosten und die negativen wirtschaftlichen Effekte in Summe stark reduzieren könnten.

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