Gewinn ohne Gewinnorientierung

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Im Projekt "Vernetzte Welten" stellen Wirtschaftsunternehmen für bis zu sechs Monate Mitarbeiter frei, damit diese für Non-Profit-Organisationen arbeiten.

Karin Zeiler hat ihren Beruf an den Nagel gehängt. Jedenfalls für fünf Monate. Denn während sie normalerweise für Firmen wie Manpower Öffentlichkeitsarbeit macht, Texte verfasst und Konzepte erstellt, engagiert sie sich derzeit ausschließlich für die Wiener Caritas und deren Planung für den Weltflüchtlingstag am 20. Juni.

Die Niederösterreicherin ist eine der Teilnehmerinnen an dem Projekt "Vernetzte Welten", bei dem seit Anfang dieses Jahres Mitarbeiter aus gewinnorientierten Unternehmen für drei bis sechs Monate von ihrer Firma bei vollem Gehalt freigestellt werden und ein Projekt in einer Non-Profit-Organisation (NPO) durchführen. Am Beginn von Zeilers Projekt-Tätigkeit stand nur fest, dass am Weltflüchtlingstag in Wien der Öffentlichkeit gezeigt werden soll, dass Flüchtlinge "nicht nur ein Flüchtlingsschicksal, sondern auch Fähigkeiten haben. Manche machen Musik, andere malen", erklärt Zeiler, die dabei ist, eine "Flüchtlingsmeile" in einigen Wiener Lokalen zu organisieren. Der Unterschied zu ihrem gewohnten Arbeitsalltag? "Normalerweise habe ich von Anfang an ein Budget, mit dem ich dann arbeite. Jetzt ist es umgekehrt: Bei jeder Idee muss ich mir überlegen, woher ich das Geld dafür bekomme." Auch an ein anderes Arbeitstempo musste sie sich gewöhnen: "In den Flüchtlingseinrichtungen, mit denen ich zusammenarbeite, gibt es wichtigere Probleme als mir zu sagen, wie viele Leute in der Reggae-Band spielen werden, die ich eingeplant habe." Solche Informationen zu bekommen, könne mitunter ein paar Tage dauern. "Die Prioritäten der Leute sind andere - bei manchen geht es schlicht und einfach ums Überleben."

Und schließlich sei es auch reichlich ungewohnt, des Nächtens berufliche Kontakte zu knüpfen. "Aber wir brauchen ja die Lokale als Veranstaltungsorte, und die Wirte arbeiten eben hauptsächlich nachts und sind tagsüber oft gar nicht erreichbar." Bereut hat sie den vorübergehenden Wechsel der Berufswelten aber nicht. "Ich habe das Gefühl, etwas wirklich Sinnvolles zu tun", erzählt sie. Und das Wissen, dass auch mit wenig Geld viel machbar ist.

Das Gefühl, Gutes zu tun

Die Idee, unterschiedliche Arbeitswelten zu vernetzen, hatte der Initiator, Leon Lenhart, schon vor längerer Zeit, als der Betriebswirt im Rahmen eines Führungskräftelehrganges Projekte aus unterschiedlichen Bereichen durchführte. "Ich habe das als sehr wertvolle Erfahrung erlebt und mir gedacht, dass man das auch außerhalb solcher Trainee-Programme machen sollte." Danach fehlte ihm die Zeit, sich weiter um seine Idee zu kümmern. Als er sich Anfang 2005 selbstständig machte, kam er wieder auf seine Idee zurück. "Natürlich kann man nicht Mitarbeiter aus einem Wirtschaftsbetrieb in ein Konkurrenzunternehmen schicken. Aber durch die Vernetzung von Wirtschaft und Non-Profit-Bereich können beide Seiten und der beteiligte Mitarbeiter wertvolle Erfahrungen schöpfen." Die NPOs bekämen einen Mitarbeiter mit einer Außensicht auf ihre Tätigkeit, und lernten eine andere Art kennen, Dinge anzugehen, erklärt Lenhart. Die Unternehmen würden etwas für die Mitarbeitermotivation tun, und die Mitarbeiter könnten bei voller Gehalts-und Arbeitsplatzsicherheit aus ihrem gewohnten Bereich aussteigen und neue Erfahrungen sammeln. Also eine win-win-win-Situation.

Und so machte er sich auf die Suche nach Partnern mit konkreten Projekten. Caritas, Dreikönigsaktion, das Österreichische Rote Kreuz, Licht für die Welt, SOS Kinderdorf und Vier Pfoten hatten Projekte in Planung, die geeignet waren. Auch die Wirtschaft war schnell zu überzeugen. "Die Begeisterung bei den angesprochenen Managern war groß", erzählt Lenhart. "Aber nicht allen erschien es machbar, einen Mitarbeiter so lange freizustellen." Schließlich fanden sich Erste Bank und Manpower, kürzlich ist auch Generali dazugestoßen. Sie stellen einen oder mehrere Mitarbeiter für den Projektzeitraum bei vollem Gehalt frei.

Verantwortung leben

Rupert Dollinger, Personalchef der Erste Bank, erklärt die Motivation: "Wir wollen die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen nicht nur im Geschäftsbericht darstellen, sondern auch leben." Das Projekt "Vernetzte Welten" sei ein Teil davon. "Unsere Mitarbeiter können wertvolle Erfahrungen, die sie bei uns gemacht haben, bei den NPOs einbringen", ist er überzeugt. "Gleichzeitig bekommen sie einen Einblick in eine für sie meistens völlig fremde Welt."

Das Interesse der Mitarbeiter sei groß gewesen, erzählt Dollinger. "Es hätten sich viel mehr Leute gemeldet, aber das musste natürlich mit den direkten Vorgesetzten abgesprochen werden." Und die hätten sich eben nicht alle begeistert gezeigt. Vier Mitarbeiter versehen derzeit ihren Dienst bei NPOs. Einer davon ist beispielsweise abgestellt, um sich um die Personalentwicklung bei SOS-Kinderdorf Österreich zu kümmern. Der zuständige Projektleiter dort, Christian Posch, ist froh über die Unterstützung. In den vergangenen zehn Jahren habe sich sowohl die Zahl der Mitarbeiter als auch der Einrichtungen verdoppelt. Zusätzlich seien völlig neue Bereiche wie Krisenintervention, Familienarbeit und Jugendwohngemeinschaften entstanden. Die Herausforderungen an das Personalmanagement sind mitgewachsen. Und so sucht derzeit ein Mitarbeiter der Erste Bank zum Beispiel eine Lösung, wie man für Kinderdorfmütter und-väter den Übergang in die Pension gestaltet, etwa wenn wenige Jahre vor der Pensionierung die Kinder ihrer Kinderdorffamilie entwachsen und aus dem Kinderdorf ausgezogen sind. "Wir profitieren von den Erfahrungen des neuen Mitarbeiters, er von der Horizonterweiterung", ist Posch überzeugt.

Derzeit laufen im Rahmen der "Vernetzten Welten" sieben Projekte, 13 weitere sind ausgeschrieben. Ende 2006 werde evaluiert. Lenhart: "Dann geht es entweder so weiter, oder wir machen das Projekt auch in die andere Richtung. Dann könnten auch NPO-Mitarbeiter in die Wirtschaft wechseln."

weitere Informationen:

www.vernetzte-welten.at

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