"Glaubwürdigkeit leidet“

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Als Lehrlingsbeauftragter führte Egon Blum Bonuszahlungen für Ausbildungsbetriebe ein. Dass die von der Regierung wieder abgeschafft wurden, ärgert den "Lehrlingspapst“ im Ruhestand. Das Gespräch führte Veronika Dolna

Dass eine Förderung nach einem benannt ist, können in Österreich nicht viele von sich behaupten. Egon Blum schon. Der Vorarlberger Unternehmer war von 2003 bis 2008 überparteilicher Lehrlingsbeauftrager der Regierungen. Er entwickelte ein Anreizmodell für Betriebe, die Lehrlinge ausbilden - den "Blum-Bonus“. Nach dem Regierungswechsel 2008 wurden Blum und seine Förderung abgeschafft. Welche Konsequenzen das hat, analysiert er im Gespräch mit der FURCHE.

Die Furche: Dass Österreich im Europavergleich bei der Jugendarbeitslosigkeit sehr gut abschneidet, wird gerne auf die Lehre zurückgeführt. Wieso kritisieren Sie die Lehrlingspolitik dieser Regierung trotzdem?

Egon Blum: Das duale System ist gut, über Jahrzehnte hinweg konnten wir damit unseren Bedarf an Fachkräften abdecken. Aber wir müssen schon sehen, was sich in den letzten vier Jahren unter der Beteiligung der Regierung und der Sozialpartner auf Bundesebene geändert hat: Während der Regierungen von Schüssel und Gusenbauer haben wir in vier Jahren 12.500 zusätzliche Lehrplätze in Betrieben geschaffen. Die derzeitige Regierung hat mit ihrem Lehrlingspaket schon im ersten Jahr ein Minus von 1,6 Prozent produziert. Im Vergleich zu 2008 gibt es heuer um 5.200 oder 13 Prozent weniger Lehrlinge im ersten Jahrgang. Auf vier Jahre gerechnet ist das ein Rückgang von 20.000 betrieblich Ausgebildeten. Wenn sich der Trend fortsetzt, und ich sehe keinen Grund anzunehmen, dass es besser wird, werden wir die demografische Auswirkung in der betrieblichen Lehrlingsausbildung 2018 voll spüren.

Die Furche: Was verursacht diese "Lehrstellentalfahrt“, wie Sie es nennen?

Blum: Das liegt einerseits am Wegfallen des Blum-Bonus, andererseits an der Auflösung der Lehrstellenberater. Und daran, dass die Qualitätssicherung in der Lehre von dieser Regierung gestrichen wurde. Unter Kanzler Gusenbauer ist es gelungen, die von mir vorgeschlagene Zwischenprüfung zur Mitte der Lehrzeit einzuführen. Mit der Begründung, Kosten einsparen zu wollen, wurde dieses Projekt aber wenige Monate später gekippt. Daraus ergibt sich das Hauptproblem für die Zukunft: Die Glaubwürdigkeit der dualen Ausbildung ist stark angeschlagen.

Die Furche: Reformen, wie die Möglichkeit, neben einer Lehrausbildung die Matura zu machen, sollten die duale Ausbildung eigentlich aufwerten.

Blum: Das ist ein ambitionierter Ansatz, aber mir missfällt die Tendenz, dass nur, wer Matura oder eine Fachhochschule macht, Chancen im Berufsleben hat. Wir müssen auch jene schätzen, die Fachelite bleiben. Österreich ist ein produktionsorientiertes Land. Es nutzt nichts, wenn wir die besten Forscher und Entwickler haben, aber zu wenige, die Forschungsergebnisse in Produkte umsetzen können.

Die Furche: In Forschung und Entwicklung zu investieren kann doch nicht falsch sein.

Blum: Natürlich, aber man muss auch in die qualifizierte Facharbeiterausbildung investieren. Um Österreich als Produktions- und Dienstleistungsstandort auf internationalem Niveau zu halten, ist eine Qualifikationsinfrastruktur von "Theoretikern und Praktikern“ unumgänglich. Wir brauchen hochgradig ausgebildete Akademiker und Werkzeugmacher, Maschinenmechaniker…

Die Furche: Stichwort Qualitätssicherung: Wie erklären Sie sich den Rekord bei nicht bestandenen Lehrabschlussprüfungen?

Blum: Wenn nicht vom ersten Tag an gezielt ausgebildet wird, sondern Lehrlinge oft als billige Arbeitskraft eingesetzt werden, muss man sich nicht wundern, wenn am Ende die erforderliche Qualifikation nicht nachgewiesen werden kann. Mit einer Zwischenüberprüfung zur Hälfte der Lehrzeit könnte man dem entgegenwirken. Die duale Ausbildung ist der einzige berufsbildende Ausbildungsweg, wo es zwischen Beginn und Ende keine einzige verbindliche Fortschrittskontrolle gibt. Darunter leidet nachvollziehbar die Glaubwürdigkei: Eltern raten ihren Kindern immer mehr, lieber den Weg über eine Schule zu machen. Die leistungsstarken Jugendlichen, die die Betriebe gerne hätten, wandern nachweislich in Schulen ab. Nur die, die bisher nichts bekommen haben, sehen in der Lehre eine Chance, überhaupt etwas zu machen. Diese Entwicklung ist fatal.

Die Furche: Die Unternehmer klagen darüber, dass sie wenig geeignete Kandidaten finden. Wo müsste man ansetzen?

Blum: Es gibt rund 70.000 Jugendliche, denen es an grundlegenden Kulturtechniken fehlt. Es wäre Sache der Länder und der Bildungsministerin, dafür zu sorgen, dass es nicht so weit kommt. Neu ist die Entwicklung allerdings nicht: Auch früher gab es Lernleistungsschwache. Der Unterschied ist, dass die früher eine Chance auf Hilfsarbeiterjobs haben, die es heute nicht mehr gibt. Helfen kann ein Anreizsystem: Wenn einem Lehrling im Betrieb Grundsätzliches beigebracht werden muss, kostet das Zeit und Geld. Im Zuge des Blum-Bonus haben Betriebe einen Betreuungsbonus bekommen. So haben viele Unternehmen schwächere Lehrlinge genommen, was sie sich sonst nicht leisten hätten können.

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