Griechisches Wasser

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Der SYRIZA-Wahlsieg in Griechenland beflügelt erneut Träume von einem Kurs- oder Systemwechsel in ganz Europa. Er würde indes das Gegenteil des Erhofften bewirken.

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Der SYRIZA-Wahlsieg in Griechenland beflügelt erneut Träume von einem Kurs- oder Systemwechsel in ganz Europa. Er würde indes das Gegenteil des Erhofften bewirken.

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Die griechischen Wahlen sowie das billionenschwere EZB-Anleihenkaufprogramm haben neuerlich die Debatte über den künftigen Weg der Europäischen Union unterzündet. Nur vordergründig geht es dabei "bloß" um Geldpolitik, in Wahrheit stehen grundlegende politische Weichenstellungen an. "Harte, aber humorlose Euro-D-Mark" versus "weiche, aber gemütliche EU-Lira" - so hat es ein Presse-Kommentator jüngst auf den Punkt gebracht, und in solchen oder ähnlichen Kategorien wird auch sonst das Thema diskutiert.

Die Begriffe zeigen auch schon, weswegen der Kampf um die geistige Lufthoheit sowohl über den Stammtischen wie den Intellektuellenzirkeln kaum zu gewinnen sein dürfte: "hart" und "humorlos" macht nun einmal keinen schlanken Fuß - und in der (unter anderem) urlaubserinnerungsgestützten Selbstwahrnehmung sind wir ja alle Südländer beziehungsweise "Romanisten".

Blöd nur, dass das Leben nicht einfach aus Urlaub besteht und mehr ist als ein unbestimmtes entspanntes Lebensgefühl. Im Alltag zeigt sich dann nämlich, dass "Mutti" (wie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel von ihr weniger wohl Gesonnenen gern genannt wird) doch recht hat, auch wenn sie "hart" und "humorlos" daherkommt.

"Monströser neoliberaler Misserfolg"

So lustig, wie es klingt, ist die Sache freilich nicht. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass es dem neuen griechischen Premier Alexis Tsipras und seiner SYRIZA mit dem ernst ist, was man wohl einen Systemwechsel nennen muss. Worum es geht, wurde nicht minder deutlich in den diversen Unterstützungserklärungen und Sympathiebezeugungen seiner Anhänger in ganz Europa. Beispielsweise jener acht roten und grünen österreichischen Nationalratsabgeordneten, die im Vorfeld der Wahl per Videobotschaft für SYRIZA und einen damit verbundenen wirtschaftspolitischen Kurswechsel votierten. Oder, besonders pikant, eines der bekanntesten Wirtschaftsforscher des Landes, der (von der Mailadresse seines Instituts!) zur SYRIZA-Siegesfeier in Wien einlud, Motto: "Ja zu einem sozialen Europa, Nein zu Austeritätspolitik und Massenverarmung!" Wahr ist, dass es, wie einer der Adepten des Forschers schrieb, "nicht nur um Griechenland sondern um ganz Europa" geht. Allerdings anders, als es hier offenbar gemeint war. Denn eine Abwendung vom "monströsen Misserfolg des neoliberalen Programms"(so die Aussendung) hin zu einem EUweiten Kurswechsel à la Tsipras würde wohl langfristig das bedeuten, was er zu verhindern angeblich beabsichtigt: einen Verlust an Wohlstand und Prosperität. Griechisches Wasser statt "Griechischer Wein" für alle! Es wäre die ökonomische Selbstaufgabe Europas, welche der (schon weit fortgeschrittenen) geistig-ideellen auf dem Fuß folgte. Das europäische Gebot der Stunde wäre daher eine neue Klarheit und Ernsthaftigkeit, auch wenn das als "humorlos" gilt.

Lockerungsübungen

Das grundlegende Missverständnis besteht ja darin, für den "Humor" oder die gute Laune die Allgemeinheit (den Staat, die Politik) verantwortlich zu machen. Aber es gilt auch hier das Kraus'sche Bonmot: "Gemütlich bin ich selbst." Lockerungsübungen ("Easing") quantitativer oder qualitativer Art sind nicht Aufgabe von Politikern oder Notenbankern, dass das Leben "ein Hit" ist, kann nur im geschützten Bereich eines öffentlich-rechtlichen Unterhaltungssenders gelten. Die in diesem Slogan sich ausdrückende Mentalität ist freilich weit verbreitet.

So kann man einmal mehr nur hoffen, dass Deutschland &Co. einigermaßen Kurs halten, auch wenn sich der Gegenwind weiter verschärfen wird. Es ist wie in der Schule: den Schwachen ist nicht damit geholfen, dass die Klassenbesten nachlassen, im Gegenteil: Letztlich profitieren auch die "Schlusslichter" durch eine von Leistungs- und Anstrengungsbereitschaft erzeugte Dynamik. So viel Humorlosigkeit muss sein.

rudolf.mitloehner@furche.at

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