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Digital In Arbeit

Gute Ernte für Datensammler

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Wo gefördert wird, müssen auch viele Formulare ausgefüllt werden. Der Bauer wird künftigzum Datenschatten.

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Wo gefördert wird, müssen auch viele Formulare ausgefüllt werden. Der Bauer wird künftigzum Datenschatten.

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In den vergangenen Monaten stiefelten Österreichs Bauern mit Maßband, Meßstange und Winkelmesser über die Felder, denn als Vorbereitung für die EU mußten alle Felder neu vermessen werden. Will ein Bauer Förderungen von der EU erhalten, muß er genaue Angaben machen, was er auf welchem Feldstück anbaut.

Die Grundstückgrenzen reichen also nicht mehr, sondern es müssen die „Feldstücke”, die einen Teil eines Grundstückes belegen, aber auch über mehrere Gründstücke gehen können, neu erfaßt werden. Die Feldflächenbasiserfassung ist daher momentan die größte Österreich weite Datenerhebung.

Unter dem Kürzel INVEKOS wird das größte Datennetz Österreichs aufgebaut. Neue Förderungen bedeuten nämlich neue Formulare. Alle Daten, die für die Subventionsansuchen erhoben werden, kommen in den Computer. Erfaßt werden sie von den Bezirksbauernkammern und wandern dann zu den Landwirtschaftskammern und Landeshauptleuten, weiters zur Agrarmarkt Austria und dem Landwirtschaftsministerium aber auch zum statistischen Zentralamt und letztendlich zur Europäischen Union nach Brüssel. Damit nicht genüg, die nicht anonymisierten Daten sind nicht nur zum „Zweck der Abwicklung und Kontrolle von EU-Marktordnungsmaß-nahmen”, sondern auch für „sonstige Maßnahmen” vorgesehen.

„Alle zwei Wochen bekomme ich irgendein Formular zugeschickt”, ist Ex-Parlamentsabgeordneter und Nebenerwerbslandwirt Andreas Wabl über den Arbeitseifer der Bürokratie verärgert. Als Förderstelle ist die Agrarmarkt Austria (AMA) für die Kontrolle der Bauern zuständig. Sie muß mindestens fünf Prozent der Anträge nachkontrollieren. Dazu darf die AMA nicht nur vor Ort kontrollieren, sondern kann auch Auskünfte von „weiteren geeigneten Auskunftspersonen” einholen.

Entgegen dem Trend in der EU zu mehr Markt, soll die AMA auch noch die Produkte des Bauern bewerben und kassiert dafür noch kräftig. Andreas Wabl hält von derartiger staatlicher Planwirtschaft wenig und bezeichnet die AMA ob deren Machtfülle als „die neuen Herrscher am Land”. Die AMA sei der verlängerte Arm des Ministeriums und „sie kontrollieren alles und geben Bescheide heraus, die nicht angefochten werden können”.

Weil bei den Agrarsubventionen in der EU viele Betrügereien passiert sind und die Kontrolle der Felder vor Ort sehr viel Zeit kostet, macht die EU mit Satelliten Jagd auf Subventionssünder. Der französische Spot Satellit hat eine hohe geometrische Auflösung für die Flächenmessung und der amerikanische Land-sat-Satellit die besser spektrale Auflösung für die Erkennung der angebauten Fruchtarten. Eine Fläche, bei der man glaubt, daß für diese falsche Angaben gemacht worden sind, kann mit den von den Satelliten aufgezeichneten Daten innerhalb von 30 Sekunden überprüft werden. Die konventionelle Vermessung im Feld dauert zwei bis drei Stunden für einen Hektar. Die meisten EU-Staaten nutzen diese Gelegenheit, weil die EU die Hälfte der Uberwachungsko-sten zahlt.

Für Unmut sorgt die Vorerhebung des Direktverkaufs von Milch. Lange haben es die Regierung und die Molkereien den Bauern verwehrt, die eigene Milch frei direkt an den Konsumenten zu verkaufen. Erst 1989 wurde der Ab-Hof-Verkauf der Milch freigegeben.

In der EU holt die Bürokratie wieder den Bauern ein. Selbst für den Direktverkauf von Milch gibt es eine eigene Quote von 367.000 Tonnen. Den Molkereien bleiben 2,205.000 Tonnen Milch vorbehalten.

Wer glaubt, daß nur die verkaufte Menge anzugeben sei, der irrt. Der Bauer muß angeben, wieviel am Hof, an Wiederverkäufer (Kaufhäuser), an Urlaubsgäste verkauft wurde und wieviele Personen am Hofe leben, die die kostbare Milch verzehren. Almwirtschaften müssen auch jedes Kilo Alpbutter und Alpkäse angeben, sogar jene, die an Molkereien verkauft wurden. Für die Zustellung von Milch zu Endverbrauchern sind gar bestätigte Angaben aus den Jahren 1987 und 1988 zu machen.

Erfaßt werden alle nur erdenklichen Angaben. Daß der Bauer versucht, durch Direktverkauf mehr Geld für seine Milch zu bekommen, um weniger von den Molkereien, die den EU-Betritt zum Drücken der Preise kräftig ausnützen, abhängig zu sein, scheint nach wie vor als Frevel betrachtet zu werden.

Vor den Kopf gestoßen werden auch die Biobauern. Mit der EU gibt es nun einen EU-weiten Schutz für die Bezeichnung eines Produktes als aus ökologischer' Landwirtschaft stammend. Dafür muß der Biobauer jedes Jahr seine Felder und seinen Hof genauer Kontrolle unterziehen lassen. Bisher haben sich die Biobauern durch die eigenen Bioverbände kontrollieren lassen. Nun macht es die Agrarbehörde AMA, obwohl die EU explizit vorsieht, daß auch private Organisationen als Prüfstellen zugelassen werden können.

Neue technische Vorschriften, für große Betriebe durchaus sinnvoll, machen kleinen Bauern zu schaffen. Beispielsweise verlangt die EU, daß eigene, geprüfte Schlachtapparate verwendet werden und nur in verfliesten Bäumen geschlachtet werden kann.

In der EU entgeht niemand der Bürokratie. Sind einem Bauern die Bestimmungen der EU über das Brennen von Schnäpsen auch nur für den Eigengebrauch zu aufwendig, so entgeht er der EU erst recht nicht, wenn er den Hut darauf haut und seine Schnapsbrennanlage verkauft, denn auch dieses muß er dem Zollamt (!) melden.

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