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Die Bankenwelt hat mit der Manipulation von Zinssätzen einen neuen Skandal. Wer beendet die steuerlose Drift, fragt "Die Welt“.

Die internationale Bankenwelt hat einen neuen Skandal. Jahrelang sollen Kredithäuser den Zinssatz am Interbanken-Markt, den "Libor“, manipuliert haben. Gerüchte über Manipulationen bei den Libor-Sätzen sind nicht neu. Seit Beginn der Finanzkrise wurde darüber spekuliert, dass manche Banken geschönte Zahlen abgeben. Doch jetzt räumte die britische Großbank Barclays ein Fehlverhalten ein und sorgte damit für große Empörung. Innerhalb von 24 Stunden nahmen die beiden Top-Manager des Instituts ihren Hut. Vorstandschef Bob Diamond begründete seinen Entschluss am Dienstag mit dem massiven Druck aus der Politik, der am Ruf der Bank zu kratzen drohe. Die deutsche Tageszeitung "Die Welt“ kommentiert dazu:

Etwas ist faul im Staate …

Wir versetzen jetzt Hamlet einfach einmal nach England, wohin ihn sein Onkel Claudius ohnehin hatte verbringen wollen, um ihn dort beseitigen zu lassen. Wusste der Prinz doch dank der Enthüllungen des Geistes seines Vaters alles über die Untat am heimischen Hof. "Etwas ist faul im Staate Dänemark“, heißt es mit grandiosem Understatement bei Shakespeare.

Was würde er erst über das heutige England schreiben und den Zusammenbruch der Kultur des Vertrauens, worüber Hamlet erneut in Depression verfallen müsste? Mehr als ein Königsmord ist im Spiel.

Wieder einmal sind es die Banken, die sich schuldig gemacht haben an der Gemeinschaft. Wenn die vor vier Jahren ausgebrochene globale Krise etwas mit dem Leichtsinn der Geldinstitute zu tun hatte, die unbedenklich Summen verliehen und sich und die Empfänger damit in den Abgrund der Schuldennot rissen, so sehen wir heute nackte Korruption vor uns, betrügerische Intentionen, deren als Erste in dieser Woche Barclays Bank überführt worden ist, die von den amerikanischen und englischen Aufsichtsbehörden zu einer Strafe von 290 Millionen Pfund (circa 330 Millionen Euro) verurteilt worden ist. Weitere Hochburgen Plutos werden sicher bald folgen.

Die Zeit ist aus den Fugen!

Was ist passiert? Die Banken haben den üblichen Zinssatz, zu dem sie sich gegenseitig Geld leihen und der jeden Tag neu festgesetzt wird - die sogenannte Libor-Rate -, zum eigenen Vorteil gegenüber der heimischen Kundschaft manipuliert. Im Klartext: Sie haben kommerziellen Darlehensnehmern Produkte verkauft mit Zinsraten, die sich ständig zum Vorteil der verleihenden Bank veränderten, was Tausende von mittelständischen Unternehmern an den Rand der Existenz brachte. Die Kunden, von Bankberatern verführt, die nur in die eigene Tasche wirtschafteten, durchschauten viele dieser Produkte gar nicht - ein Grundübel allgemein des so genannten "Kasinokapitalismus“.

Die Empörung der Briten über diesen neuerlichen Betrug an ihrem Vertrauen ist kaum darstellbar. Die Euro-Krise mag Deutschland umtreiben - die Vertrauenskrise, die England erfasst hat, greift ins Mark. Geldstrafen erscheinen da vollkommen unpassend - Prozesse wären angemessen; aber dafür haben die britischen Gesetze noch keine Handhabe. Und von der politischen Klasse, einer zutiefst verachteten, erwarten die Menschen nichts außer Händeringen.

Noch ächzt das Land unter dem vorangegangenen Skandal: Vermögende Stars der Pop- und Medienwelt hatten ihre Einkünfte auf Adressen in den Kanalinseln "geparkt“ und sich das Geld als Darlehen auszahlen lassen, auf die so gut wie keine Steuern anfielen. "Die Zeit ist aus den Fugen!“, kann da Hamlet nur ausrufen. Wer aber beendet die steuerlose, die englische Drift?

* Aus Die Welt, Deutschland, 3. Juli 2012

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