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Haushalt in der Steuerschraube

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Unter der Ueberschrift „Die neue Klasse will nicht” brachte die „Furche” am 31. Jänner „von fachmännischer Seite” einen Artikel über die Reform der Haushaltsbesteuerung. Aktueller Anlaß war ein Entwurf des Finanzministeriums, der auch weiterhin eine getrennte Besteuerung der Lohneinkünfte mitverdienender Ehegattinnen vorsieht, wenigstens bis zu einem Jahresbetrag von 25.000 Schilling ihrer Einkünfte.

Gegen diese Ausnahme von der Zusammenveranlagung — die den doppelt berufstätigen Ehepaaren hohe Lohn- und Einkommensteuervorteile verschafft — wendet sich zunehmender Widerstand auch in solchen Kreisen, die mit Parteipolitik wenig oder gar nichts zu tun haben.

Der Verfassungsgerichtshof hat durch sein Erkenntnis vom 26. März 1958 den Abs. 3 des § 26 EStG, aufgehoben. Trotzdem wird der § 26 (3) auch heute noch angewendet, und nach dem Ministerialentwurf würde er auch künftighin in fast gleichem Ausmaß wieder Gesetz werden. Dieser Paragraph enthält im zweiten Halbsatz für die doppelt berufstätigen Ehepaare eine Ausnahme von der tarifmäßigen Höhe der Lohn- und Einkommensteuer: Ihre beiderseitigen Einkünfte werden zum Zwecke der Haushaltsbesteuerung nicht zusammengerechnet, aber trotzdem nach dem Haushaltstarif der Steuergruppe II oder III besteuert. Damit entrinnen sie der Wirkung der Progression gerade in ihren höheren Stufen. Wie sehr der den Begünstigten dadurch zukommende Sondervorteil die Begriffe von Gerechtigkeit und Gleichheit der Besteuerung geradezu zersprengt, zeigt das folgende, mit geringen Abweichungen nach oben oder nach unten hunderttausendfach vorkommende Beispiel:

Ein Ehepaar (A) mit einem Kind, Steuergruppe IIl/l, hat bisher bei einem Monatsgehalt von 4000 Schilling eine Lohnsteuer von 477.30 Schilling, das sind rund 12 Prozent des Einkommens, zu entrichten.

Wenn aber das gleich hohe Einkommen nicht vom Ehemann allein, sondern von beiden Ehegatten je zur Hälfte ins Verdienen gebracht wird (Ehepaar B), erreicht’ die darauf fällige Lohnsteuer nur noch 3 Prozent des Einkommens, nämlich 122.40 Schilling.

Von dieser Begünstigung des Ehepaares B ausgeschlossen sind nicht nur jene (wenigen) doppelt verdienenden Ehepaare, deren Ehefraueinkünfte nicht aus Lohn und Gehalt, sondern aus einer anderen Einkommensquelle (zum Beispiel Gewerbe, freier Beruf und andere) stammen und darum der Zusammenrechnungspflicht unterliegen, sondern vor allem jene Ehepaare (Familien), die nur über das Erwerbseinkommen des alleinverdienenden Familienvaters verfügen. Und das trifft die größte Mehrzahl, schätzungsweise drei Viertel der Steuerpflichtigen.

Jede Steuer bildet einen Eingriff in die Einkommensbildung und eine nachträgliche Aende- rung der Einkommensverteilung. Dadurch haftet ihr unvermeidbar eine lenkende Wirkung an, die das soziale oder wirtschaftliche Verhalten der Betroffenen beeinflußt. So auch die beschriebene Ausnahmebestimmung des § 26 (3) EStG. Weil die Berufstätigkeit der Ehefrau die unausweichliche Voraussetzung für die Inanspruchnahme dieser Begünstigung darstellt, bietet diese einen starken steuerlichen Anreiz zur außerhäuslichen Berufstätigkeit von Hausfrauen und Müttern. Nun ist aber gerade die außerhäusliche Berufstätigkeit der Mütter als eine Quelle familienzerstörender Wirkungen erkannt worden. In dieser Tatsache liegt die familienfeindlichste Wirkung des zweiten Halbsatzes des § 26 (3) EStG.

Dazu kommt noch, daß die steuerliche Begünstigung eines Teiles der Bevölkerung nur auf Kosten der übrigen Steuerpflichtigen möglich ist. In Oesterreich kommt annähernd einer Viertelmillion Ehepaare der beschriebene Steuervorteil zugute. Das bedeutet, daß der Staat dadurch einen Steuerausfall von vermutlich einer Milliarde Schilling jährlich erleidet, den er nur wettmachen kann, indem er die tarifmäßigen Vollzahler um so höher besteuert. So geht also die Begünstigung ddr Doppelverdienerehepaare auf Kosten jener Ehepaare, die sich familienmäßig richtig verhalten.

Die Befürworter des Entwurfes geben ihm den Anschein, als sei die vorgeschlagene Obergrenze für getrennte Veranlagung, jährlich 25.000 Schilling, eine sozialpolitisch wohlbegründete Rücksichtnahme auf kleine Einkommensempfänger. Hinter dieser Argumentation verbirgt sich ein Trugschluß. Denn diese Höchstbetragsgrenze ist mit der Wirkung eines Freibetrages ausgestattet, das heißt ein Betrag von 34 542 Schilling oder mehr bliebe auch dann von der Zusammenveranlagungspflicht befreit, wenn das Einkommen der Ehefrau höher ist. Zudem ist die Absicherung nach der anderen Partnerseite hin offen — ein Schildbürgerstückchen sozusagen, wie wenn man vorn die Türe eines Käfigs sorgfältig verschließen möchte, obwohl ihm die ganze hintere Wand fehlt: Die Obergrenze von jährlich 25.000 Schilling (= 34.542 Schilling) gilt nicht dem — zusammengerechneten — Haushaltseinkommen des Ehepaares, sondern nur den Einkünften der Ehefrau. Daneben bliebe das Einkommen des Ehemannes in unbegrenzter Höhe und zur Gänze von der Zusammenveranlagungspflicht befreit, es sei denn, daß in den ganz sel- terien Fällen, wo das Ehefraueinkommen jährlich 34.542 Schilling übersteigt, der übersteigende Teil dem Einkommen des Ehemannes hinzugerechnet werden müßte. Es handelt sich also wirklich nicht um kleine Einkommensempfänger, auf die diese Steuerbegünstigung beschränkt bliebe.

Im Gegenteil. Hier stünden dem Fiskus gerade die „besseren” Einkommen zur Besteuerung offen. Mit ihrem Doppeleinkommen gehören diese Einkindfamilien oder kinderlosen Ehepaare im Vergleich zu den auf das Alleineinkommen des Familienvaters angewiesenen Familien zu einer beneidenswert gut situierten Klasse von Staatsbürgern.

In der Haushaltsbesteuerung ist das ursprüngliche sinnvolle und durchdachte Zusammenwirken der Steuergruppen und der Steuerprogression, wie schon in mehrfacher Hinsicht, so auch in diesem Punkt durchbrochen und gestört. Die Progression, ein fortschrittliches Verfahren zur steuerlichen Schonung des unentbehrlichen Einkommens (des Existenzminimums) und zur adäquat wachsenden Besteuerung der entbehrlicheren Teile des Einkommens, je nach dem Grade ihrer „Entbehrlichkeit”, würde in ihrer einfachsten Grundform die für Frau und Kinder bestimmten Teile des Haushaltseinkommens als „entbehrlich” behandeln und hoch besteuern. Um diese vor den mehrbesteuernden Wirkungen der Progression ebenso abzuschirmen wie das Existenzminimum der Einzelpersonen, mußten die Steuergruppen und Kinderermäßigungen (die auch nichts anderes sind als Steuergruppen) geschaffen werden. Sie sind Schaltstufen zur Berücksichtigung des Familienstandes und sollen es eTWögtrchcn; ‘ji nach’Anžūhl deif’trtif’Nftts zn besteuernde Einkommen angewiesenen Personen auf gemildertere Tarife umzuschalten. Darum ist die Steuergruppe I für Einzelpersonen, die Steuergruppe II für 2-Personen-Haushalte, die Steuergruppe III/1 für 3-Personen-Haushalte, die Steuergruppe III/2 für 4-Personen-Haushalte usw. bestimmt.

Die berufstätige Ehefrau hat ihr eigenes Einkommen; sie ist auf das Einkommen ihres Ehemannes nicht angewiesen; sie wäre es nur dann, wenn die beiderseitigen Einkünfte zu einem gemeinsamen Haushaltseinkommen zusammengerechnet würden. Folgerichtig hat das dem gleichen Problem gewidmete westdeutsche Ueber- gangsgesetz 1957 den doppelt berufstätigen Ehepaaren die Wahl eingeräumt, entweder ihre zusammengerechneten Einkünfte nach der Steuergruppe II bzw. III oder ihre beiderseitigen Einkünfte getrennt, aber nach Steuergruppe I besteuern zu lassen. Auch für Oesterreich wäre eine solche Uebergangslösung die einzig annehmbare, aber nur als Uebergangslösung, denn eine ungerechtfertigte Bevorzugung vor den Alleinverdienerfamilien bestünde dann trotzdem noch weiter, wenn auch nicht mehr so kraß wie bis jetzt.

Als endgültige Lösung wird nur das uneingeschränkte Splittingverfahren volle Gerechtigkeit und Gleichbehandlung bringen. Es müßte an die Stelle der Steuergruppen und Kinderermäßigungen treten und diese überflüssig machen bzw. viel vollkommener ersetzen. Dafür werden auch die nichtberufstätige Ehefrau und die unversorgten Kinder in die Splittingberechnung (= Teilungsberechnung) einbezogen - eine konsumpolitisch und sozialpolitisch sehr wichtige Voraussetzung gerechter Besteuerung. Das Splittingverfahren gestattet auch die Verwaltungsvereinfachung, getrennte Einkünfte berufstätiger Ehegatten getrennt zu besteuern, ohne daß sie zuerst zusammengerechnet und dann wieder verteilt werden müßten. Das Splittingverfahren könnte den bestehenden Tarif der Steuergruppe II unverändert übernehmen, so daß für kinderlose Ehepaare weder Steuererhöhungen noch für den Fiskus Steuerausfälle damit verbunden zu sein brauchen., Was sich ändern würde, wäre nur die Verteilung der Steuerlast auf die Schultern der Steuerpflichtigen. Dieses unbestechliche Verfahren würde automatisch jenen Zustand der Gleichmäßigkeit erzwingen, der bis dahin nur durch eine gründliche Entrümpelung der Steuergruppen II und III herstellbar wäre.

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