Hemmschuh für die Entwicklung

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Die Furche: Zahlreiche Hilfsorganisationen fordern einen Schuldenerlass für die ärmsten Länder. Wo wäre er am dringendsten nötig?

Monika Luttenberger: Hauptsächlich in afrikanischen und südamerikanische Staaten. Eines der ärmsten Länder ist sicher Mosambik. Auch in Sambia, Uganda, Sierra Leone, Burkina Faso, Tansania. Der Schuldenerlass wäre für diese Länder eine Chance für einen Neustart. Die Schuldenberge sind ein Hemmschuh, der eine Weiterentwicklung behindert.

Die Furche: Würden diesen Ländern Schulden erlassen werden, wären die Gelder, die bisher in die Rückzahlung geflossen sind, für andere Bereiche frei. Wie sollte das frei gewordene Kapital genutzt werden?

Luttenberger: Das ist je nach Land unterschiedlich. In einigen Ländern sollte der Schwerpunkt auf jeden Fall im Gesundheitssystem liegen. In anderen Ländern ist wiederum die Umwelt ein großes Thema, der Umgang mit Ressourcen. Armut verleitet dazu, mit vorhandenen Ressourcen nicht im Sinne der Nachhaltigkeit umzugehen. Dazu müssen vielerorts erst einmal bereits vorhandene Umweltschäden repariert werden. Ganz wichtig ist auch der Bildungssektor, der Zugang zu Wasser, die Förderung erneuerbarer Energie. Kleinbetriebe müssten gefördert werden und eine funktionierende Infrastruktur wäre dringend nötig.

Die Furche: Wie kann sichergestellt werden, dass die Gelder tatsächlich in diese Bereiche fließen?

Luttenberger: Der Schuldenerlass sollte meiner Meinung nach an eine "Good Governance" gekoppelt werden, also an Regierungen, die gewillt sind, in ihrem Land die notwendige Stabilität zu schaffen. Man kann eine nachhaltige Entwicklung nur dort garantieren, wo auch eine gewisse Stabilität herrscht, wo Menschenrechte eine Rolle spielen. In anderen Ländern würde das frei werdende Geld kaum den Menschen zugute kommen.

Die Furche: Welche Prozesse sind nötig, um diese Stabilität zu sichern? Und welche Rolle spielt dabei die Bevölkerung?

Luttenberger: Die Bevölkerung muss unbedingt einbezogen werden. Denn Konflikte können auf viele Arten entstehen. In Afrika ist Grund und Boden Allgemeingut. In verschiedenen Ländern wird jetzt versucht zu privatisieren oder Nutzungsrechte zu vergeben. Dieser Prozess birgt natürlich ein großes Konfliktpotenzial. Frieden kann nur sichergestellt werden, indem man die Regelungen gemeinsam mit den Betroffenen erarbeitet. Auch Dezentralisierung ist wichtig. Die Kapazitäten der lokalen Behörden gehören gestärkt. Eine gut funktionierende Gemeinde kann im Sinne der Subsidiarität ganz anders die Bedürfnisse der Bevölkerung wahrnehmen und auf einer ganz anderen Ebene Konflikte lösen als ein Zentralstaat.

Die Furche: Besteht nicht die Gefahr, die betroffenen Staaten zu bevormunden, wenn man den Schuldenerlass an Bedingungen knüpft?

Luttenberger: Nein, denn es geht nicht um Bevormundung, sondern um Kooperation. Um Zusammenarbeit mit den Regierungen und den lokalen Hilfsorganisationen. Aber es ist so, dass die Länder im Moment ohne Hilfe der westlichen Staaten nicht in der Lage wären, ihre Situation nachhaltig zu verbessern. Dabei geht es nicht nur um Geld, sondern um das Know How. Darum genügt der Schuldenerlass allein nicht. Wenn man jemandem Geld gibt, muss man ihn auch dabei unterstützen, es richtig zu verwenden. Es ist sehr wichtig, dass man die Regierung auf ihrem Weg zu einer besseren Entwicklung unterstützt.

Das Gespräch führte Claudia Feiertag. Monika Luttenberger ist beim Hilfswerk Austria, einer international tätigen Non-Profit-Organisation, für die Koordination von Projekten in Afrika und Südamerika zuständig.

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