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Hightech-Waffen: Kampf bis zur letzten Drohne

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Die Rüstungsindustrie arbeitet auf Hochtouren. Intelligente Geräte, unsichtbare Flugzeugträger und Kampfdrohnen sollen die Armeen verstärken.

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Die Rüstungsindustrie arbeitet auf Hochtouren. Intelligente Geräte, unsichtbare Flugzeugträger und Kampfdrohnen sollen die Armeen verstärken.

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Er werde die Drahtzieher des Terrors vom 11. September "aus ihren Löchern ausräuchern", drohte US-Präsident George Bush. Das war wörtlich gemeint: Gegen die El Kaida-Kämpfer in den Bergfestungen Afghanistans setzten die USA Fuel Air Explosives (FAEs) ein, die auch als Vakuumbomben bekannt sind. Ein FAE wie der sieben Tonnen schwere "Daisy Cutter" (Gänseblümchenschneider) besteht aus einem Sprengstoffbehälter und zwei Zündern. Der erste zerstört den Behälter und erzeugt eine Sprengstoffwolke, der zweite zündet diese. Ergebnis: ein 3.000 Grad heißer Feuerball, der im Umkreis von hunderten Metern alles vernichtet. Doch neu sind die FAEs nicht: Die USA entwickelten sie in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts und setzten sie in Vietnam sowie 1991 im Golfkrieg ein, russische Truppen verwendeten sie in Tschetschenien.

Unterdessen werden die Streitkräfte für die Einsätze des 21. Jahrhunderts adaptiert. Die strategischen Überlegungen dahinter erläutert der Leiter der Abteilung Militärstrategie im österreichischen Verteidigungsministerium, Brigadier Dietmar Franzisci: "Die Blockkonfrontation in Europa ist vorbei, die absehbaren Erweiterungen von EU und NATO wirken stabilisierend. Aber es gibt nach wie vor Zonen der Instabilität, die ihren Rückschlag auch auf Europa haben können. Daher wird versucht, Krisen dort einzudämmen, wo sie entstehen." Dafür könnten bei Vorliegen eines entsprechenden UNO-Mandats auch militärische Mittel eingesetzt werden. Bei einer Tagung der deutschen Bundesmarine formulierte es der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, General Klaus Naumann, deutlicher: Die Einheiten der NATO und ihrer Verbündeten müssten "im Grunde genommen Interventionsstreitkräfte sein".

Rasche Verlegbarkeit sowie hohe taktische Beweglichkeit der Truppen sind dabei das Um und Auf. Deshalb stehen Transportflugzeuge und bei Seemächten Flugzeugträger, Landungsschiffe sowie Einheiten zu deren Schutz weit oben auf den Beschaffungslisten. Die USA wollen ab 2006 neue Träger bauen, die selbst die heutigen Giganten der "Nimitz"-Klasse übertreffen.

Lenken mit Joystick

Als Revolution betrachten Fachleute ein Konzept der Rüstungsagentur AVPRO für die zwei neuen britischen Flugzeugträger, die ab 2012 in Dienst kommen sollen. Für feindliches Radar fast unsichtbar könnten sie für nicht mit Atomkraft betriebene Träger mit 75 Stundenkilometern ungewöhnlich schnell sein. Das Problem sind die Kosten, laut britischen Marinekreisen weit mehr als die projektierten 3,2 Milliarden Euro.

Auch neue Flugzeuge sind im Kommen: Ab 2008 soll der Jagdbomber F-35 Joint Strike Fighter in Serie gehen, dessen Marineversion senkrecht starten und landen kann. Schon 2004 einsatzbereit sein sollen die ersten Geschwader der F-22 Raptor, des neuen Luftüberlegenheitsjägers der USA. Und wenn es nach der US-Rüstungsagentur DARPA geht, beginnt noch heuer im Frühjahr die Zukunft des Luftkrieges: Sie plant den Erstflug der X-45, eines Prototypen für ein unbemanntes Kampfflugzeug (Unmanned Combat Aerial Vehicle, UCAV). Verlaufen die Tests erfolgreich, könnten Serienmodelle des Geräts ab 2008 die US-Streitkräfte verstärken. Statt bemannter Kampfjets sollen künftig UCAVs stark verteidigte Ziele wie Kommandostellen sowie Kommunikations- und Radaranlagen zerstören und die dazu gehörigen Luftabwehrstellungen ausschalten. Gesteuert werden könnten sie von Piloten, möglich wäre auch die Lenkung durch Operationszentralen weit ab vom Gefechtsfeld. Der "Pilot" würde sein UCAV mit einer Art Joystick durchs Gefecht führen.

Der Kampf bis zur letzten Drohne beginnt aber nicht nur in den USA. So arbeitet die britische Rüstungsagentur AVPRO an einem Projekt namens "Archangel". Der für feindliches Radar kaum sichtbare "Todesengel" könnte Raketen auf Flugzeuge, Schiffe und Bodenziele feuern. Ein Offizier der britischen Luftstreitkräfte, der anonym bleiben will, zur Furche: "Seit Afghanistan ist klar: Ohne Kampfdrohnen kommt keine Luftstreitmacht der Zukunft mehr aus." Dort zerstörte die für Aufklärungszwecke gebaute Drohne "Predator" mit unter ihren Flügeln montierten Raketen die El Kaida-Stellungen.

Drohnen sollen bald auch die Infanterie unterstützen und unter anderem mit Videokameras und Infrarotsensoren Heckenschützen aufspüren. Die "Black Widow" ("Schwarze Witwe") der kalifornischen Firma AeroVironment etwa wiegt ein halbes Kilogramm, navigiert mit einem Mikrokompass und führt eine Schwarzweiß-Videokamera mit.

Soldat für 1 Stunde

Auch die Sturmgewehre werden immer leistungsfähiger. Ein Beispiel ist die amerikanische Objective Individual Combat Weapon (OICW), die neben Gewehrmunition auch Granaten verschießt und die Zielbekämpfung bei Nacht und Nebel erlaubt. Beträchtlich sind die Kosten: Das M16-Gewehr der US-Streitkräfte ist um 600 Dollar zu haben, das OICW kostet dagegen 10.000 Dollar. Als Standardwaffe ist es aber ohnehin nicht vorgesehen: Von den 1,4 Millionen US-Soldaten bekommen es nur rund 47.000. Sie sollen im Rahmen des "Land Warrior"-Programms bis 2004 zur Hightech-Infanterie werden, mit verbesserten Nachtsicht- und Nachtkampffähigkeiten, Warnsensoren zur Freund-Feinderkennung und Navigationshilfen.

Ein zentrales Element ist der digitale Datenaustausch zwischen den Truppen im Kampfgebiet und ihren Führungsstellen. Brigadier Franzisci warnt aber vor übertriebenen Vorstellungen: Ausrüstungen wie "Land Warrior" würden auf Spezialeinheiten beschränkt oder bei normalen Truppen nur einzelnen Soldaten in den kleinsten Einheiten, Gruppen oder Zügen, zur Verfügung stehen. Und moderne elektronische Führungsinformationssysteme erleichterten zwar das Bewältigen von Führungsaufgaben: "Aber es ist kaum vorstellbar, dadurch Kommandoebenen zu überspringen oder einzusparen. Das ist auch abzulehnen, denn die Führungsfähigkeit wäre erheblich gefährdet, wenn die Technik ausfällt oder gezielt lahm gelegt wird."

Ähnlich argumentiert ein britischer Offizier im Gespräch mit der Furche: Schon jetzt sei es schwierig, aus der Fülle der Informationen heraus zu filtern, was wirklich erfolgskritisch sei. Übermittle in Zukunft jeder Soldat seinen individuellen Blickwinkel einer Operation, sei endgültig Schluss. "Im Zentrum militärischen Denkens muss immer der gut ausgebildete Soldat vor Ort stehen. Wenn wir ihm die Fähigkeit nehmen, selbstständig zu handeln, gibt es Schwierigkeiten." Manche Probleme künftiger Hightech-Krieger sind aber viel banalerer Natur. Ein mit allen technischen Errungenschaften ausgerüsteter Kämpfer habe samt Marschgepäck gut 50 Kilo zu schleppen, rechnet im Heeresmagazin Truppendienst ein ehemaliger belgischer Oberstleutnant vor. Damit könne auch ein bestens trainierter Soldat kaum länger als 1 Stunde kämpfen.

Unterdessen hat das österreichische Bundesheer rudimentärere Sorgen. Ein Kommentar im Truppendienst über die Notwendigkeit moderner Bewaffnung trug den bezeichnenden Titel "I have a dream" ...

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