Hoher Preis für Billigware

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Die Textilarbeiterinnen in Bangladesch kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen. Im internationalen Handel ist die gerechte Bezahlung von Waren noch immer keine Selbstverständlichkeit. Und der Begriff "Fair Trade" bleibt eine leere Hülle, wenn er nicht von engagierten Menschen mit Ideen und Taten gefüllt wird, siehe Interview mit den Gründern des Weltcafés in Wien auf Seite 23. Am Beispiel des "Ökopelzes" aus Namibia wird deutlich, wie unterschiedlich der faire Handel ausgelegt wird. Und jeder Quadratmeter zählt: Zumindest, wenn Orientteppiche bei zertifizierten "STEP"-Händlern gekauft werden. Redaktion: Thomas Meickl

Seit acht Jahren arbeitet die 21-jährige Azma als Näherin in der Bekleidungsindustrie. "Normalerweise fange ich um 8.30 Uhr an und arbeite bis 21.30 Uhr. Wenn aber viele Aufträge reinkommen, muss ich phasenweise auch bis ein Uhr nachts arbeiten. Dann arbeiten wir auch zwei Monate ohne freien Tag." Je länger die junge Frau an der Nähmaschine über ihre Arbeit in der Textilfabrik nahe Bangladeschs Hauptstadt Dhaka berichtet, umso unwohler fühlt sich so mancher Europäer in seiner Haut und noch mehr in seiner Kleidung.

"Ich verdiene 2600 Taka (umgerechnet rund 30 Euro, Anm.), aber es ist sehr schwer, damit zu überleben", erzählte die junge Frau zwei österreichischen Aktivistinnen, die vergangenen Herbst für die internationale Kampagne "Clean Clothes" nach Bangladesch reisten. Ihr Mann arbeite ebenso in der Textilindustrie, dennoch könnten sie sich gemeinsam nur ein sechs Quadratmeter großes Zimmer leisten, wofür sie die Hälfte des Lohnes aufbringen müsste, sagte Azma und bediente flink und geschickt die Nähmaschine. In der überhitzten Fabrikshalle ratterten die Maschinen. Röcke, Hosen und T-Shirts erinnern an die Regale großer europäischer Handelsketten wie H&M, KIK, New Yorker, Zara, C&A, und an viele andere. Die allermeisten Textilunternehmen lassen ihre Waren in Billiglohnländern anfertigen, viele davon in Bangladesch. 75 Prozent aller Exporterlöse des südasiatischen Landes stammen aus der Textilindustrie.

Streikwelle für mehr Lohn

Doch den wahren Preis für unsere Mode würden die Arbeiterinnen bezahlen, betont Südwind-Mitarbeiterin Christina Schröder, die zusammen mit Michaela Königshofer, Vertreterin der "Clean Clothes"-Kampagne, Bangladesch besuchte. Die Kampagne für "Saubere Kleider" setzt sich weltweit für faire Arbeitsbedingungen in der Textilbranche ein.

Als die zwei Aktivistinnen in Dhaka eingetroffen sind, sei gerade die ärgste Streikwelle der Textilarbeiter abgeflaut, berichtet Schröder. Die Monate davor hatten zahlreiche Unruhen das politisch ohnedies instabile Land heimgesucht. Gehäufte Brände und Arbeitsunfälle in Textilfabriken hatten die Näherinnen mobilisiert. In zahlreichen Demonstrationen hatten sie bessere Arbeitsbedingungen gefordert. Zwar sei dann der Mindestlohn tatsächlich mininmal angehoben worden, doch immer noch zu gering, um davon zu leben, sagt die österreichische Aktivistin Schröder im Furche-Gespräch. Der Mindestlohn betrage jetzt umgerechnet 20 Euro. Davon ginge meist die Hälfte für die Miete auf. Arbeiterinnen lebten auch oft nur in einfachsten Holzhütten auf Bambusstelzen, ohne Wasser, Strom oder Kanalisation. Auch für solche Behausungen müsste ein Viertel des Lohnes aufgebracht werden. Der Mindestlohn würde nicht einmal den Bedarf an Lebensmitteln decken. Die Arbeiterinnen, viele jünger als 20 Jahre alt, würden nicht nur ohne freie Tage und bis spät in die Nacht arbeiten, es gebe auch keinen Mutterschutz oder Pensionen, berichtet Christina Schröder. Entschädigungen für Arbeitsunfälle, die häufig passierten, seien ebenso die seltene Ausnahme. Dabei könnten Frauen aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen selten länger als bis 40 Jahre arbeiten, sagt die Südwind-Mitarbeiterin. Danach seien die Frauen von ihren Verwandten abhängig. Auch mit zwölf bis 14-jährige Mädchen hätten die Österreicherinnen in den Nähfabriken gesprochen. "Kinderarbeit ist nicht mehr weit verbreitet, aber es kommt noch vor", sagt Schröder. Viele Fabriken hätten auf ihren Eingängen Schilder mit der Aufschrift "No child labour" (Keine Kinderarbeit) angebracht, da diese westliche Konsumenten am meisten ablehnen würden, meinten die Unternehmer vor Ort.

Viele Arbeitsunfälle

Zudem seien die Fabrikshallen meist schlecht gebaut, die Notausgänge verstellt, die Fenster vernetzt, damit die Arbeiterinnen keine Waren rauswerfen könnten. Komme es zu einem Brand, erzählt Schröder, würden oft die Ausgänge versperrt, um den Diebstahl von Textilien zu unterbinden. "Es ist für uns unvorstellbare, aber die Menschenleben sind weniger wert als die Waren", sagte Amirul Haque Amin, Generalsekretär der "National Garment Workers Federation", den zwei jungen Frauen aus Österreich. Diese Gewerkschaft ist eine von vielen in Bangladesch, die langsam und mühsam kleine Verbesserungen für die Arbeiterinnen erkämpfen.

Der Gewerkschafter machte auch ganz deutlich, wie europäische Konsumenten den Näherinnen helfen könnten. Auf keinen Fall sei ein Boykott der Waren der richtige Weg, sagte Amin den Südwind-Aktivistinnen: "Es hilft den Arbeitern und unserer Arbeit, wenn sich Konsumenten in Europa über die schlechten Arbeitsbedingungen beschweren und von Konzernen Verbesserungen einfordern." Der Boykott einer bestimmten Textilkette wäre kontraproduktiv, erklärt Christina Schröder. Alle Mode-Unternehmen würden in Billigländern herstellen lassen. Es ergäbe keinen Sinn, sich auf ein "böses" Unternehmen einzuschießen. Für die Frauen in Bangladesch sei die Textilbranche oft die einzige Möglichkeit, selber Geld zu verdienen und eine gewisse Eigenständigkeit zu erzielen, erklärt sie.

Die europäischen Konsumenten sollten bei ihrem Einkauf mutig und hartnäckig nachfragen, woher die Kleider kämen und unter welchen Arbeitsbedingungen sie produziert worden seien, appelliert Schröder. Dazu gibt es von Südwind vorgedruckte so genannte "Shopkarten".

Auf den blauen Postkarten werden kritische Fragen gestellt: Ob sich das betreffende Unternehmen an einen Verhaltenskodex hält, der die Mindestnormen der Internationalen Arbeitsorganisation beinhalte; ob eine unabhängige Instanz die Einhaltung des Kodex überprüft und ob sich der Handelskonzern dafür einsetzt, dass sich die Arbeiternehmer der Lieferanten gewerkschaftlich organisieren und ihre Rechte einfordern können, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Die Resonanz sei gut, weist Schröder auf erste Erfolge hin. Man würde es kaum glauben, aber die Konzerne würden darauf reagieren. Man könne auch vorgefasste Briefe mit einem Aufruf an die Textilunternehmen verschicken. "Es ist natürlich ein langer Prozess, eine Prävention auf lange Sicht", betont Christina Schröder, aber irgendwann würden die Unternehmen reagieren, wenn sie merkten, dass den Kunden neben Preis und Qualität auch soziale Verantwortung wichtig sei.

Auch die 21-jährige Näherin Azma richtete an die österreichischen Aktivistinnen die Bitte, die Waren nicht zu boykottieren, die aus Bangladesch kämen. "Wir brauchen die Arbeitsplätze in der Bekleidungsindustrie." Dennoch fügte sie hinzu: "Wenn ich einmal Kinder habe, möchte ich nicht, dass sie in einer Bekleidungsfabrik arbeiten müssen. Sie sollen es einmal besser haben und eine gute Ausbildung bekommen", sagte Azma.

Für faire Arbeitsbedingungen müssten zudem nur geringfügige Preiserhöhungen der Waren im Centbereich in Kauf genommen werden, schätzt Südwind.

Infos unter:

www.suedwind-agentur.at

www.cleanclothes.at

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