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Holz wächst am Holz

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Leiter der Sektion Forstwesen im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft

Wald ist ein Sammelbegriff für eine mehr oder weniger große Vielzahl von holzerzeugenden Gewächsen der verschiedensten Art oder für eine mit solchen Gewächsen bestockte Fläche. Dem darin erzeugten Rohstoff Holz muß im nationalökonomischen Sinn gegenüber den sogenannten Abbaurohstoffen wie Erz und Oel der große Vorzug eingeräumt werden, daß bei ihm der laufende Zuwachs Anlagevermögen beziehungsweise Substanzwerte schafft, die für späteren Verzehr zur Verfügung stehen. Der Wald beziehungsweise das Holz erneuert sich selbst immer wieder, übt aber gleichzeitig Schutzwirkungen in bezug auf Klima, Wasserhaushalt und Landschaft, also auf die gesamte Landeskultur sowie auf den Menschen aus, die wir gewöhnlich als Wohlfahrtswirkungen bezeichnen.

Unabhängig vom Primat steht fest, daß die Wohlfahrtswirkungen und das Gebot der Nachhaltigkeit die beiden Säulen des Forstwesens sind. Holz kann zur Not importiert werden, die Wohlfahrtswirkungen nicht I Sie können nur am Ort der Wälder entstehen und wirken. Während die Haupt- und Nebennutzungen des Waldes dem jeweiligen Besitzer zustehen, gehören die

Wohlfahrtswirkungen der Allgemeinheit. Es ist daher die Erhaltung und Verbesserung der Wälder eine Verpflichtung für alle, denn ihre Wohlfahrtswirkungen kommen allen zugute und an ihrer Minderung leidet jeder. Und gerade in den Tagen sommerlicher Hitze sind die Wälder für den immer mehr der Technik verfallenden, gehetzten Menschen, für den der Ruhe, Stille und Erholung bedürftigen Städter wie Landbewohner gewissermaßen ein kostenloses Nervensanatorium.

Die Erhaltung des Waldes wird nicht bloß durch die ökonomische Vernunft begründet. Sie wirkt zum Schutze der Natur und letzten Endes zum Menschenschutz vor schädlichen Auswirkungen der Technik.

In Zeiten außerordentlicher Niederschläge ist der Wald ein Wasserspeįcher, der das Wasser nicht verbraucht und auch nicht hortet, sondern speichert, indem es nicht nur aufgenommen, sondern langsam, und zwar filtriert und gereinigt, wieder abgegeben wird. Die wasserspeichernde Wirkung ist aber für unser Land mit dem erheblichen Anteil an Hochgebirge, wo die Naturgesetze härter sind und ihre Mißachtung härter bestraft wird, um so wichtiger, daher das internationale Sprichwort: „Man beherrscht die Wasser, wenn man die Berge schützt", seinen Beweis zur Genüge aus der Negation erhält. Analog gilt dies auch für die Schneemassen des Winters zur Verhütung von Lawinenschäden, wobei allerdings entgegen der oft verbreiteten Meinung festgestellt werden muß, daß auch ein bestehender Wald wohl das Entstehen von Lawinen verhindern, sie aber unter gewissen Umständen nicht mehr zum Stillstand bringen und ihnen sogar selbst zum Opfer fallen kann.

Die zweite Säule des Forstwesens, das Gebot der Nachhaltigkeit, ist ein Erfordernis, welches sich schon aus der erwähnten Tatsache, daß Holz nur am Holz zuwächst, zwangsläufig ergibt, nicht zuletzt auch aus der Verpflichtung, bei Erhaltung der Bodenkraft den Rohstoff beziehungsweise die Nutzungen der Wirtschaft stetig in tunlichst gleicher Höhe bereitzustellen.

Wer erinnert sich aber noch der Schlägerungsund Lieferverpflichtungen des Waldbesitzes zu amtlich festgesetzten Preisen in der Kriegszeit, als das Holz kriegswichtig war, und in der Nachkriegszeit, als es lebenswichtig war? Das Holz ist in seinen Hauptsortimenten industrieller Rohstoff geworden und die Forstwirtschaft in die politisch und konjunkturell wirbelnde Strömung des modernen Industriestaates hineinverstrickt worden.

Diese Verpflichtungen und Belastungen zugunsten der Allgemeinheit im Interesse der Landeskultur durch das Forstgesetz und zivilrechtliche Belange wurden und werden mit dem Vordringlichwerden der Schutzwirkungen immer drückender.

Die finanziellen Verpflichtungen des Staates im Verein mit sozialrechtlichen Maßn-hmen belegen den Waldbesitz mit Lasten und Abgaben in einem bisher nicht gekannten Ausmaß. Es droht somit der naturgemäß langsam produzierenden Forstwirtschaft verstärkt von innen und außen die Beeinträchtigung ihrer Nachhaltigkeit. Mehr und qualitativ besseres und billigeres Holz zu produzieren ist die Forderung der Gegenwart, um gegenüber der Konkurrenz bestehen zu können.

Die Koordinierung dieser vielfältigen, oft einander entgegengesetzten Erfordernisse, die von außen auf die Forstbetriebe einwirken, mit den Lebensgesetzen des Waldes und der Forstbetriebe, ist daher eine Aufgabe, welche man vielfach gern mit dem Ausdruck „dynamische Forstpolitik“ bezeichnet, ohne sich en detail damit und mit den daraus sich ergebenden Auswirkungen zu befassen. In diesem Zwiespalt darf der Waldbesitzer unseres Gebirgsstaates Oesterreich mit ungünstigeren Produktionsbedingungen gegenüber anderswo nicht allein gelassen werden. Daß die Ziele einer praktischen Forstpolitik nicht allein durch gesetzliche Bestimmungen erreicht und verwirklicht werden können, sondern der Weg der Beratung und fördernden Unterstützung gegangen werden muß, versteht sich schon auf Grund der früheren Feststellungen.

Es ist aber im Hinblick auf die bisherigen Ausführungen und das Ergebnis der Waldstandsaufnahme dann auch die Frage, ob die Holzversorgung unseres Landes beziehungsweise unserer Wirtschaft für die Zukunft gesichert ist oder ob eine Gefahr für die dauernde Versorgung gegeben erscheint, berechtigt. Sie kann positiv beantwortet oder eine bestehende Gefahr verneint werden, wenn alle, die es angeht, mithelfen an dem großen Werk der Erhaltung des österreichischen Waldes, und die Forstwirtschaft nicht im Stich gelassen wird.

Die derzeitigen nutzbaren Waldbestände sind das nutzbringende Erbe früherer Geschlechter und doch ein Volksgut unserer Zeit. Die Arbeit der Forstleute und der Waldbesitzer ist eine langfristige. Nur in seltenen Fällen erntet derjenige, welcher sät oder pflanzt, und wer erntet, hat nicht gepflanzt I

Es hat sich der Wald wiederholt als Helfer in der Not erwiesen. Dazu aber will und muß er vorbereitet sein im Sinne des bekannten lateinischen Spruches: „Servą me, servabo te.“

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