Illegal leer geräumte Meere

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Bis zur Hälfte aller Fänge europäischer Fischereiunternehmen sind illegal, beklagen Experten. Entwicklungsländer gehen ihres Grundnahrungsmittels und Tausender Arbeitsplätze verlustig.

Der illegale Fischfang im Atlantischen Ozean hat in den vergangenen zehn Jahren stark zugenommen. Am meisten leiden darunter die Länder Guinea und Sierra Leone, die zu den ärmsten der Welt zählen. Die Fangflotten fahren unter der Flagge Chinas, Russlands, Indonesiens oder Panamas. Aber auch Schiffe mit der Flagge der Europäischen Union (EU) sowie Portugal und Italien sind dabei.

Ein Drittel oder gar die Hälfte aller Fänge europäischer Fischereiunternehmen sind illegal, wie Heike Baumüller berichtet. Die Forscherin im Bereich Umwelt- und Ressourcenmanagement der Londoner Denkfabrik Chatham House geht davon aus, dass der illegale Fischfang bis 2020 zu Verlusten von mehr als 15 Milliarden US-Dollar führt und mehr als 27.000 reguläre Arbeitsplätze vernichtet.

Die Europäische Kommission schätzt ferner, dass rund zehn Prozent der in die EU importierten Fische und Meeresfrüchte, und damit 1,7 Milliarden Dollar, aus illegalen Quellen stammen. Weltweit betragen die Verluste durch den illegalen Fischfang neun bis 24 Milliarden Dollar pro Jahr. Das entspricht zwischen elf und 26 Millionen Tonnen Fisch und damit zwischen zehn und 22 Prozent der gesamten Fischproduktion. Pessimistischen Schätzungen zufolge wird fast ein Viertel des gesamten globalen Fischfangs illegal aus den Gewässern geholt.

Die Industrieländer als Hauptnutznießer

Am meisten illegal gefischt wird in den Hoheitsgewässern von Entwicklungsländern. Besonders betroffen ist die Region, die an den östlichen Zentralatlantik grenzt. Das sind 15 afrikanische Länder von Marokko und Mauretanien im Norden bis Angola im Süden. Guinea verliert nach Angaben des britischen Amts für Internationale Entwicklung (DfID) jährlich 110 Millionen Dollar durch illegalen Fischfang. Laut der Stiftung für Umwelt und Gerechtigkeit (EJF) mit Sitz in London ist Guinea das weltweit am stärksten vom illegalen Fischfang betroffene Land. Es verliert auf diese Weise 34.000 Tonnen Fisch. Dazu kommen rund 10.000 Tonnen ungewollten Beifangs. Nach offiziellen Angaben werden in Guinea auf legale Weise 54.000 Tonnen Fisch gefangen.

„Diese Zahlen sollten die Industrieländer ebenso überraschen wie beschämen“, sagte Saskia Richartz. Die europäische Leiterin des Bereichs Meere der Umweltorganisation Greenpeace erinnerte daran, dass die internationale Gemeinschaft den illegalen Fischfang bis zum Jahr 2004 unterbinden wollte.

2002 entschieden die Staats- und Regierungschefs auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg, unverzüglich nationale und regionale Programme aufzulegen, um den Aktionsplan der Welternährungsorganisation FAO zu unterstützen, illegalen Fischfang bis 2004 zu verhindern und zu beseitigen. Bis heute habe sich nicht viel getan, kritisierte Richartz. Auch gebe es keine internationalen Verfahren, um die schwarzen Schafe zu bestrafen. „Für die Unternehmen ist es einfach, ihren illegalen Fang mit an Land zu bringen. Kontrollen an den Häfen sind selten oder gar nicht vorhanden“, erklärte Richartz weiter. Auch würden die schwarzen Schafe nur selten strafrechtlich verfolgt.

Greenpeace gibt jedes Jahr eine schwarze Liste heraus, auf der sie Schiffe und Fischereiunternehmen auflistet, die verdächtigt werden, illegal zu fischen. Im Gegensatz zu anderen Listen, die sich auf die Namen chinesischer, russischer, panamaischer, tunesischer oder indonesischer Übeltäter beschränken, entlarvt Greenpeace auch diejenigen aus Japan, Portugal, Italien und anderen Industriestaaten.

Überwachungskameras für Fischer

In Ghana wiederum unterstützen kleine Fischer die Behörden im Kampf gegen kriminelle Trawler (Schleppnetzfischer). Mit Kameras und Aufnahmegeräten ausgerüstet sollen sie illegale Fangpraktiken und das unerlaubte Eindringen großer Fangflotten in verbotene Gewässer dokumentieren, um damit die Einhaltung nationaler Gesetze zu erzwingen.

Im Sommer letzten Jahres hatte Ghanas Fischereibehörde vor dem Zusammenbruch der Fischereiindustrie gewarnt, die derzeit 1,8 Millionen Menschen ernährt. 36 Prozent des lokalen Fischbedarfs muss jedoch bereits mit Importen im Wert von jährlich 250 Millionen US-Dollar gedeckt werden.

Wie der Vorsitzende von Ghanas Fischereikommission Mike Kwabena Akyeampong erklärte, fehlt es aber an staatlichen Geldern für Kontrollboote und Personal, um die ghanaischen Küsten Tag und Nacht zu überwachen. Mit dem Einsatz einheimischer Fischer können diese Defizite zumindest zum Teil geschlossen werden.

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