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Imponieren durch grüne Stärke

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Die Debatte über das Agrarbudget 1971 im Nationalrat sah die Bauern-bundabgeordneten im Vorteil, weil ihnen Bundeskanzler Kreisky, gleichsam als Weihnachtsgeschenk, einen späten, aber sehr wirkungsvollen Triumph bescherte. Die Budgeteinigung zwischen SPÖ und FPÖ kostete nämlich den Finanzminister rund 850 Millionen Schilling, so daß Doktor Androsch gezwungen wurde, die Ermessenskredite um drei Prozent zu kürzen. Von dieser Kürzung blieb auch der Grüne Plan 1971, die Säule der österreichischen Agrar-förderung, nicht verschont. Der ursprünglich im Finanz- und Bud-getausschuß beschlossene Betrag von 810 Millionen Schilling wurde auf rund 786 Millionen Schilling (1970: 780 Millionen) reduziert. Gegen einen Grünen Plan mit 810 Millionen Schilling konnte kaum ein sachliches Argument vorgebracht werden. Nach dieser Verminderung der Mittel für den Grünen Plan steht dieser aber auf sehr wackeligen Beinen, weil dadurch die Bereitstellung der notwendigen Gelder für die Zinsverbilligung der Agrarinvesti-tionskredite — das Kreditvolumen wurde um 200 Millionen Schilling auf 1,4 Milliarden Schilling aufgestockt — schwierig ist. Die Verminderung der Mittel des Grünen Planes von 810 Millionen Schilling auf 786 Millionen Schilling traf auch den sozialistischen Arbeits-bauernbund ins Mark, denn dieser posaunte in den vergangenen Wochen nicht ohne Stolz die „Rekorddotierung“ in die bäuerliche Bevölkerung. Der Hinweis, daß im „Konjunktur-ausgleichsvoranschilag 1971“ für den Grünen Plan weitere 151 Millionen Schilling, für die Landwirtschaft insgesamt sogar 430 Mülionen Schilling, vorgesehen sind, wirkt in Anbetracht der zufriedenstellenden Konjunkturlage und des angespannten Staatshaushaltes nicht sehr glaubwürdig.

Der Präsident des österreichischen Bauernbundes, Roland Minkowitsch, versäumte es daher nicht, im Na-tionalrat der Regierung Kreisky den „agrarpolitischen Sündenkatalog“ vor Augen zu führen. Er erwähnte, kaum unterbrochen von Zwischenrufen, die geplante Dieselölpreiserhöhung — sie wird die Landwirtschaft mit rund 250 Millionen Schilling belasten —, die Senkung der Umsatzsteuer für Margarine, die Verlängerung der Weinsondersteuer sowie die Kürzung der Budgetmittel für den Düngemittelpreisausgleich um 163,5 Millionen Schilling auf etwa 80 Mülionen Schilling. Unter diesen Aspekten hatte es auch die FPÖ, die noch nie einem Agrarbudget zustimmte, schwer, das Ja zum Grünen Plan 1971 zu motivieren. Daß der Freiheitlichen Partei die kleine Wahlrechtsreform wichtiger war als die Wahrung bäuerlicher Interessen, kam freilich nur dosiert — die ÖVP ist trotz aller Erfahrungen an einem guten Einvernehmen mit der FPÖ interessiert — zur Sprache.

Während es zwischen SPÖ und ÖVP in Fragen des Agrarbudgets keine Annäherung gab, wurde, was die in den letzten Monaten heiß umkämpfte Marktordnung betrifft, eine Einigung zwischen allen drei Parteien erzielt. Das Marktordnungsgesetz sowie das Landwirtschaftsgesetz werden einstimmig, aber nur auf ein weiteres Jahr, verlängert werden. Vorher mußten freilich der Gewerkschaftsbund und die Arbeiterkammern einen gewaltigen Rückzieher machen: Die von diesen Interessenvertretungen geforderte Zweidrittel-Mehrheitsabstimmung — in den Fonds sind Arbeiterkammer, Bundeswirtschaftskammer und die Präsidentenkonferenz paritätisch mit je neun Delegierten vertreten — wird nicht eingeführt, die Vierfünftel-mehrheit bleibt also in Kraft. Der Aufnahme des Gewerkschaftsbundes in den Milchwirtschafts-, Getreidewirtschafts- und Viehverkehrsfonds wurde ebenfalls nicht/ zugestimmt, die agrarischen Interessen setzten sich durch. Das Marktordnungs- und Landwirtschaftsgesetz wird daher in wichtigen Bestimmungen unverändert um ein Jahr verlängert werden, obwohl der Bauernbund eine unbefristete Verlängerung forderte. LandwirtsAaftsminister Dr. Weihs meinte aber hiezu, daß ein Jahr dem „Verhandlungstempo über eine moderne Reform der Marktordnung sicherlich förderlich sein werde“. Präsident Minkowitsch stellte aber im Plenum des Nationalrates erbost fest, daß die „Drohungen und Junk-timierungen Dr. Kreiskys, welche die Lebensfrage der österreichischen Landwirtschaft so gerne als Faustpfand mißbrauchen, auch mannigfache Auswirkungen auf die Konsumentenschaft haben.“ Mit der Verabschiedung des Agrarbudgets und der Verlängerung der Marktordnung dürfte der schon über ein halbes Jahr dauernde „Krieg“ mit Landwirtschaftsminister Doktor Weihs ein vorläufiges Ende haben, ganz ohne Auseinandersetzungen wird es aber auch in den kommenden Wochen nicht gehen: So richtete der Niederösterreichische Bauernbund — mit 180.000 Mitgliedern die stärkste Lamdesorganisation — an seine Mitglieder einen Aufruf, ihn durch finanzielle Spenden im Kampf um die Sicherung der materiellen Existenz der Bauernschaft zu unterstützen. Das „Aktionskomitee“ des österreichischen Bauernbundes besteht ebenfalls weiter, getreu dem Prinzip durch Stärke.

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