In Netzwerken auf Sinnsuche

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Nichts bleibt wie es war. Zu diesem Ergebnis kam ein Arbeitskreis, der sich auf die Suche nach einer neuen Wirtschaftsordnung mit neuen Werten begeben hat.

Große Baustellen sorgen oft für Verkehrschaos: Stoppschilder, die plötzlich stehen, wo vorher keine waren; gesperrte Fahrspuren und Umleitungen, die die Autofahrer verwirren - keiner weiß so genau, wo er fahren soll und wo nicht.

Der Wirtschaft gehe es derzeit ähnlich: Orientierungslosigkeit habe sich breit gemacht. Zu diesem Ergebnis kam vergangene Woche der Föhrenberg-Kreis, eine Gemeinschaft von Unternehmern, Politikern und Universitätslehrern, die sich mit Veränderung und Zukunft gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen befassen. Ort der Veranstaltung: das "Haus der Industrie", direkt an der großen Baustelle am Wiener Schwarzenbergplatz.

Blick in die Zukunft

Derzeit seien die Märkte, wie sie seit jeher strukturiert waren, dabei sich aufzulösen. Die Zukunft gehöre dem Netzwerk. So lauten jedenfalls die Aussagen des Arbeitskreises, der sich fast zwei Jahre lang mit der "Spurensuche nach einer neuen Wirtschaftsordnung" beschäftigt hat. Schuld an der Notwendigkeit dieser Suche sei die Tatsache, dass alle bekannten Wirtschaftssysteme entweder veraltet seien oder sich selbst ad absurdum geführt hätten, erklärten die Experten, darunter der Vorstandsvorsitzende der Austro Control, Christoph Baubin, die Universitätsprofessoren Helmut Karner und Stefan Schleicher sowie der Vorstand der Firma Achammer-Tritthart, Christoph Achammer.

Eine Antwort auf Herausforderungen der Globalisierung gebe keines der bisherigen Systeme. So sei nicht nur der Marktplatz in seiner alten Form als Ort der Begegnung von Angebot und Nachfrage am Ende, konstatierte Baubin. Vielmehr sei an seine Stelle das Internet getreten, das Anbieter und Nachfrager weltweit virtuell vereine. Und auf Seiten der Anbieter herrsche nicht mehr der früher übliche Konkurrenzkampf, der so lange dauerte, bis ein Unternehmen als Sieger - als Monopolist - übrig blieb. Vielmehr sei die neue Strategie die Vernetzung großer Firmen untereinander, wie es zum Beispiel die Autoindustrie mit "Covisint" demonstriere: Diese Einkaufsplattform vereint die bedeutendsten Unternehmen des Automobilsektors in einem gemeinsamen Netz.

Die zukünftige Gesellschaft stelle sich folglich als Netzwerk zahlreicher Mitspieler dar: Staat, Wirtschaft, Bürgergesellschaft, Kirche, Familie und Non Profit Organisationen. War bisher jedoch der Staat das Zentrum, so werde ihm künftig nur noch die Rolle eines gleichberechtigten "Knotens" im Netz zukommen, waren sich die Wirtschaftsexperten einig. Er verliere somit die Rolle eines Regulators, der Inhalt und Richtung der Wirtschaft vorgeben könne. "Der Markt ist das einzige Instrument zur Steigerung der Effizienz, also zur Lösung der Frage, wie Dinge am besten gemacht werden sollten", betonte Christoph Achammer. Aber er sei nicht in der Lage, auch die Effektivität, die Frage, was denn überhaupt richtig sei, zu lösen. Letztere sei bestimmt von den Werten einer Gesellschaft. Und die müssten, da der Staat ja nicht mehr in der Lage sei, sie vorzugeben, in Form eines Konsenses gefunden werden, forderte der Arbeitskreis.

Als außenstehender Experte zu Frage der Ethik nahm auch der Probst von Stift Herzogenburg und Vorsitzende der niederösterreichischen Ethik-Konferenz, Maximilian Fürnsinn, an der Zusammenkunft teil. Zum Ruf nach Ethik in der Wirtschaft meinte er: "Die Frage ist doch, woher man sie nehmen soll. Ist das die christliche Ethik? Oder die isalmische? Oder die Ethik der französischen Revolution?" Am Beispiel der Irak-Krise werde deutlich, in welch unterschiedlichen Kategorien die USA und Europa dächten. "Durch die Globalisierung wird dieses Zusammenprallen von verschiedenen Kulturen immer stärker."

Als Ausweg aus dieser "Orientierungslosigkeit" schlugen die Föhrenberg-Kreis-Mitglieder die Etablierung des Projektes Weltethos in der Wirtschaft vor - ein Ansinnen, dem Fürnsinn einiges abgewinnen kann: "Der Mensch muss in den Mittelpunkt gestellt werden. Und das Weltethos geht in diese Richtung."

Einen Grundkonsens finden

Das Projekt Weltethos, das die ethischen Grundlagen der großen Weltreligionen in vier Prinzipien (Gewaltlosigkeit und Ehrfurcht vor dem Leben, Solidarität und gerechte Wirtschaftsordnung, Toleranz und Wahrhaftigkeit, Gleichberechtigung und die Partnerschaft von Mann und Frau) vereint, "trifft jedenfalls in ganz entscheidenden Punkte den Kern des Problems. Wenn man sich darauf einigen könnte, wäre das ein hervorragender Weg" (Fürnsinn).

Hinter der Suche nach Ethik stünden jedoch viel tiefer gehende Fragen: "Die Suche nach dem Sinn, nach Spiritualität, nach Religion. Ethik ist da nur ein Hilfsbegriff, eine Art Scharnier zwischen Fundament und Praxis." Diese essenziellen Fragen müssten auch in der Wirtschaft gestellt werden. Denn: "Man kann nicht in den roten Zahlen arbeiten, wenn es um Sinn geht."

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