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Ins westliche System integrieren

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Eine echte Neutralität wäre die teuerste, sie ist jedoch nicht die bestmögliche Form der Absicherung für Osterreich.

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Eine echte Neutralität wäre die teuerste, sie ist jedoch nicht die bestmögliche Form der Absicherung für Osterreich.

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Seit der einstimmigen Verankerung der Umfassenden Landesverteidigung und der Entschließung des Nationalrates zur Verteidigungsdoktrin im Juni 1975 ist es eines der grundlegenden festgelegten Ziele österreichischer Politik, ein vermehrtes Maß an Sicherheit für Osterreich im inneren, wie auch im internationalen Bereich zu erlangen. Durch den Beitritt zur Europäischen Union (EU) und den Beobachterstatus bei der Westeuropäischen Union (WEU) bekundet die Republik auch ihre Bereitschaft, an der Gestaltung der gegenwärtigen Sicherheitsarchitektur und am angestrebten Sicherheitssystem der genannten Institutionen als Vertragspartner mitzuwirken.

Diese Grundintention österreichischer Politik wird auch durch die Ergebnisse von Umfragen unterstützt. Für einen hohen Anteil der österreichischen Bevölkerung steht Gewährleistung von Sicherheit weit oben auf der allgemein anerkannten Werteskala; wenn hier darunter auch oft innere Sicherheit alleine verstanden wird. Die Produktion und Gewährleistung von Sicherheit war und ist einer der wesentlichen Faktoren europäischer Integration, sei es auf politischer und wirtschaftlicher Ebene die EU (früher die EWG, EG), sei es im militärischen Bereich vornehmlich die NATO; die WEU ist hingegen ein erst seit der grundlegenden Änderung der sicherheitspolitischen Lage in Europa wieder zur Geltung gelangtes militärisches Instrumentarium.

Der vorwiegend von den Amerikanern getragene NATO-Kooperations-rat (NACC) und die Partnerschaft für den Frieden (PfP) können das unterschiedliche Maß an Sicherheit zwischen dem integrierten Westeuropa und der östlichen Hälfte Europas derzeit nicht aufheben. Unbestrittene Voraussetzung für das Bestehen von Sicherheit im internationalen System ist politische und strategische Stabilität. Wesentlich für die strategische Stabilität in Europa ist die Ausgewogenheit konventioneller Streitkräfte in der Region und das (nuklear) strategische Gleichgewicht zwischen den USA und Rußland.

Dies bedeutet, daß trotz „Charta von Paris”, in welcher die Europäer den Anspruch deklarierten, künftig ihre eigenen Angelegenheiten selbst regeln zu wollen, eine militärische Mindestpräsenz der USA in Europa weiterhin unerläßlich ist. Insbesondere gilt dies für die Gewährleistung von „extended deterrence” für Europa gegenüber Rußland (erst kürzlich erklärte der führende russische Nuklearspezialist Nefedov in den USA, die Vernichtung der nuklearen Waffen würde die Welt nicht sicherer machen, außerdem wären Nuklearwaffen weitaus kostengünstiger als konventionelle Rüstung).

Neutrales Zusehen schwächt das System gleicher Sicherheit Die Sicherheit der militärischen Pattstellung im Ost-Westgegensatz ist in den letzten Jahren durch die Unsicherheiten eines nicht strukturierten Systems zwischen des Staaten Ost- und Südeuropas abgelöst worden. Die Gewährleistung von Sicherheit und Stabilität und deren Absicherung nach außen erfordert in der EU die aktive Beteiligung aller Staaten. Neutrales

Zusehen schwächt das System gemeinsamer, gleicher Sicherheit gerade in bezug auf Österreich an einem sehr neuralgischen Punkt:

Die aktive Teilnahme Österreichs am westlichen Sicherheitssystem führt zu vermehrter Sicherheit in der Regi-on Mitteleuropa und stabilisiert damit auch die angrenzenden Zonen der politischen Instabilität. Die Absicherung der österreichischen Interessen ist nur durch aktive Beteiligung und damit auch Mitgestaltung und nicht neutrales Desinteresse zu erreichen.

Es steht außer Zweifel, daß im Falle militärischer aber auch anderer Bedrohungen die volle Teilnahme Österreichs am westlichen Sicherheitssystem erhöhte Abhalte- und Abschreckungswirkung bedeutet; autonome Beaktion allein wird auch die Kosten-Nutzen-Rechnung beachten müssen, wie zum Beispiel in der Frage einer Raketenabwehr und der Luftabwehr.

Eine auf Neutralität basierende ernsthafte und daher militärisch strukturierte und instrumentalisierte Sicherheitspolitik ist die teuerste, aber nicht bestmöglichste Form der militärisch-machtpolitischen Absicherung eines Staates, da sie nur gegenüber bestimmten militärisch-machtpolitischen Bedrohungen wirkt. Neutralität an und für sich bewahrt nicht vor einer von vornherein gegen die Neutralen gerichtete Aggression; das Heraushalten eines neutralen Staates aus dem Krieg anderer im eigenen Umfeld ist nur unter ganz spezifischen Rahmenbedingungen möglich; diese Rahmenbedingungen sind entscheidend für einen entsprechenden Erfolg und nicht der Status der Neutralität. Neutralität beziehungsweise eine darauf basierende Sicherheitspolitik versagt gegenüber neuen machtpolitischen Bedrohungen.

Neutralität erlaubt gegenüber Bedrohungen lediglich Beagieren; die Neutralität bildet also den (unzulänglichen) Rahmen für die Verteidigungspolitik, aber nicht für eine umfassende vorbeugende Sicherheitspolitik. Neutralität schränkt den internationalen Handlungsspielraum des Neutralen maßgeblich ein.

Es liegt sicher im Interesse Österreichs, an einer Stärkung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit Europas (OSZE) mitzuwirken. Die OSZE versucht durch Vertiefung und Verbreiterung (umfassende Mitgliedschaft, Wertekonsens) auf die Herausforderungen der Krisenprävention, Kooperation und Vertrauensbildung zu reagieren. Sie ist jedoch auf

Grund ihrer Konstruktion nur beschränkt handlungsfähig und wegen ihrer hohen (54) und heterogenen Mitgliederanzahl nicht zur Konfliktunterdrückung in der Lage.

Die NATO bleibt die entscheidende Organisation für die Sicherheit Europas

NATO und im begrenzten Ausmaß die WEU sind die tatsächlich vorhandenen Instrumente militärischer und politischer Sicherheit in West- und Mitteleuropa. Die NATO ist im Vergleich zu OSZE, EU/WEU die für die Sicherheit Europas noch lange entscheidende internationale Organisation. Die „Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik” (GASP) der EU ist Programm und Projekt, noch nicht Realität. Österreich erklärte jedoch die volle Teilnahme an der GASP, das heißt, daß sich Österreich an der Realität der GASP nach der Regierungskonferenz 1996 voll beteiligt. Österreich ist integraler Bestandteil der EU und muß von dort her seine sicherheitspolitische Rolle nunmehr definieren.

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