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Integration und „Grüner Plan“

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Auch für den Nichtfachmann ist der Wandel, in dem sich die österreichische Land- und Forstwirtschaft befindet, nicht zu übersehen. Daß der Augenschein nicht trügt, bezeugen die Ergebnisse der amtlichen Statistik. Die Zahl der Berufstätigen in der Land- und Forstwirtschaft geht ständig zurück, die Mechanisierung macht große Fortschritte, Produktion und Produktivität haben ein beachtliches Ausmaß erreicht. Im Jahre 1963 gab es in der österreichischen Agrarwirtschaft um 187.000 vollbeschäftigte Arbeitskräfte weniger als noch im Durchschnitt der Jahre 1952/56. Im selben Zeitraum aber ist die Arbeitsproduktivität um fast 70 Prozent angestiegen.

Die Bewältigung dieses Umstellungsprozesses von nie zuvor dagewesenem Ausmaß stellt hohe Anforderungen an Bauerntum und Landwirtschaft und damit auch an die Agrarpolitik unserer Zeit. Naturgegebene Produktionsgrundlagen, wie Boden- und Klimaverhältnisse, lassen sich nicht oder kaum beeinflussen. Historisch gewachsene Wirtschaftsformen und Betriebsgrößen können nur allmählich, unter großen Anstrengungen und hohen Aufwendungen, verändert werden. Die Anpassung der Land- und Forstwirtschaft an die Erfordernisse der Industriegesellschaft stößt daher überall auf Schwierigkeiten, die in Österreich noch durch den großen Anteil des Bergbauerngebietes an der gesamten Wirtschaftsfläche verstärkt werden. Trotzdem konnten, nicht zuletzt auf Grund der Bestrebungen des Landwirtschaftsgesetzes, in den vergangenen Jahren erhebliche Fortschritte erzielt werden, die nicht nur der Land- und Forstwirtschaft, sondern der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft zugute kommen. Gleichzeitig dienen alle auf Grund des Landwirtschaftsgesetzes und der „Grünen Pläne“ vorgenommenen und in die Wege geleiteten Maßnahmen auch der Integrationsvorbereitung unserer Agrarwirtschaft. Alle diese Maßnahmen verfolgen weitgehend dieselbe Zielsetzung wie die Agrargesetzgebung unserer Nachbarstaaten und — was von besonderer Wichtigkeit ist — wie die gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.

Durch die am 15. Juli 1964 vom Nationalrat beschlossene Verlängerung des Landwirtschaftsgesetzes bis 30. Juni 1967 kann das Arbeitsprogramm der österreichischen Landwirtschaft, das durch die „Grünen Pläne“ der vergangenen Jahre erfolgreich in Angriff genommen worden ist, weiter fortgeführt und ausgebaut werden. Der „Grüne Bericht“, der die Lage der österreichischen Land- und Forstwirtschaft im Jahre 1963 auf zeigt, ist bereits fertiggestellt und wird termingerecht am 15. September der Bundesregierung vorliegen. Die Vorschläge für den „Grünen Be-

richt“ und den „Grünen Plan“ werden heuer zum fünftenmal durch die Bundesregierung dem Nationalrat zugeleitet werden.

Zur richtigen Beurteilung der Erfolge, die bisher durch das Landwirtschaftsgesetz und die „Grünen Pläne“ erzielt werden konnten, muß man sich die Aufgaben dieses Gesetzes in Erinnerung rufen. Der in Paragraph 2 genau umrissene Zweck des Gesetzes ist es, • einen wirtschaftlich gesunden Bauernstand zu erhalten, der Landwirtschaft und den in der Landwirtschaft beschäftigten Personen die Teilnahme an der fortschreitenden Entwicklung der österreichischen Volkswirtschaft zu sichern, • die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft insbesondere auch durch strukturelle Maßnahmen zu erhöhen und

• die Landwirtschaft unter Bedachtnahme auf die Gesamtwirtschaft und die Interessen der Verbraucher zu fördern, damit sie imstande ist, naturbedingte Nachteile gegenüber anderen Wirtschaftszweigen auszugleichen, die wirtschaftliche Lage der in ihr Tätigen zu verbessern und der Bevölkerung die bestmögliche Versorgung mit Lebensmitteln zu sichern.

Es war auch von vornherein beabsichtigt, bei Vollziehung des Gesetzes die Bergbauernbetriebe besonders zu berücksichtigen.

Die drei „Grünen Pläne“, die bisher voll zogen wurden, haben der Zielsetzung des Landwirtschaftsgesetzes eindeutig Rechnung getragen. Mit ihrer Hilfe ist es zum Beispiel gelungen, 1529 Kilometer Güterwege zu bauen und dadurch 6550 landwirtschaftliche Betriebe an das Verkehrsnetz anzuschließen. Allerdings gibt es noch immer rund 48.000 Betriebe, die dem modernen Verkehr noch nicht erschlossen sind. Das ist nur ein Beispiel für die großen Aufgaben, die die „Grünen Pläne“

auch in den kommenden Jahren noch zu erfüllen haben werden.

Für 23.213 land- und forstwirtschaftliche Anwesen wurde in der Zeit zwischen 1961 und 1963 auf Grund der Bestrebungen des Landwirtschaftsgesetzes die Elektrifizierung beziehungsweise Vollelektrifizierung erreicht, die in der Zeit der Mechanisierung und des Arbeitskräftemangels eine große Rolle spielt. Rund 12.000 Hektar Grund und Boden wurden der Kultivierung unterzogen und weitere 12.000 Hektar Grenzertragsböden auf geforstet. Durch die Umstellungsaktion, die jeweils einer längeren Laufzeit bedarf, wurden nahezu 16.000 Betriebe erfaßt. Rund 11.600 Hektar konnten für die Aufstockung von 4200 Betrieben beschafft werden. Für die Landarbeiter wurden an die 5000 Eigenheime und Dienstwohnungen errichtet.

Zinsverbilligte Agrar-Investitionskredite in einem Ausmaß von insgesamt mehr als zwei Milliarden Schilling wurden in den vergangenen drei Jahren an über 46.000 land- und forstwirtschaftliche Darlehensnehmer vergeben. Sie haben maßgeblich zur Intensivierung der bäuerlichen Selbsthilfemaßnahmen beigetragen.

Landwirtschaftsgesetz und „Grüne Pläne“ sind zu einem unentbehrlichen Instrument der Agrarpolitik und der Integrationsvorbereitung geworden. Sie tragen maßgeblich zur Vorbereitung der österreichischen Land- und Forstwirtschaft auf den verschärften Konkurrenzkampf in einer integrierten Großraumwirtschaft bei, in der sich — wie wir zuversichtlich erwarten — auch der österreichische Bergbauer behaupten können wird. Gerade für Vieh und Holz, die Haupterzeugnisse des Bergbauerngebietes, sind ja im europäischen Wirtschaftsraum günstige Preis- und Absatzaussichten vorhanden.

Die bisherigen Maßnahmen der Agrargesetzgebung haben in der Aufgeschlossenheit und Unternehmerinitiative der bäuerlichen Bevölkerung eine wirksame Resonanz gefunden. Der österreichische Bauer von heute und vor allem die fortschrittliche, geschulte junge Bauerngeneration geben uns die beste Gewähr dafür, daß sich Österreichs Land- und Forstwirtschaft auch in einem größeren Wirtschaftsraum behaupten wird.

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