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Irrtümer verdunkeln berechtigte Anliegen

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Die Budgetmisere muß als „Vorwand für unsoziales Sparen” herhalten, schrieb der Geschäftsführer des katholischen Familienverbandes der Erzdiözese Wien in der FURCHE Nr. 34/1997.

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Die Budgetmisere muß als „Vorwand für unsoziales Sparen” herhalten, schrieb der Geschäftsführer des katholischen Familienverbandes der Erzdiözese Wien in der FURCHE Nr. 34/1997.

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Warum ist ein so dringendes Anliegen wie die fällige Korrektur der fehlkonzipierten vergangenen Sparpakete oder die viel diskutierte Entlastung der menschlichen Arbeit über Steuern und Sozialbeiträge durch eine höhere Besteuerung bestimmter Ressourcen oder eine etwaige höhere steuerliche Belastung von kurzfristigen (spekulativen) Geldern (,,'I obin-Steuer”) mit einer solchen Flut volkswirtschaftlichen Unverstandes so zugedeckt?

Glaubt der Geschäftsführer des katholischen Familienverbandes der Erzdiözese Wien wirklich, daß die österreichische Bundesregierung unbedingt die Opfer fiskalischer Sparmaßnahmen treffen wollte und sich dafür einen Vorwand gesucht und diesen schließlich bei der rasch zunehmenden Verschuldung des Bundes (endlich) gefunden hat?

Gibt es tatsächlich Österreicher, die annehmen, daß die steigende Belastung aus der rasch wachsenden Staatsverschuldung nur ein Vorwand, nicht aber das wirkliche Motiv für die so wenig sozial ausgewogenen Kürzungen von Budgetausgaben gewesen sind?

Dann fragt der Autor, warum Geld-verleiher „auf Kosten von Kreditnehmern (so viel) verdienen müssen”? Wer denn andere als die Kreditnehmer sollten es denn sein, die für diese Kosten aufzukommen haben? Die Kreditzinsen sind der Preis für die Kreditinanspruchnahme. Ist die Kreditnachfrage groß und sind die Ersparnisse knapp, so wird der Kredit relativ teuer; sind die verfügbaren Ersparnisse reichlich und ist die Kreditnachfrage gering, so wird in der Regel der Kredit billig sein. Ein Weg zur Verbilligung wäre zum Beispiel eine Verringerung der Kreditnachfrage der öffentlichen Hand und ein höherer Grad des Wettbewerbs zwischen den Anbietern von Krediten. Die steigende Zinsempfindlichkeit des breiteren Publikums auch in Österreich zeigt sich in einem immer weiteren Ausweichen in höher verzinsliche Anlagen.

Der Gipfel des ökonomischen Unverstandes ist die Meinung: „Geld ist genug da”, um damit die Budgetlöcher finanzieren zu können und fiskalische Sparpakete überflüssig zu machen. Dies wird damit begründet, daß der Gesamtverschuldung der Gebietskörperschaften zu Jahresende 1996 in der Höhe von 1.692 Milliarden Schilling zum selben Zeitpunkt ein privates Geldvermögen von etwa 3.950 Milliarden Schilling gegenüber steht, das heißt eine öffentliche ProKopf Verschuldung von 210.300 Schilling, also ein privates Pro-Kopf-Geldvermögen von 491.000 Schilling! Daß dies in den Medien „verschämt verschwiegen wird”, ist ganz neu: Die Wohlstandssteigerung gehört mit Recht zu den immer wieder genannten Erfolgen der österreichischen Wirtschafts- und Sozialpolitik.

Dunkle Zukunft

Welcher Zukunft würden wir entgegengehen, würde der Forderung des Autors gefolgt und das private Geld-vermögen zur Finanzierung budgetä-rer Fehldispositionen herangezogen!

Das private Geldvermögen wird in seinen quantitativen Dimensionen von der Österreichischen Nationalbank aus der Statistik der Kreditinstitute geschätzt. Es setzt sich als dem größten Anteil aus den Spareinlagen von Nichtbanken (rund 1,5 Milliarden Schillung-),aus den gekauften Anleihen, aus dem Sparen in Form von Prämien Ufa zusätzliche ,Risken-deckung fürKrankheit und Altersvorsorge, der Zeichnung von Anteilen für Investmentfonds, die der Finanzierung von Investitionen dienen, wie auch indirekt allen anderen bisher genannten Spartätigkeiten zusammen.

Zum privaten Geldvermögen zählen auch die privaten Sichteinlagen und der private Bargeldumlauf, die beide eine unersetzliche Voraussetzung jeglichen arbeitsteiligen Umganges mit den knappen Ressourcen in den Unternehmungen und Haushalten sind.

Welche dieser Sparformen sollten zur Füllung von Budgetlücken wohl teilweise enteignet werden? Wie kann man überhaupt annehmen, daß die Bildung solcher privater Vermögen zur Finanzierung von Budgetlücken herangezogen werden sollte? Die ganze Idee der „Sparpakete” beruht auf dem Mißverständnis, konzeptlose Ausgabenkürzungen könnten längerfristige Systemdefekte reparieren. Was der Autor offenbar aber will, ist, die nicht wirklich behobenen Systemdefekte durch neue Systemdefekte zu reparieren: durch ebenso unüberlegte Störungen in anderen Subsystemen der Geldvermögensbildung, die nicht weniger wichtig sind als das ganze System der Staatsfman-zierung.

Was schlägt der Autor wirklich vor? Sollte der Staat den Käufern von Staatsanleihen etwa, die sein Defizit finanzieren, einen Teil ihrer Papiere wieder wegnehmen, um daraus ihre eigene Verzinsung zu finanzieren? Oder sollte der Staat, der die Budgets durch eine Kürzung seiner Steuerzuschüsse zur Gebarung der Pensionsversicherungsanstalten entlasten will, die Sparer in Pensionsfonds, die einer Kürzung späterer Alterssicherung vorbeugen sollen, über diese Ersparnisse stückweise enteignen?

Wie viele „über der Reichtumsgrenze” (?) wird es bald in Österreich geben, wenn das private Geldvermögen zur laufenden Defizitdeckung herangezogen würde? Die Identifizierung von privatem Geldvermögen übersieht offenbar den Umstand, daß wirklicher Reichtum weniger durch Geldvermögen und Verzinsung als durch Realvermögen und seine Erträge entsteht. Kann man - bei aller kreditwürdigen Verteilung der Budgetsanierungslasten - aber wirklich behaupten, daß es immer und nur Menschen unter der Armutsgrenze gewesen-sind, die ihre Opfer waren?

Fehleinschätzungen

Warum darf „bei allem Gejammere über die wachsende Staatsverschuldung [...] nicht vergessen werden, daß Staatsschuldenausschuß und Nationalbank für 1996 von 200 Milliarden Schilling neu gebildeten privaten Geldvermögens sprechen bei 197,5 Milliarden Schilling Neuverschuldung”? Könnte eine weniger erfolgreiche private Ersparnisbildung auf längere Sicht wirklich dazu beitragen, daß eine rasch steigende Bedienung der Staatsschuld immer mehr Steuergelder benötigt, die andernfalls neuen Staatsausgaben zugute kommen würden?

Dieser Beitrag vertritt sehr berechtigte Anliegen, für die sich auch die furche laufend einsetzt, nicht zuletzt, was die Verteilung von Budget -und Familienlasten betrifft.

Würden diese berechtigten Anliegen ohne Belastung durch solche überflüssigen Fehlleistungen nicht doch deutlicher und überzeugender hervortreten?

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