IWF: Die Marginalsierung Europas

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Die EU-Staaten sollen auf Einfluss im Internationalen Währungsfonds verzichten, gerade in einer Zeit, in welcher der IWF aufgewertet wird. Das würde auf Dauer vornehmlich den USA und China zugutekommen, die überproportional an Macht gewinnen. Doch dagegen gibt es nun Protest.

Er hat noch nichts an Aktualität verloren, der fliegende Schuh. 2008 sind zwei Protestschlüpfer eines irakischen Journalisten in Bagdad Richtung US-Präsident Bush gesegelt und neben dem mächtigsten Mann der Welt gegen die Wand geknallt. Vergangene Woche flog im türkischen Istanbul ein Sportschuh des Widerstandes, geworfen von einem Studenten, dem Chef des Internationalen Währungsfonds Dominique Strauss-Kahn vor die Füße: „Verschwinde, du IWF-Dieb.“ Szenen einer Herbsttagung des IWF in der türkischen Metropole, wo der Währungsfonds seinen 65. Geburtstag feiert.

Der IWF, 1944 mit dem Ziel gegründet, die Stabilität der Währungen zu sichern und gemeinsam mit der Weltbank den Aufschwung der Entwicklungsländer zu stützen, ist eine der unstrittensten globalen Institutionen. Dass dieser in den vergangenen Jahren für viele der mit Sparkurs und Wirtschaftsprogrammen beglückten Zielländer nicht gerade segensreich verlief, bestätigt selbst IWF-Chef Strauss-Kahn.

Doch die Fehler der Vergangenheit sollen künftig vermieden werden, der IWF aus seiner Erstarrung des Regelwerks des „Washington Consensus“ (Konferenz, nach deren neoliberalen Vorgaben sich der IWF richtete) erwachen.

Es ist die Folge der Weltwirtschaftskrise, die den IWF zu „dem“ weltweiten Überwachungsorgan machen sollte. Sein Budget wurde in einzelnen Bereichen um über das Zehnfache aufgestockt. 2005 verfügte er schon über 267 Milliarden Euro an sogenannten „Ziehungsrechten“, 2011 sollen es sogar 750 Milliarden werden. (Damit können Staaten über ihre Notenbanken nationale Währungen in „stabile“ Devisen, beispielsweise Euro oder Dollar, wechseln). Der IWF ist es, der laut den G20-Beschlüssen von Pittsburgh gemeinsam mit dem Financial Stability Board die Leitlinien für ein globales Überwachungssystem vorgeben sollte.

Europa in der Ziehung

Europa war seit der Gründung des IWF ein braver Beitragszahler. Vor allem Deutschland, Großbritannien und Frankreich kommen gemäß der ihnen zugeordneten Quote neben den USA und Japan für einen Gutteil des Budgets auf. Deshalb halten sie gemeinsam mit den USA auch 49 Prozent der Stimmrechte im Leitungsgremium des Fonds und damit eine Sperrminorität. Nun haben die USA in Pittsburgh die Zusage erreicht, dass die Europäer im Rahmen des IWF zugunsten aufstrebender Schwellenländer auf fünf bis sieben Prozent ihrer Stimmrechte verzichten könnten. „Die Europäer akzeptieren immer mehr, dass sich die Welt verändert hat“, meint lobend IWF-Chef Strauss-Kahn.

Doch die mahnenden Stimmen häufen sich. Zunächst weil es Europa ist, das seit Beginn der Krise für mehr Kontrolle der Internationalen Märkte eintritt. Warum also die eigene Position schwächen zugunsten der „neoliberalen“ amerikanischen und der globalen chinesischen Interessen?

Der Präsident der deutschen Bundesbank, Axel Weber, fürchtet um die „Legitimität des IWF“: „Es wird eine einseitige Reduzierung der Repräsentanz von EU-Ländern gefordert, zugunsten von Schwellenländern, die selbst schon mehr als die Hälfte der Sitze innehaben.“ Dieser Alarmruf hat nun auch die Schweizer Regierung geweckt. Der Schweizer Bundespräsident Hans-Rudolf März protestierte am Sonntag offen bei IWF-Chef Strauss-Kahn. Er drohte sogar mit einer Kürzung der eidgenössischen Zahlungen. Deutschlands Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen, offenbar überrascht von der Freizügigkeit Angela Merkels, legte in Istanbul ebenfalls den Rückwärtsgang ein: „Deutschland will seine 24 Stimmen im IWF behalten. Wir wollen eine Gesamtlösung im Paket.“

Marginalisierung

Doch nicht nur innerhalb des Währungsfonds fürchten die Vertreter der Europäischen Union eine substanzielle Schwächung. Generell sei die Position der EU gefährdet, meint der Vertreter der Euro-Zone, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker. Der IWF werde durch die G20 zunehmend zum „Untersekretariat“ marginalisiert.

Junckers Kalkül: Im Währungsfonds sind alle 27 EU-Staaten mit insgesamt 30 Prozent aller Stimmen vertreten. Unter den G20 sind nur vier EU-Staaten – mit vier einander manchmal widersprechenden Stimmen.

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