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Digital In Arbeit

Jagd auf Zuseher und schwarze Schafe

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Schon jetzt ergänzen Telekommunikationssatelliten die irdischen Kabelnetze. Im nächsten Jahrtausend wird Weltraumtechnik zur Schlüsselindustrie.

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Schon jetzt ergänzen Telekommunikationssatelliten die irdischen Kabelnetze. Im nächsten Jahrtausend wird Weltraumtechnik zur Schlüsselindustrie.

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Die 9,9-Millionen Einwohner zählende indische Metropole Neu-Dehli wuchert wild und unkontrolliert. Will die Stadtverwaltung wissen, wo gerade wieder unge-nehmigte Siedlungen entstehen, so bleibt ihr oft nur die Auswertung von Satellitenbildern. Auch in der Europäischen Union wird mit Hilfe von Rildern, die aus mehr als 800 Kilometern Höhe aufgenommen werden, Jagd auf schwarze Schafe gemacht: Um Agrarüberschüsse einzudämmen, erhalten Landwirte Ausgleichszahlungen, damit sie einen Teil ihrer Produktionsfläche stillegen. Von der Erdumlaufbahn aus geschossene Fotos überführen jene, die zwar kassieren, aber trotzdem anbauen.

„Die Weltraumtechnik ist die Schlüsselindustrie des 21. Jahrhunderts", erklärt Georg Serentschy, Vorsitzender der Austrospace, der Vereinigung zur Förderung der österreichischen Weltraumindustrie. Das Gesamtvolumen dieser Rranche beziffert er mit 800 Milliarden Schilling weltweit. Ein wesentlicher Wachstumsbereich ist die Erdbeobachtung: Kartographie, Land-und Forstwirtschaft, Geologie, Städteplanung und Küstenstudien sind dabei die hauptsächlichen Einsatzgebiete. Sogar die geheimnisvollen Wege der Bastardschildkröten, die alljährlich zu Hunderttausenden zur Eiablage an die ostindische Gahir-matha-Küste paddeln, sollen mit Hilfe von Satelliten ausgeforscht werden.

Doch der wichtigste Bereich der Weltraumtechnik dient der Telekommunikation. Ob Telefon oder Fernsehen - Satelliten sind als Ergänzung zu den terrestrischen Glasfasernetzen unerläßlich geworden. Schon jetzt werden allein in Europa mehr als 60 Millionen Haushalte via Satellit mit einer Unzahl von Fernsehprogrammen versorgt - zwei Drittel davon über einen Kabelanschluß, ein Drittel direkt über kleine Parabolantennen, die als „Schüsseln" in den Sprachschatz eingegangen sind.

„Die zukünftigen digitalen Kommunikations- und Fernsehsatelliten werden mit terrestrischen Netz werk betreibern konkurrieren", prophezeit Hans-Hermann Fromm, bei der Europäischen Weltraumbehörde ESA (European Space Agency) zuständig für Telekommunikation. Weil immer mehr Menschen das Internet nutzen, kommt es schon jetzt oft zu Engpässen im Telefonnetz, das nicht für den enormen Datenstrom der Gegenwart und erst recht der Zukunft - ausgerichtet ist. Neue Multimedia-Technologien, die Fernsehen und Telekommunikation integrieren, werden in Zukunft über Satelliten laufen, sagt Fromm voraus.

Während Satelliten heutzutage noch zum größten Teil in Handarbeit gefertigt würden, könnten in Bälde kleine, wesentlich leistungsfähigere Satelliten in Serie produziert werden, sagt Georg Serentschy. „Die Satelliten des Jahres 2005 werden um 90 Prozent weniger Kosten verursachen und um 90 Prozent kleiner sein als heute, jedoch eine doppelte bis dreifache Leistung erbringen", gibt sich der Vorsitzende der Austrospace optimistisch.

Mindestens 160 neue Satelliten werden in den nächsten zehn Jahren die terrestrischen Daten-Highways ergänzen, schätzt Serentschy. Laut einer ESA-Studie wird der Markt für Telekommunikation in Europa bis zum Jahre 2020 auf bis zu 4.800 Milliarden Schilling wachsen. Das entspricht dem zweieinhalbfachen Bruttoinlandsprodukt Österreichs.

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