Jobs unter dem Hammer

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Nicht nur Computer und Uhren lassen sich im Internet per Auktion erwerben. In Deutschland werden auch schon Arbeitsplätze versteigert. Eine Ausweitung auf Österreich wird derzeit überlegt.

Der Potsdamer, der sich im Internet Pilot1503 nennt, entspricht auf den ersten Blick den Anforderungen des Arbeitsmarktes: Er scheint ein Multitalent zu sein. Ob Autos lackieren oder fremde Schreibtische aufräumen - Pilot1503 fühlt sich kompetent und versucht, mittels Online-Lohnauktion die passende Arbeit zu ersteigern.

Möglich macht das die Seite www.jobdumping.de: Arbeitgeber bieten freie Jobs zur Versteigerung an. Sie legen fest, was sie maximal zu zahlen bereit sind, Interessenten unterbieten einander gegenseitig. Wer am wenigsten Lohn will, bekommt den Job. Von Zettelverteilen über Hilfe im Haushalt und Maurerarbeiten bis zu Porträtzeichnungen und Homepage-Gestaltungen ist alles vertreten. "Nur Schmuddel gibt es bei uns nicht", schränkt der Gründer und Geschäftsführer der Jobdumping GbR, Fabian Löw, im Furche-Gespräch ein. Daher wurde auch die Suche eines Erotikfilm-Produzenten nach "attraktiven Damen für eine DVD-Produktion" vorzeitig und ergebnislos beendet.

Umgekehrt können auch Arbeitnehmer ihre Arbeitskraft offerieren. Hier funktioniert das Prinzip umgekehrt: Sie legen den Mindestlohn fest, potenzielle Arbeitgeber überbieten einander.

Die Untergrenze in allen Fällen beträgt drei Euro Stundenlohn. Tarifverträge, also Mindestlohnvereinbarungen, sollen jedoch nicht unterschritten werden, betonen die Betreiber der Plattform. Kontrollieren kann das freilich keiner. "Aber von der Anzeigenabteilung einer Zeitung erwartet das ja auch niemand", wundert sich Löw über die diesbezüglich gern geäußerte Kritik.

Aufschwung hausgemacht

Abgesehen davon, dass er von gesetzlichen Mindestlöhnen ohnehin nicht viel hält. "Sie sind eine Bankrotterklärung an die Wirtschaft", meint er provokant. Längst sei die Höhe der Löhne von der Produktivität abgekoppelt. "Und eine Ankopplung geht eben nur mittels Lohnverzicht." Weniger Lohnkosten würden bedeuten, dass die Unternehmer günstiger produzieren und entsprechend billiger anbieten könnten. Niedrigere Preise würden die Kaufkraft heben, die Nachfrage steige, was wiederum Arbeit schaffe - und schon komme die Lohnsenkung allen zugute, beschreibt Löw die Intention seiner Homepage.

Einstweilen, bis zum Eintritt dieses angekündigten Aufschwungs, bietet Pilot1503 aber noch seine Arbeitskraft auf dem Online-Marktplatz an. Bis vor kurzem hat er versucht, den Auftrag zum Lackieren der Motorhaube eines schwarzen Golf zu ergattern. 500 Euro hat der Autoeigentümer dafür ursprünglich geboten. Mittlerweile hat sich jedoch jemand gefunden, dem 239,99 Euro genügen. Pilot1503 hat aufgegeben. Aber eine letzte Hoffnung bleibt: Der Anbieter hat die Möglichkeit, innerhalb einer halben Stunde vor Auktionsende die Versteigerung zugunsten eines besser Qualifizierten zu stoppen. Dazu werden seine Wünsche mit den Profilen der Bieter verglichen. Wer den Anforderungen besser entspricht, hat bessere Chancen. Vielleicht bekommt Pilot1503 also auf diesem Weg doch den Zuschlag. Wenn nicht, ist auch nicht viel verloren. Der Potsdamer hat noch ein zweites Standbein: Er bietet Büroarbeiten aller Art zum Mindestgehalt von 1.280 Euro im Monat. Der Haken ist nur, dass sich derzeit noch keiner für das Angebot interessiert.

3.400 Mitglieder haben sich inzwischen registriert. Aber nicht nur Versteigerungen sind möglich. Auch gewöhnliche Jobinserate gibt es, ebenso wie Angebote von Praktikums- und Ausbildungsplätzen. Nach Ende eines Vertrages gibt es die Möglichkeit, den Vertragspartner zu bewerten. Neben einem Schulnotensystem sind auch freie Formulierungen möglich. Als Dienstzeugnis sozusagen. "Schließlich zählt auf dem Arbeitsmarkt jede Qualifikation", sagt Löw, der derzeit überprüft, ob eine Ausweitung des Angebots auf Österreich rechtlich möglich ist.

Ausweitung auf Österreich

Bernhard Achitz, Leiter der Abteilung Sozialpolitik beim Österreichischen Gewerkschaftsbund, sieht es gelassen. "Die Rahmenbedingungen hierzulande werden einen Erfolg verhindern", ist er sich sicher. Denn nahezu jede unselbstständige Arbeit unterliege einer Mindestlohnregelung. Schließlich gelten in Österreich Kollektivverträge für alle Arbeitnehmer einer Branche und nicht nur, wie in Deutschland, ausschließlich für Gewerkschaftsmitglieder, wie der Jurist erklärt. Und auch Gewerbetreibende hätten eine "natürliche Preisuntergrenze, die sie nicht unterschreiten werden". Dumpingpreise hätten also keine Chance, glaubt Achitz.

Positive Aspekte kann er der Initiative ohnehin nicht abgewinnen. Schon gar nicht, dass sich die Wirtschaft durch kollektive Lohnsenkungen zu neuen Höhenflügen aufschwingen würde: "Das sind doch nur dumme Sprüche, mit denen provoziert werden soll." Wenn Konkurrenz über die Löhne ausgetragen werde, "sind wir in Europa immer die Verlierer", gibt er zu bedenken. "Wir können nur über Knowhow und Qualität konkurrieren. Denn Asien wird immer billiger sein als Europa." Auch die Tatsache, dass die Wirtschaftskammer mit der Arbeitnehmerseite Kollektivverträge aushandle, sieht Achitz als Beleg dafür, dass nicht einmal die Wirtschaft sich ein massives Absinken des Lohnniveaus wünscht. "Im Gegenteil: Durch Mindestlöhne wird verhindert, dass die Betriebe einander gegenseitig niederdumpen und ein mieser Verdrängungswettbewerb stattfindet." Ein Wettbewerb, den er sich auch für die Arbeitnehmer nicht wünscht.

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