Juncker, der Floh und die Löwengrube

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Vielleicht muss einer von unten kommen, um zu wissen, dass ein schonungsloses Wort hie und da den Wählern lieber ist. Lieber, als das Gedruckse und Gestammle der meisten Politiker, die beständig auf Umfragen schielend konkrete Fragen in einem Schwall zusammenhanglosen Gewäschs ertränken. Jean Claude Juncker faselt nicht. Er ist offen, manchmal auch bis zur Rücksichtslosigkeit.

Das liegt in seiner Geschichte. Sein Vater war Bergmann in Luxemburg - einer aus dem Schacht, der wortkarg ist, aber gerade heraus. Das hat den Sohn, den Eloquenten, den Gescheiten, den Politiker geprägt. Er ist früher ja oft verwechselt worden mit Kanzler Wolfgang Schüssel, freilich nur optisch. Denn Schüssel hat in Zeiten großer Fragen manchmal gar nicht mehr gesprochen. Dem Juncker wäre das nicht eingefallen. Harte Zeiten erfordern eben auch Worte.

Berühmt geworden ist sein Satz zur Krisenpolitik der EU-Staaten, in der die Regierungen die Bürger in falscher Sicherheit wiegten. Juncker: "Wenn es ernst wird, muss man lügen". Darüber mag man empört sein, aber im Sinne der Vermeidung finanzieller Massenpanik erscheint selbst die Unwahrheit, die die Panik verhindert wie Medizin. Noch eines zur Identität Europas?"Wer an Europa zweifelt, wer an der EU verzweifelt, der soll auf die Soldatenfriedhöfe gehen. Nirgendwo besser, nirgendwo eindringlicher, nirgendwo bewegender ist zu spüren, was das europäische Gegeneinander an Schlimmstem bewirken kann."

So etwas sitzt. Da braucht es keinen Übersetzer, Interpreten oder Analysten mehr. Und Jean-Claude Juncker kann das. Er war von 1995 bis 2013 luxemburgischer Regierungschef, und Chef der Eurogruppe. Nach dem Willen der Christdemokraten, die die EU-Wahl gewonnen haben, soll er nun die Geschicke der EU-Kommission leiten, wenn, ja, wenn denn auch die Regierungschefs zustimmen.

Leicht wird das nicht. Gefügigere, Duldsamere, hätten bei den Chefs sicher bessere Chancen. Schon bei der Auslese zum EU-Ratspräsidenten haben sie Juncker gekonnt übergangen wegen seiner Forderung nach einem sozialeren Europa und einer föderalen Union. Aber können sie nun auch die indirekte Wahl Junckers durch ihre Völker ignorieren?

Juncker wäre für die Regierungen jedenfalls kein angenehmer Präsident der bisher oft ohnmächtigen Kommission. Er selbst erklärt das am besten: "Es weiß wohl jeder, dass ein Floh einen Löwen zum Wahnsinn treiben kann, ein Löwe einen Floh aber nie zum Wahnsinn treiben wird."

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