Kämpfen gegen das Loser-Selbstbild

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Fast 280.000 Österreicher zwischen 15 und 64 Jahren haben keinen Pflichtschulabschluss, jedes Jahr verlassen 3.500 bis 5.000 Jugendliche ohne Abschluss das Schulsystem. Sie haben am Arbeitsmarkt von Anfang an schlechte Karten: Unter "Early School Leavers“, wie unter 24-Jährige heißen, die keinen über die Pflichtschule hinausgehenden Abschluss haben, liegt die Arbeitslosenquote bei fast 20 Prozent. Bei jungen Menschen, die eine Lehre abgeschlossen haben, sind es nur rund fünf Prozent.

Für die Psychologin Doris Landauer, die am AMS Wien das Forschungsprojekt "Perspektiven für unentdeckte Talente“ leitet, ist deshalb klar: Das Ziel muss sein, junge Menschen nicht kurzfristig in Jobs zu vermitteln, sondern ihnen einen Bildungsabschluss zu ermöglichen: "Sonst zieht sich Arbeitslosigkeit durch das ganze Leben durch. Diese Menschen wechseln zwischen Billigjobs, Sozialtöpfen und Krankengeld und schaffen es nie aus der Armutsfalle heraus.“

Schulabschluss als oberste Priorität

Das AMS bietet daher die Möglichkeit, Hauptschulabschlüsse später nachzuholen. Das hat auch im Nationalrat Schule gemacht: Anfang Juli wurde dort eine neue Form der Externistenprüfung beschlossen, mit der Jugendliche ab 16 und Erwachsene den Pflichtschulabschluss nachholen können. Bund und Länder stellen dafür laut einer im Jänner beschlossenen Vereinbarung 54,6 Millionen Euro zur Verfügung, pro Kopf gibt es maximal 6.600 Euro Förderung. In Erwachsenenbildungseinrichtungen und Schulen werden Lehrgänge angeboten, an deren Ende verpflichtende Prüfungen in Deutsch, Englisch, Mathematik, Berufsorientierung und einem Wahlfach stehen. In vielen Einrichtungen gab es schon vor dem Parlamentsbeschluss Hauptschulkurse.

"Von diesen Trägern könnten sich die Schulen etwas abschauen“, meint Laundauer. "Dort wird sehr erfolgreich mit ganz anderen methodischen Zugängen gearbeitet.“ Die speziellen Bedürfnisse von bildungsschwachen Jugendlichen kennt Landauer aus ihrer Forschung. Sie untersucht alle Jugendlichen, die keine Schule oder Lehre abgeschlossen haben, und schon einmal beim AMS Wien vorstellig wurden. Ihr Fazit: Es gibt sehr wirkungsvolle arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, die aber weiter ausgebaut werden müssen. Darüber hinaus kommt Landauer zu einem beklemmenden Ergebnis: Es gelte auch, neue Zugänge zu der Personengruppe zu finden: "Offensichtlich haben sehr viele von ihnen Erfahrungen gemacht, die sie davon abhalten, das Beste für ihr Leben anzustreben, auch wenn ihnen das angeboten wird. Ihr Elternhaus, ihre Erfahrungen mit Stigmatisierung in der Schule und in den Peers haben ein Selbstbild entstehen lassen, das sie stabil als Loser darstellt.“

In Folgeteilen der Studie werden die angebotenen AMS-Maßnahmen analysiert und eine Online-Umfrage ausgewertet. (dol)

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