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Kärnten ä la Card

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Eine kleine Karte wirbt auch in Zeiten rückläufiger Nächtigungszahlen erfolgreich für Österreichs südlichstes Bundesland im In- und Ausland.

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Eine kleine Karte wirbt auch in Zeiten rückläufiger Nächtigungszahlen erfolgreich für Österreichs südlichstes Bundesland im In- und Ausland.

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Auf der ITB in Berlin - der größten Tourismusbörse der Welt - war Osterreich heuer nicht gerade der Hit. Buntschillernde karibische Billigkonkurrenz und vor allem das kurz vorher angekündigte Mautdebakel brachte den Nächtigungsweltmeister bestenfalls negativ in die Schlagzeilen. Bis auf Kärnten. Daß das Interesse bei Beise-journalisten und Beiseveranstaltern an dem südlichen Bundesland so sprunghaft gestiegen ist, daß man Kärnten-Vertretern spontan auf die Schulter klopfte und KTG-Leuten (Kärntner Tourismusgesellschaft) die Türen einrannte, dafür ist ein Scheck -kartengroßes Kärtchen verantwortlich.

Kärnten hat sich den karibischen Hit „All Inclusive” zueigen gemacht und als erste Tourismusregion Europas auf sinkende Nächtigungszahlen mit einer All Inclusive Urlaubskarte für Individualgäste reagiert. Eine Karte um 265 Schilling (Kinder über 6 Jahre zahlen 130 Schilling, ab dem dritten Kind gilt der Nulltarif) eröffnet dem Gast bis zu drei Wochen lang Kärntens Freizeitangebot. 75 Ausflugsziele und der Verkehrsverbund können damit gratis benutzt werden. 100.000 Gäste, so rechnet man bei der KTG, werden zwischen 24. Mai und 29. September die Karte mit dem magischen Chip heißlaufen lassen. Oder auch nicht. Bisher basieren alle Berechnungen auf reinen Spekulationen, weil man noch nicht weiß, wie der Gast das Produkt annehmen wird. Von der Verhaltensweise der sparsamen deutschen Gäste ausgehend - sie bilden noch immer das größte Gästepotential in Kärnten - dürfte die Karte aber ein Benner werden.

Das ist jedoch gar nicht das Wichtigste an dem feschen Kärtchen, das von der Kärntner Auslandskünstlerin Kiki Kogelnik abseits von Heimatduselei und Kärntenfarben gestaltet wurde. Das Besondere ist, daß sich im zunehmend visionslosen Tourismusland Aufbruchstimmung breit macht. Die erste breit angelegte Kooperation ist beispielhaft: 75 individualistisch agierende Ausflugsziele, der Verkehrsverbund, die seperatistisch veranlagten Hoteliers, Kurdirektionen, KTG, Wirtschaftskammer und der

Tourismusreferent des Landes ziehen plötzlich an einem Strang.

Bisher gab es keine einzige negative Stimme zur Kärnten Card. Das ist für das Tourismusland Kärnten eine ebenso neue, wie positive Erfahrung. „Es ist gar nicht unbedingt das Produkt ausschlaggebend, sondern das Zusammenrücken in Kärnten. So eine positive Stimmung war noch nie da”, bemerkt auch Ilse Schmalz, die als Projektleiterin innerhalb der KTG der Kärnten Card 120 Prozent ihrer Energie widmete und dem Kärtchen damit zum Durchbruch verhalf. Treffendes Kompliment eines Hoteliers: „Sie reden nicht über die Kärnten Card, Sie sind die Kärnten Card”.

Selbst der sonst kritische Chef des Verkehrsbüros, Bernhard Galler, bemerkte anerkennend:„Die Gäste von morgen erwarten Erlebnisinhalte. Das zur Begion passende Angebot soll einfach und im überschaubaren Kostenrahmen konsumierbar sein. Die Kärnten-Card entspricht diesen Kriterien. Bravo - ein Schritt in die richtige Bichtung.” Auch KTG-Chef Ferdinand Posnik machte eine selten gewordene Erfahrung bei Pressekonferenzen und Bedaktionstouren: „Die Journalisten sind richtig dankbar, daß es endlich wieder ein Thema gibt, über das es sich lohnt, zu berichten”. Dementsprechend umfangreich und positiv sind auch die Meldungen von in- und ausländischen Druckwerken. Denn alles was bisher auf den Markt kam, teilweise abgekupfert, sind Ba-battkarten. Eine All Inclusive Karte ist bisher noch nie dagewesen.

Langzeitwirkung

In Zeiten rückläufiger Nächtigungszahlen ist diese Karte gar nicht hoch genug einzuschätzen, wenngleich sie auch Langzeitwirkung hat. „Es ist nicht anzunehmen, daß wir damit sofort mehr Gäste ins Land locken können, wir wollen einfach die Zufriedenheit der Gäste im Land steigern. Obendrein ist Kärnten wieder positiv in den Schlagzeilen”, frohlockt Ilse Schmalz.

Was steckt eigentlich hinter dem Kärntner Zauberkärtchen? Ausgegeben von Austria Card, einer Tochter der Nationalbank, ist die Karte mit einem Chip ausgestattet, in dem die wichtigsten Daten des Benutzers, sowie die Gültigkeitsdauer gespeichert sind. Ausgestattet mit der Gästekarte oder dem Meldenachweis kann sie der Gast in Kurdirektionen, Banken und im schönsten Fall beim Hotelier selbst kaufen. Ganz findige Betriebe schicken sie schon vorher zu. Ein Lesegerät bei jedem Ausflugsziel kann erkennen, ob die Karte gültig ist und registriert sie. Der Gast muß sich nur noch ausweisen und kann dann täglich, mit den Schiffen auf den Kärntner Seen umherschippern, den Aussichtsturm Pyramidenkogel erstürmen oder die Gerlitzen mit der Gondelbahn. Das Auto kann er vergessen, denn auch Zug und Busse sind frei. clubmitglied

Wer die Kärnten Card kauft, wird gleichzeitig auch Clubmitglied. Für den Gast bedeutet dies eine Beihe von Vorteilen, von der Clubzeitung über die Servicenummer bis zum Glas Sekt im Casino. Die KTG handelt sich damit ein Paket wertvoller Adressen ein.

Bis es soweit war, gab es zahlreiche Nüsse zu knacken: denn die Crux der Sache ist das ausgeklügelte Verrechnungssystem mit den Vertragspartnern. Diese kassieren nun frequenzabhängige und fixe Anteile vom Kartenverkauf. Ein Bisikotopf, in den 30 Schilling pro Karte wandern, soll ausgleichen, wenn ein attraktives Ziel öfter frequentiert wird, als andere. Das könnte etwa bei der Schiffahrt der Fall sein.

Ein Ausflugsziel, das glaubt, nicht dabeisein zu müssen, weil die Gäste sowieso kommen, ist Minimundus. Andere frönen noch immer der Kärntner Mentalität, lehnen sich noch zurück und wollen schauen, wie es läuft. Zwei Schreckensszenarien für Ilse Schmalz: „Entweder wir haben so einen Zulauf, daß die Ausgabestellen überfordert sind oder es dümpelt nur dahin. Beides wäre nicht dienlich für die Karte.”

Tourismusämter

Als Ausgabestellen fungieren 40 Tourismusämter und 25 Hotels und Campingplätze. Gäste, die sich allerdings für einen Urlaub im Lavanttal, für die Nordische und die Burgen- und Schlösser-Begion entscheiden, werden beim Kauf der Karte Bennereien auf sich nehmen müssen. Dort sind die Ausgabestellen äußerst dünn gesät. Zwar kostet ein Ausgabegerät nur 11.000 Schilling, doch darüberhinaus ist ein PC nötig, was kleine Tourismusämter bis zu 30.000 Schilling kosten kann. Andererseits ist es die fällige Chance, elektronisch aufzurüsten. Anders im Lieser Maltatal: Dort sollen Tankstellen die Karte rund um die Uhr anbieten.

Vermarktung

Die Vermarktung der Karte läuft auf Hochtouren: TV-Spots laufen in OBF 1 und 2, auf BTL, BTL 2, Sat 1 und Pro7. 330.000 Miniprospekte im Scheckkartenformat und 250.000 Broschüren sind bereits im Umlauf. Dazu kommen Aufkleber, Verkaufsposter und Verkaufsdisplays. KTG und Land Kärnten ließen sich die Karte 4,7 Millionen Schilling kosten.

Zum Schluß noch ein Preisvergleich, wie günstig eine dreiköpfige Familie (Eltern zehnjähriges Kind) mit der Kärnten Card fährt. 1 Seerundfahrt auf dem Ossiacher See, 1 Bergfahrt auf die Gerlitze, Besuch im Elli Biehl Puppenmuseum, Ausflug in den Nationalpark Nockberge, Besuch des Zwergenparks und der Erlebnistherme Villach, 2 Zug-/ Busfahrten: ohne Kärnten Card würde das die Familie 1.990 Schilling kosten, mit der Kärnten Card 660 Schilling.

Pilotprojekt

Das Pilotprojekt gilt für ein Jahr. Dann wird man an die heuer gemachten Erfahrungen anknüpfen. Pläne für die Zukunft gibt es bereits: die Kärnten Card soll als Einkaufskarte genutzt werden können. Auch für Einheimische wird man sich eine Lösung einfallen lassen. Denn bei so einem attraktiven Angebot wollen auch sie nicht kartenlos bleiben. Sektionsobmann Gabriel Obernosterer ortet damit sogar Gästepotential:„Dann würden die Einheimischen vermehrt im Land bleiben und sich die Sehenswürdigkeiten anschauen, statt ins Ausland zu fahren.” Somit hat die Kärnten Card schlußendlich auch noch Erziehungsfunktion. Bravo.

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