Kaiserpinguin statt Viktoriabarsch

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Vorletzten Sonntag, als der französische Filmpreis César vergeben wurde, hatte der Viktoriabarsch die Nase vorn. Eine Woche später, als es um den Dokumentarfilm-Oscar ging, war es genau umgekehrt - und Filmemacher Luc Jacquet nahm die Trophäe für seine Darstellung des Kaiserpinguins entgegen. Zwei europäische Dokus lagen da im Wettstreit, die - auch in den politischen Implikationen - verschiedener nicht sein konnten.

Hubert Saupers jetzt unterlegener Film "Darwin's Nightmare" erzählt mit beklemmenden Bildern von einem tatsächlichen Alptraum der Evolution: Einige Exemplare des räuberischen Nilbarschs, im Victoriasee ausgesetzt, haben sich immens vermehrt und dem Fischreichtum des ostafrikanischen Binnengewässers den Garaus gemacht. Heute lebt eine Fischindustrie davon, die Filets nach Europa zu schicken - in ukrainischen und russischen Transportflugzeugen, die, weil sie ja nicht leer von Europa nach Ostafrika kommen wollen, mit Waffen für die Bürgerkriege der Region angefüllt sind. Sauper zeigt das triste Leben in der tansanischen Stadt Mwanza am Südufer des Sees, wo die Menschen an Aids, Gewalttätigkeit oder - trotz des zerstörerischen Fischreichtums - Unterernährung sterben.

Luc Jacquets "Reise der Pinguine" zeigt auch Lebensunwirtlichkeit - und zwar den Kampf des Kaiserpinguins ums Überleben in seiner Heimat Antarktis. Politisch auch dieser Film insofern, als er einer Pinguinfamilie menschliche Stimmen leiht und damit - zumindest in den USA - allerlei Assoziationen aus dem Lager der christlichen Rechten provozierte: ein Plädoyer für Leidensmystik (das Hervorbringen der Pinguin-Nachkommenschaft ist ein Kampf auf Leben und Tod), die Grundlegung der Monogamie schon im Tierreich (erstens stimmt das auch bei den Kaiserpinguinen nicht, zweitens gibt es bekanntlich unter Tieren auch ganz andere Geschlechtsgemeinschaften), intensives Kleinfamiliendasein als Grundlage des Überlebens; besondere Eiferer sahen sogar eine Widerlegung Darwins, denn die leidvollen Wanderungen der Pinguine durch die Eiswüste - monatelang ohne Nahrung und mit vielen (Todes-) Opfern - könne doch keinen evolutionären "Nutzen" haben. In letzterer Tatsache lasen dieselben Religiösen gar einen Gottesbeweis.

Hollywood hat sich für den Kaiserpinguin entschieden, der via Luc Jacquets metaphernschwangerem Film auch religiös missbraucht werden konnte. Man muss nicht, aber man kann das Ganze paradigmatisch sehen: Der "religiöse" Streifen reüssierte bei den Oscars, die politische Anwaltschaft, die der Österreicher Hubert Sauper mit "Darwin's Nightmare" empathisch betreibt, passte mehr ins "alte" Europa.

Abseits von Politik und naiver Religiosität: Leben und Daseinskampf des Kaiserpinguins - das leistet der Oscar-Film - können den wahrlich fernen Beobachter im Kino wirklich faszinieren. ofri

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