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Digital In Arbeit

Kapitaler Erfolg ist nicht alles

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Shareholder-value: Warum haben viele Unternehmer nur mehr die Interessen der Aktionäre statt die ihrer Mitarbeiter im Kopf?

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Shareholder-value: Warum haben viele Unternehmer nur mehr die Interessen der Aktionäre statt die ihrer Mitarbeiter im Kopf?

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DIEFURCHE: Shareholder-value heißt das Schlüsselwort für eine Strategie, die die Steigerung des Unternehmenswertes als zentrale Aufgabe des Managements sieht Dazu gehört es auch, Kosten durch Entlassungen zu senken Wer Menschen feuert, den feiern die Aktionäre. Ist das nicht unmoralisch?

Generalsekretär Lorenz Fritz:

Shareholder-value ist in der Marktwirtschaft etwas ganz Selbstverständliches. Jeder, d(er Geld hergibt, tut das nicht umsonst, sondern gegen Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Daß dieser Begriff jetzt so hochstilisiert wird, hat ideologische und wirtschaftliche Ursachen, und letztlich werden sogar massive soziale Auswirkungen befürchtet. Das geht so weit, daß man dem Shareholder-value die Arbeitslosigkeit in Europa zuschreibt, was allerdings wirklich ungerecht ist.

Interessanterweise stilisiert man ein anderes Prinzip überhaupt nicht hoch: Der Shareholder-value ist ja eingebettet in etwas, was ein Unternehmen normalerweise immer tun muß. Dazu gehört, nicht nur die Interessen des Aktionärs zu befriedigen, sondern viele andere Interessen auch. Wer nicht die Interessen des Kunden im Auge hat, kann letztlich weder einem Aktionär eine Dividende zahlen, noch Mitarb itern ein Gehalt. Und wer nicht die Interessen der Mitarbeiter berücksichtigt, die er wie einen Bissen Brot für den wirtschaftlichen Erfolg braucht, wird ebenfalls nicht überleben. Natürlich gibt es Firmen, die vielleicht derzeit aus unterschiedlichen Gründen zu sehr die Interessen der Aktionäre im Kopf haben. Aber ich kenne kein Unternehmen, das sich so etwas auf Dauer leisten könnte und dabei erfolgreich bleibt. Das ist unmöglich, denn da werden die Kunden vernachlässigt, die Mitarbeiter vernachlässigt, und letztlich droht der Konkursrichter.

DIEFURCHE: Trotzdem entzündet sich die Diskussion immer wieder daran, daß Mitarbeiter entlassen werden, obwohl es dem Unternehmen gut geht fritz: Diese extreme Gegenüberstellung stimmt so nicht. Wenn Unternehmen Mitarbeiter abbauen, dann tun sie das vielleicht auch, um den Aktionär zufriedenzustellen, aber nicht primär. Sie tun es hauptsächlich, um sich in ihrer Kernkompetenz neu zu positionieren und in einem anderen Wettbewerbsumfeld zu überleben.

Diefi'rchk: Ks geht doch letztlich auch darum, daß nicht nur die betriebswirtschaftliche Rechnug stimmen muß, sondern auch die volkswirtschaftliche. fritz: Das passiert ja auch ständig. Die Unternehmen (bauen auf der einen Seite Personal ab, auf der anderen Seite aber auch neue Geschäfte auf, wo sie Leute aufnehmen. Das ist ein ständiges Ab- und Aufbauen, im Nettoeffekt sollte es mehr Beschäftigung bringen. Wir leben nur derzeit in einer instabilen Umbruchszeit, wo wir uns auf ganz neue Strukturen, neue Märkte einstellen. In solchen Umbruchszeiten müssen die Unternehmen froh sein, wenn sie Personaleinbräche halbwegs in Grenzen halten können, bis sie aus dem Tief wieder draußen sind. Diese Entwicklung wird uns noch ein paar Jahre beschäftigen. Aber dann kommen ganz neue Arbeitsplätze.

Man muß an diese Transformationszyklen einer Industriestrukturveränderung denken. Wer das nicht tut, hat keine Ahnung von Industrie.

DIEFURCHE: Finanzminister Edlinger hat es ebenfalls auf den Punkt gebracht-Es gehe nicht an, daß die Firmen nur für den Shareholder-value arbeiten und nichtfür ihre Mitarbeiter. frjtz: Das ist genau der Punkt, den ich nicht verstehe. Man hat Shareholder-value ähnlich wie Globalisierung einfach negativ besetzt. Es handelt sich aber bei beiden nicht von vornherein um negative Begriffe. Es geht vielmehr um Entwicklungen, die Vor- und Nachteile bringen. Die Frage ist immer, wie man sie sieht und handhabt. Aber leider verallgemeinert man in der Diskussion aus ideologischen Gründen immer die negativen Erscheinungen. Natürlich muß ich bei der Globalisierung auch die Bisken und die Gefährdungen sehen. Und auch der Shareholder-value läßt sich negativ besetzen, wenn man ihn mißbraucht oder falsch versteht.

DIEFURCHE: Nehmen wir zum Beispiel die OMV. Das Unternehmen hatte eine tolle Gewinnsituation und kündigte trotzdem gleichzeitig Frühpensionierungen an frjtz: In der öffentlichen Diskussion, in der sehr vereinfachten Schlußfolgerung, wurden zwei Fakten verknüpft, obwohl sie gar nicht verknüpfbar sind. Und heraus kommt -„der böse Unternehmer”.

Gerade bei der ÖMV muß man sich anschauen, wo genau dieses Personal reduziert wurde, und wo genau Gewinne erzielt wurden. Dann wird man sehen, daß die beiden Geschäftsfelder nicht ident sind. Wenn es nämlich so wäre, dann müßte man tatsächlich darüber reden, ob das eine gescheite Maßnahme ist.

DIEFURCHE: Trotzdem: Warum denken die Unternehmen nicht auch darüber nach, wie sich Märkte erobern lassen, ohne daß man Menschen die Arbeit wegnimmt und damit ihre Lebenspläne auf den Kopf stellt* Frit/,: Halsen Sie da einem Unternehmer nicht etwas auf, woran die Verstaatlichte zugrunde gegangen ist - nämlich ein falsches Ziel? Die Beschäftigung herauszunehmen und sie zu einem primären Ziel zu machen, das hat schon bei der Verstaatlichten nicht funktioniert. Das Beschäftigungsziel kann, genau so wie der Shareholder-value, nicht als primäres Prinzip vorangestellt werden. Man kann beides nur in Balance mit den anderen Interessen berücksichtigen.

DIEFURCHE: Es kann doch nicht gutgehen, Menschen nur mehr als Kostenfaktor zu sehen W%rum wird darüber in den Chefetagen nicht nachgedacht' fritz: Weil wir Unternehmer gelegentlich zu sehr im Kopf haben, wie wir zunächst unsere Produktivität erhöhen, schneller und besser werden. Wir denken nicht gleichzeitig darüber nach, daß wir vielleicht gar nicht kleiner und schneller werden müßten, sondern anders. Anders im Sinne von Differenzierung am Markt mit kreativeren Ideen. Dort könnte man dann auch wieder einen Teil jener Leute einsetzen, die man sonst nicht mehr brauchen würde.

Wir sind sicherlich zu sehr in diesem „entweder-oder” verhaftet: Entweder wir sparen, oder wir investieren in die Zukunft und bauen Geschäftsfelder auf. Eigentlich müssen wir beides tun. Das ist nur schwierig weil es ein „sowohl-als auch” ist: neue Ideen und neue Möglichkeiten schaffen, und gleichzeitig die Mitarbeiter dort einsetzen statt sie freizusetzen. Es gibt bereits Unternehmen, die das schaffen und so denken. Es sollten aber sicherlich mehr sein.

DIEFURCHE: Wieso geschieht das in den jeweiligen Personalabteilungen nicht?

Fritz: Weil durch die funktionale Arbeitsteilung im Unternehmen die Personalabteilungen nur dafür zuständig sind, entweder Personal aufzunehmen oder abzubauen. Meist sagt man dort nur: „Ich habe keine Arbeit für Sie.” Und baut ab. Dort hat man nicht die Phantasie und die besseren Ideen. Da fragen sie die falschen Leute. Man muß die Geschäftsführer und die Unternehmensspitze fragen. Auch da gibt es wahrscheinlich Ärmere und Reichere im Geiste und im Handeln. dikki'kciik: Haben Sie die „Die Glo-baliserungsfalle” oder „Terror der Ökonomie” gelesen (siehe furche 44/1997, Seite 17)? fritz: Ich nehme jenen, die solche Bücher schreiben, durchaus ab, daß sie mit der Welt nicht zufrieden sind. Aber sie reden immer nur von Risken und Drohungen. Das macht den Menschen wirklich Angst, und dann sitzen sie wie die Kaninchen vor der Schlange, statt das Leben aktiv in die Hand zu nehmen.

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