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Kein „Volkskapitalismus“

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Die moderne Eigentumspolitik ist dagegen mit einem bestimmten Inhalt versehen: Die Maßnahmen, die auf eine Neuverteilung der bestehenden Eigentumsrechte zielen, sollen derart sein, daß die Anzahl der Eigentümer möglichst groß und die Unterschiede zwischen der Größe des Pro-Kopf-Eigentums in einer Volkswirtschaft verringert wird („Eigentumsstreuung“). Bisher war es so, daß die Eigentümer großer Vermögenskomplexe gerade deswegen, weil sie bereits relativ vermögend waren, noch vermögender wurden. Entweder beließ man den Großteil der erzielten Gewinne im Unternehmen (Vermögenszuwachs über den Preis), so daß Sparer und Investor die gleichen Personen waren, oder das Vermögen vermehrte sich schon im Rahmen der Kostenzurechnung („Lohmann-Ruchti-Ef-fekt“), weil die dem Preis zugerechneten Amortisationsquoten höher angesetzt wurden, als e*der tatsächlicher^ Wertverminderung entsprach.

Wenn man die Bürger eines Landes zu einem „Volk von Eigentümern“ machen will, versteht man darunter nicht das Einsetzen der Staatsbürger in die Position von „Kapitalisten“ (sogenannter „Volkskapitalismus“). Der Eigentumserwerb soll sich in unterschiedlichen Formen vergegenständlichen:

• in Sparguthaben (Kontensparen),

• in Wertpapieren (Wertpapierspa-ren) und

• im Erwerb von Gütern mit langfristiger Nutzungsdauer (Wohnungen).

Die neue Eigentumspolitik wird vor allem damit begründet, daß ein Mensch, der nicht nur über Arbeitseinkommen, sondern auch über ein fundiertes, einen Ertrag abwerfendes Vermögen verfügt, erheblich freier ist. Die sozialen Auseinandersetzungen verlieren ihre Schärfe. Die Einheit der Gegensätze, wie sie jetzt unsere Gesellschaft kennzeichnen, wird durch gemeinsame Interessen abgelöst.

In der Frage der Eigentumspolitik neuer Art gibt es unterschiedliche Vorschläge und Darstellungen. Als die für unser Land repräsentative Untersuchung muß man eine vom Institut für angewandte Sozial- und Wirtschaftsforschung herausgegebene Schrift, „Eigentumsstruktur und Eigentumspolitik in Österreich“, ansehen, die, ergänzt durch frühere Untersuchungen der Arbeiterkammer Wien, ein umfassendes Bild der österreichischen Eigentumswirklichkeit bietet. Die Schrift weist unter gleichzeitiger Bedachtnahme auf das von den Verfassern vorgelegte Material auf die konkrete Möglichkeit einer Neuordnung der Eigentumsrechte in Österreich hin und verdient vor allem wegen der Systematik der Darstellung und der Fülle von Zahlen Beachtung.

Ergänzend zu den österreichischen Analysen ist nun auch in der FAZ vom 15. Jänner 1964 eine Proklamation katholischer und evangeli-

* Univ.-Doz. Dr. Burghardt ist der Verfasser des Buches „Eigentumsethik und Eigentumsrevisionismus“, Verlag Hueber, München.

nen, die einen Katalog von Grundsätzen zur Frage der Eigentumspolitik enthält, die sich weitgehend mit den österreichischen Vorschlägen decken.

Beiden Publikationen ist die Wirklichkeitsnähe gemeinsam, die sich wohltuend von jenem bedenklichen Sozialromantizismus, der die Eigentumsdebatte zuweilen zu einem unverbindlichen Palaver hat absinken lassen, unterscheidet.

Was sind nun die Voraussetzungen dafür, daß sich die Eigentumspolitik neuer Art — vorläufig noch eine Summe von Thesen — verwirklichen läßt?

In erster Linie ist es notwendig, daß jene Personen, denen man die Übernahme einer Eigentümerposition zumutet, auch einen angemessenen Eigentumswillen haben. Vielfach-iist' heute die ursprüngliche Eigentümswirkung (Sicherung für Grenzfälle des Lebens) durch Institutionen der Sozialversicherung substituiert. Durch das Zwangssparen (Leistung von Abgaben und Beiträgen) ist von Kapitalsammelstellen ein gemeinschaftlicher Kapitalstock angelegt worden; er steht in jenen Fällen zur Verfügung, in denen früher Eigenmittel („Sparpfennige“) herangezogen werden mußten.

Die Erfahrungen, die man bisher mit der Einrichtung der Belegschaftsaktien und mit sonstigen Formen des Miteigentums der Arbeitnehmer sammeln konnte, waren nicht gerade ermutigend. Offenkundig kann nur eine Elite abstraktes „Eigentum“ ertragen. Die Masse weiß mit einem ungegenständlichen Eigentum, wie etwa Aktien, wenig anzufangen. Der Österreicher denkt vielfach noch in agrarischen Bezügen. Ein spekulatives Denken, die Übernahme eines hohen ökonomischen Wagnisses, das beispielsweise mit einem Aktieneigentum verbunden ist, war dem Österreicher bisher fremd. Besser ist es schon mit dem Eigentum in der Form von Sparguthaben, denen der Charakter von Quasigeld zugemessen wird. Am ehesten vermag in unserem Land der „kleine Mann“ im Boden und im Eigenheim eine erstrebenswerte Eigentumsform zu sehen. Die Denkweisen bäuerlicher Ahnen brechen in diesem Fall durch.

Die Erstaufgabe einer wirksamen Eigentumspolitik wird jedenfalls die Schaffung einer Eigentumsgesinnung sein müssen, der eine Eigentumserziehung voranzugehen hat.

Soll das Eigentum zur allgemeinen Chance werden, so bedarf es einer ausreichenden und verteilungsfähigen Vermögenssubstanz. Keineswegs wäre es zweckmäßig und dem Wirtschaftswachstum förderlich, wollte man vorhandenes Eigentum in irgendeiner Form zugunsten neuer Eigentümer kürzen. Auch die Entstaatlichung ist keine Lösung, ganz abgesehen davon, daß man die Übereignung öffentlichen Eigentums in nichtstaatliche Hände kaum als eine Reprivatisierung bezeichnen darf, wenn nicht gesichert ist, daß tatsächlich „Private“, also physische Personen, öffentliches Eigentum erwerben können. Das neue Eigentum soll nicht dem bereits vorhandenen, sondern einem zuwachsenden Eigentum entnommen werden und kann sich aus diesem Grund nur stufenweise ansams mein. In diesem Zusammenhang wird von den deutschen Gutachtern nachdrücklich auf das Experiment des Investivlohnes hingewiesen: Eine Lohnerhöhung wird in eine Konsumquote und in eine Investiv-quote geteilt. Die Konsumquote wird ausbezahlt. Die Investivquote bleibt beim lohnzahlenden Unternehmen oder wird in einer anderen Weise für Investitionen verwendet. Der Arbeitnehmer wird zum Investor.

Im allgemeinen wird neues Eigentum nicht aus großzügigen Sehenkungen sagenhafter Reicher oder aus Gewinnabzweigungen der Unternehmungen stammen können, sondern das Ergebnis eines spontanen Sparens sein. Die Sparfreudigkeit wächst mit dem relativen Anstieg des Einkommens je Kopf und ist in Österreich sehr beachtlich geworden. Geltungskonsum und Konsumtradi-tionalismus waren jedoch bisher Ursache dafür, daß die Sparquote der Bevölkerung noch immer erheblich geringer ist, als dies auf Grund des Einkommenszuwachses möglich gewesen wäre. Eine wirksame Eigentumspolitik ist daher nur möglich, wenn sie von einer allgemeinen Sparfreudigkeit unterstützt wird. Der typische Vermögenszuwachs kann jedenfalls nur durch Konsumverzicht entstehen.

Das Eigentum muß jedoch mit dem Gefühl der Eigentumssicherheit verbunden sein. Soweit nicht die Form des Substanzsparens gewählt wird (Aktienerwerb, Kauf von Realitäten), muß der Sparer heute davon ausgehen, daß sein auf Sparkonten angesammeltes Kapital durch Gewährung von Zinsen bestenfalls in seiner Kaufkraft erhalten, keinesfalls aber substantiell vermehrt wird. Die kreditwürdigen „Kapitalisten“ können dagegen durch Einsatz der auf dem Kreditweg erworbenen Ersparnisse der kleinen Sparer Gewinne erzielen, die ihre Vermögenssubstanz erhöhen. Jede ernstzunehmende Eigentumspolitik

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