Keuschnigg - © Foto: Foto Wilke

Keuschnigg: „Nicht in immer höhere Schulden stürzen“

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Die Pandemie hat die Staatsverschuldung in neue Höhen getrieben. Was tun? Ökonom Christian Keuschnigg über seine Vorschläge und die Schere zwischen Arm und Reich.

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Die Pandemie hat die Staatsverschuldung in neue Höhen getrieben. Was tun? Ökonom Christian Keuschnigg über seine Vorschläge und die Schere zwischen Arm und Reich.

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Von 2012 bis 2014 leitete er das Institut für Höhere Studien, seit 2001 hat Christian Keuschnigg einen Lehrstuhl an der Universität St. Gallen. Für eine neue Studie modellierte der Tiroler Ökonom nun einen Pfad zur Budgetkonsolidierung, der möglichst wenig(en) wehtun soll.

DIE FURCHE: Herr Keuschnigg, zwischen 2019 und 2021 sind die Staatsschulden um mehr als zwölf Prozent gestiegen – auf derzeit rund 83 Prozent des BIP. Wie dringend ist eine Reduktion nach der Pandemie?
Christian Keuschnigg: Grundsätzlich war es sehr gut, dass die Regierung so viel in die Wirtschaft investiert hat. Das war notwendig, sonst hätte es viele Pleiten und hohe Arbeitslosigkeit gegeben. Damit wir aber auch künftige Krisen meistern können, braucht es wieder einen Abbau der Staatsschuldenquote.

DIE FURCHE: Wie viel Zeit bleibt uns dafür?
Keuschnigg: Österreich steht im internationalen Vergleich gut da. Falsch wäre, wenn wir uns von einer Krise zur nächsten in immer höhere Schulden stürzen. Dann sind wir irgendwann in der Situation von Italien mit 150 Prozent Staatsschuldenquote. So weit sind wir aber noch lange nicht. Österreich war vor der Pandemie auf einem guten Weg in Richtung 60 Prozent. Bis wir am Ziel sind, wird es aber 15 bis 20 Jahre dauern.

DIE FURCHE: Ihre neue Studie schlägt mehrere Maßnahmen zur Schuldenkonsolidierung vor. Was war Ihre Grundüberlegung?
Keuschnigg:
Dass die Regierung konsolidieren wird müssen, steht außer Frage. Offen ist, wie: mit dem Kürzen von Sozialleistungen, mit höheren Steuern? Oder auf eine sozial verträgliche und gleichzeitig wachstumsfreundliche Art? Unser Leitgedanke ist: aus den Schulden herauswachsen, anstatt sich herauszusparen.

DIE FURCHE: Damit könnten laut Ihren Berechnungen bis 2033 die Covid-Schulden zur Hälfte abgebaut sein. Was ist die wirksamste Maßnahme in Ihrem Reformpaket?
Keuschnigg:
Die Anhebung des Pensionsalters, das im Schnitt noch deutlich unter 65 Jahren liegt. Wir müssen uns auf die Alterung der Bevölkerung vorbereiten. Wenn wir das tun, sichern wir das Pensionssystem, aber es hat auch einen großen Effekt auf die Stabilisierung der Staatsfinanzen.

DIE FURCHE: Die Pensionshöhe soll in Ihrem Modell unangetastet bleiben.
Keuschnigg:
So ist es. Sie ist dann kein Problem, wenn sie die Pensionsbezieher bezahlen können, ohne dass man künftige Generationen vorbelastet. In der Realität ist es aber nicht so, der Staat muss viel Geld zuschießen. Deshalb braucht es ein höheres Antrittsalter.

DIE FURCHE: Der zweite große Brocken, bei dem Sie ansetzen, ist das Steuersystem.
Keuschnigg:
Ja. Die Bemessungsgrundlage bei der Einkommenssteuer wird oft unnötig reduziert, durch alle möglichen Abzüge. Man unterhöhlt damit tendenziell die Verteilungswirkung – teilweise zugunsten der oberen Steuergruppen. Würden wir das 13. und 14. Gehalt besteuern wie jedes andere, könnte man die Steuersätze um rund vier Prozentpunkte senken – ohne dass die allermeisten Haushalte mehr zahlen müssten. Das wäre wachstumsfreundlich. Man könnte auch die Pendlerpauschale streichen, sie ist nicht gerade umweltfreundlich. Nicht jede Begünstigung ist gerechtfertigt, aber alle führen sie zu höheren Steuersätzen der Allgemeinheit. In unserem Szenario schaffen wir nicht alle Steuerbefreiungen ab, sondern reduzieren sie um etwa ein Viertel. Allein mit der Besteuerung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld wäre das getan. Politisch mag das aber schwierig sein, denn in Österreich sind diese steuerfreien Bezüge heilig.

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