Kirchliches Finanzdebakel

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Die Finanzwirtschaft ist ein Casino, in dem man mit kleinen Einsätzen viel Geld gewinnen, aber genauso mit wenigen Handgriffen unermessliche Summen verzocken kann. Letzteres erfährt die katholische Kirche in Slowenien am eigenen Leib. Sie steht - genauer gesagt die Erzdiözese Maribor - vor einem Schuldenberg von unvorstellbaren 800 Millionen Euro.

Was war passiert? Zwei mehrheitlich in Kirchenhand befindliche Fonds - Zvon Ena und Zvon Dwa ("Glocke eins“ und "Glocke zwei“), über die die Erzdiözese Maribor an 27 slowenischen Unternehmen beteiligt war, gingen infolge der Wirtschaftskrise pleite. Die Folgen von billigem Geld und die Hebelwirkungen in der Finanzwirtschaft seien unterschätzt worden, heißt es dazu lapidar aus slowenischen Kirchenkreisen. Auch die Steuerungsgesellschaft "Gospodarstvo Rast“ - eine 100-Prozent-Tochter der Erzdiözese - konnte die Pleite nicht aufhalten und setzte selbst rund 37 Millionen Euro in den Sand.

Nun stehen die Gläubigerbanken auf der Matte und drängen darauf, dass die Kirche ihr Tafelsilber verscherbelt, um den gröbsten Schaden zu begleichen. Darunter auch die Slowenientochter der Raiffeisenbank. Diese hatte der Steuerungsgesellschaft einen Kredit gewährt. Wegen Zahlungsausfall hat sie eine Klage in Höhe von 7,6 Millionen Euro gegen die Erzdiözese Maribor eingebracht. Die Erzdiözese hofft weiter auf einen außergerichtlichen Vergleich bis Anfang November.

Eine enthauptete Ortskirche

Kurz gesagt: Die vergleichsweise kleine katholische Kirche in Slowenien steht vor einem, selbst im europäischen Maßstab, gewaltigen Desaster. Ein Desaster, das jüngst die beiden Erzbischöfe Anton Stres (Ljubljana) und Marjan Turnˇsek (Maribor) das Amt gekostet hat. Franziskus, der Papst der Armen, mag es halt nicht, wenn sein eigener Mitarbeiterstab in, scheint’s, unsaubere Finanzgeschäfte verwickelt ist. So jedenfalls lautet die einstimmige Interpretation der vom Vatikan erzwungenen Rücktritte in den meisten Medien.

Dass die Sache möglicherweise komplizierter ist, wird klar, wenn man mit slowenischen Kirchenkennern spricht. So etwa mit Ivan ˇStuhec, dem Moraltheologen an der Universität Ljubljana und scharfen Kritiker der Absetzung. Die slowenische Kirche sei nun quasi "enthauptet“ und die an ihre Stelle gesetzten Administratoren nicht befugt, die überlebenswichtigen Verhandlungen mit den Banken zu führen.

Wenn ˇStuhec dann noch konstatiert, dass die Entscheidung zur Absetzung der beiden Bischöfe Turnˇsek und Stres bereits unter Benedikt XVI. gefällt worden war, dann liegt ein Hauch von Dan Brown in der Luft. Schließlich waren die beiden Bischöfe vom damaligen Papst 2011 eigens eingesetzt worden, nachdem das Debakel bereits nicht mehr zu verleugnen war und der Turnˇsek-Vorgänger Franc Kramberger gehen musste. "Turnˇsek sollte in den letzten beiden Jahren aufräumen. Jetzt laufen die Verhandlungen mit den Banken. Ihn jetzt abzusetzen - das verstehe ich überhaupt nicht.“

Soll vielleicht eine in den Vatikan verlagerte Intrige innerhalb des slowenischen Klerus’ der Grund für die Abberufungen sein? In slowenischen Kirchenkreisen jedenfalls kursiert die Rede von "mysteriösen Kräften des Bösen“, die "rational nur schwer zu erfassen sind“. Doch neben der finanziellen Patt-Situation ortet ˇStuhec außerdem ein Politikum: So spiele die jetzige Situation der Regierung in die Hände, die versuche, das bereits verabschiedete Gesetz über die Religionsfreiheit wieder neu in die Diskussion zu bringen. Das Gesetz regelt unter anderem, dass der Staat etwa die Hälfte der Sozialversicherungsabgaben für Priester und Geistliche übernimmt. Es geht also auch hier ums Geld. Geld, welches man sich seitens der Regierung durch ein Aufschnüren des Gesetzes zu ersparen erhoffe.

Stützungskäufe durch Graz-Seckau

Nüchterner betrachtet Johann Tomaˇziˇc, Chefredakteur der Kärntner slowenischen Kirchenzeitung Nedelja, die Lage. Gewiss, es sei "sehr viel Irrationales im Spiel, wie überhaupt in den vergangenen 20 Jahren seit der Autonomie Sloweniens“. Slowenien sei heute ein gespaltenes Land: Die politische Transformation sei eine "weiche“ gewesen, ohne großes Revolutionsgeheul. Das habe jedoch zugleich zur Folge gehabt, dass die alten kommunistischen Eliten bis heute wirtschaftlich die Fäden in den Händen halten. Die Kirche habe sich in den vergangenen Jahren gerade für diese konservativen Kräfte stets als wohlwollender Kooperationspartner erwiesen und sei schließlich auch ein Big Player auf dem fragilen Sektor der Finanzwirtschaft gewesen, dessen Opfer sie nun selbst wurde. Anders gesagt: Die Verantwortung für das aktuelle Desaster liegt laut Tomaˇziˇc nicht bei den Bischöfen Stres und Turnˇsek, sondern bei den Fonds-Managern und Aufsichtsräten sowie bei jenen Personen, die seit 2007 unter Bischof Kramberger falsche wirtschaftliche Entscheidungen getroffen haben: "Das einzige, was man Turnˇsek und Stres vorwerfen kann: Sie haben viel zu wenig Tabula rasa gemacht.“

Nun hat Papst Franziskus Tabula rasa gemacht und vollstreckt, was Benedikt XVI. noch vorbereitet hat. Doch ist es damit getan? Wie soll die durch den Skandal schwer getroffene katholische Kirche in Slowenien wieder auf die Beine kommen? Die rettende Hand ausgestreckt hat unter anderem die Nachbardiözese Graz-Seckau, die angeboten hat, in Form von Stützungskäufen zentraler Immobilien dafür zu sorgen, dass das kirchliche Leben auch in der aktuellen Lage aufrechterhalten werden kann.

Notwendig ist laut Tomaˇziˇc ein Personalwechsel im großen Stil: "Das ist jetzt wohl die wichtigste Frage: Wer soll an die Spitze treten? Letztendlich sind ja fast alle in den Skandal involviert. Es braucht jemanden von außen, der mit der Sache nichts zu tun gehabt hat. Und da gibt es ja nicht so viele.“

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