Klima: Wandel braucht Gerechtigkeit

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Der Schutz des Klimas und die daraus entstehenden Kosten für die Länder werden zu einer Frage der fairen Verteilung der Lasten zwischen und innerhalb der Staaten des Nordens und des Südens. Ein klarer Fokus auf die Verursacher ist gefordert.

Die Klimadebatte hat sich von der Umweltpolitik emanzipiert. Lange Zeit wurden Auswirkungen und Handlungsmöglichkeiten erörtert. Heute geht es um Verteilung, Wirtschafts- und Wettbewerbsinteressen. Wer muss handeln und in welchem Ausmaß? Und welche Bevölkerungsschichten sollen in Industriestaaten und in Schwellenländern tatsächlich zur Kasse gebeten werden? Der Klimawandel stellt eine neue Herausforderung für Fragen der globalen, regionalen und nationalen Gerechtigkeit dar.

Eiszeit zwischen Nord und Süd

Als das Kyoto-Protokoll 1997 unterzeichnet wurde, war die Welt noch einfacher zu unterteilen: Reiche, entwickelte Länder des Nordens verpflichteten sich zur Reduktion ihrer CO2-Emissionen. Länder des Südens stellten Handlungen in Aussicht, gingen aber keine Verpflichtungen ein. Schließlich waren ihre Emissionen vergleichsweise gering. Über zehn Jahre später haben mit Ausnahme der USA alle relevanten Staaten das Abkommen ratifiziert, in der Umsetzung sind viele säumig - darunter auch Österreich. Die Länder des Südens stehen daher weiteren Verhandlungen skeptisch gegenüber. Schon in den parallel stattfindenden WTO-Verhandlungen machten reiche Staaten viele leere Zugeständnisse, letztendlich wollten sie aber ihre Märkte und Interessen schützen. Vertrauen wurde mit diesem Verhandlungsstil zu den Entwicklungsländer nicht aufgebaut. Das Klima am internationalen Parkett ist vergiftet.

Regierungen und Interessensvertreter aus allen Regionen und Bereichen wissen aber um die Notwendigkeit einer Einigung. Im polnischen Pozna´n werden diesen Dezember die Weichen für die zweite Verpflichtungsperiode ab 2012 gestellt, in Kopenhagen sollen nächstes Jahr die Verhandlungen zum Abschluss kommen.

Längst ist klar, dass ohne den Süden das Weltklima nicht stabilisiert werden kann. Pro Kopf betragen seine Emissionen zwar nach wie vor einen Bruchteil von dem, was US-Bürger oder Europäer an CO2 in die Atmosphäre blasen. Mit der schieren Größe ihrer Bevölkerung und ihrem Wirtschaftswachstum nehmen Schwellenländer wie China oder Indien aber an Bedeutung zu, denn nominal wächst ihr Beitrag zum Klimawandel rasant.

Der Großteil der Bevölkerung ist aber in Schwellenländern nach wie vor damit beschäftigt, seine grundlegenden Ansprüche zu entwickeln. Dazu gehören Wasserversorgung, Ernährungssicherheit, Gesundheitsversorgung und Bildung. Basis für all das ist Energie. Etwa die Hälfte der Bevölkerung Indiens ist nicht einmal im Besitz einer Glühbirne, und niemand will offiziell diesen Menschen den Anspruch auf ihre Entwicklung inklusive steigender CO2-Emissionen absprechen. Das Emissionswachstum verursachen Mittel- und Oberschichten, die sich am westlichen Lebensstil orientieren. Ihre beinahe ebenbürtigen Pro-Kopf-Emissionen verstecken sich in den gesamtindischen Statistiken, also hinter der Armut der Bevölkerungsmehrheit. So wollen China oder Indien ihre Kostenvorteile in emissionsintensiven Industrien aufrechterhalten.

Alternativ könnten diese Länder den Weg einer nachhaltigen Entwicklung auf Basis erneuerbarer Energien einschlagen. Die Fehler einer auf fossilen Brennstoffen basierenden Wirtschaft könnten vermieden werden. Solange der Norden jedoch nicht zeigt, dass Wohlstand ohne oder mit geringen CO2-Emissionen möglich ist, wollen weder Entwicklungs- noch Schwellenländer dieses Risiko eingehen. Die Länder des Südens haben hier eine klare Position: Die ersten Schritte werden die Industrieländer gehen müssen.

Berechnungen von EcoEquity zufolge ist das nur fair. Der kanadische Klima-Think-Tank erarbeitete einen Referenzrahmen, wie eine gerechte weltweite Lastenteilung zur Bewältigung der klimapolitischen Herausforderungen aussehen könnte. EcoEquity-Gründer Tom Athanasiou stellt klar: "Die Lebenslage der Armen muss deutlich verbessert und die Entwicklungschancen des Südens bewahrt werden. Trotzdem dürfen die Emissionen zur Überwindung der Armut nicht unkontrolliert wachsen." Nur wenn der Westen jetzt handle, könne auch von diesen Ländern Verantwortung eingefordert werden.

Die Verursacher zur Kasse bitten

EcoEquity hat seine Thesen mit dem Responsibility Capacity Index (RCI) untermauert. Der RCI verknüpft länderspezifisch Parameter wie Einkommensverteilung, CO2-Emissionen und die ökonomische Fähigkeit, Einsparungen durchzuführen. Mit dem Ergebnis werden Mittel- und Oberschichten zur Reduktionsverantwortung gezogen, nicht aber arme Bevölkerungsteile.

Die internationalen Klimadebatten greifen solche Modelle zwar erst seit Kurzem auf, die zentrale langfristige Bedeutung ist aber bereits jetzt unumstritten. Dem Klimawandel kann nur mit gerechten Lösungen zwischen und in den Ländern begegnet werden.

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