Kredit & Kipferl unter einem Dach

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Klassische Bankfilialen sind angesichts der rasanten technischen Entwicklungen vom Zusperren bedroht. Sie suchen neue Partner und Aufgaben.

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Klassische Bankfilialen sind angesichts der rasanten technischen Entwicklungen vom Zusperren bedroht. Sie suchen neue Partner und Aufgaben.

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Vor wenigen Jahren noch war die teilverstaatlichte Creditanstalt Österreichs größte Bank und gleichzeitig die "monetäre Visitenkarte" des Landes. Auf Platz zwei folgte die Girozentrale, dahinter die ebenfalls teilweise im Eigentum des Bundes stehende Länderbank. Schon dieser kurze Rückblick zeigt, dass in der heimischen Bankenlandschaft kein Stein auf dem anderen geblieben ist.

Alle drei genannten Institute sind inzwischen von der Bildfläche verschwunden. Die beiden größten Spieler am Bankenmarkt sind heute Bank Austria und Erste Bank, die nur noch juristisch Sparkassen, de facto aber börsenotierte Universalbanken mit einem starken Auslandsgeschäft und internationalen Investoren sind. Die nächste Weichenstellung steht mit der Privatisierung der Postsparkasse unmittelbar bevor.

Wer dabei zum Zug kommt, erwirbt ein österreichweit flächendeckendes Filialnetz in Form von 2.300 Postämtern. Ob eine derartige Präsenz bis ins kleinste Dorf angesichts des rasanten Vormarschs von Telephon-, Handy- und Internetbanking allerdings noch jenen zweistelligen Milliardenbetrag wert ist, den sich der Verkäufer ÖIAG von dem Deal erwartet, bleibt die Frage.

Spannend wird vor allem, ob bei der PSK eine inländische Gruppierung - Raiffeisen, die Bawag, die Volksbanken oder vielleicht trotz zahlreicher Dementis doch Bank Austria oder Creditanstalt - zum Zug kommt, oder ob ein großer Ausländer sich in den österreichischen Markt einkauft. Schon jetzt haben zahlreiche heimische Groß-Banken ausländische Aktionäre. So hält an der Gewerkschaftsbank Bawag die Bayerische Landesbank rund 47 Prozent, die Bank Austria hat mit der Westdeutschen Landesbank und der italienische Banca Intesa gleich zwei Auslandsbanken als Aktionäre.

An der ÖVAG, dem Spitzeninstitut des Volksbanken-Sektors, hält die in Frankfurt ansässige DG Bank die Sperrminorität, die Erste Bank hat mit der deutschen Commerzbank, der Swedbank und der belgische Bacob drei Auslands-Aktionäre mit allerdings sehr kleinen Anteilen. Stimmen die Gerüchte, dann könnte die Bank Austria bald einen ausländischen Allianz-Partner bekommen, der die Sperrminorität oder eines Tages vielleicht sogar die Mehrheit übernimmt. Und wenn die Raiffeisen Zentralbank (RZB) ihre Osteuropa-Aktivitäten weiter massiv ausweitet, dann könnte eines Tages neben den Raiffeisen-"Landeskaisern" auch die zur internationalen Raiffeisenfamilie gehörende DG Bank oder die niederländische Rabobank zu den RZB-Aktionären zählen.

Herbe Verluste Wer da von "Ausverkauf" spricht, darf nicht außer acht lassen, dass im Gegenzug sich auch Österreichs Großbanken massiv im Ausland eingekauft haben. An den westlichen Finanzplätzen London und New York sowie in Russland haben sie zwar dabei teilweise herbe Verluste einstecken müssen. In den Reformstaaten Zentraleuropas haben die rot-weiß-roten Institute aber nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ihre Chancen genützt und mittlerweile beachtliche Filialnetze aufgebaut. Sie behaupten sich dort gegen die Konkurrenz internationaler Großbanken und verdienen - wenn man den Bilanzen glauben darf - gutes Geld.

Im Inlandsgeschäft ist das freilich deutlich anders, die Ertragszahlen von Österreichs Banken sind so schlecht wie kaum in einem anderen Land. Weil der Wettbewerb in Zukunft eher noch schärfer werden dürfte, kommen auf die rund 70.000 Beschäftigten im Bankensektor mit Sicherheit härtere Zeiten zu. Der Personalaufwand ist ja bei Banken die mit Abstand größte Kostenposition, vor allem auch deshalb, weil Bank-"Beamte" in der Vergangenheit mit üppigen Privilegien vor allem bei den Pensionen ausgestattet wurden. Massenkündigungen - wie es sie im Ausland bei jeder Bankfusionen gab und gibt - hat man bisher in Österreich vermieden, die Mitarbeiterzahlen werden aber weiter kontinuierlich sinken. Und so manches "Zuckerl" für die Belegschaft wird man wohl streichen. Die klassische Filiale wird durch den Siegeszug des Internet von vielen bereits zum Auslaufmodell erklärt.

Insgesamt 5.527 Bankstellen gab es per Ende 1999 in ganz Österreich. Dabei sind die Postämter, die als Quasi-Filialen der PSK fungieren, noch gar nicht mitgezählt. Ein Teil davon ist mit Sicherheit zum Zusperren verurteilt, einige dürften als Automaten-Zweigstellen oder mit eingeschränktem Service weitergeführt werden. Daneben zeichnen sich auch neue Allianzen ab: So will etwa die Bank Austria die Rentabilität ihres Zweigstellennetzes damit auffetten, dass sie branchenfremde Untermieter - vom Reisebüro bis zum Bäcker - hereinnimmt. Dort wird man dann Kredit und Kipferl unter einem Dach bekommen.

Ganz ohne Zweigstellen wird es aber auch in Zukunft nicht gehen, meinen die Experten. Vor allem die ältere Generation wird ihre Bankgeschäfte noch über Jahre hinweg nicht bloß per Mausklick erledigen. Und für komplexe Transaktionen - etwa die Finanzierung eines Immobilienkaufs - werden auch die Internet-Kids von heute, wenn sie erst einmal erwachsen sind, zwar diverse Offerte aus dem Internet einholen und sie kritisch vergleichen. Beim Abschluss des Geschäftes will man vermutlich aber doch nicht auf persönliche Beratung verzichten. Diese wird allerdings häufig in der Wohnung des Kunden und außerhalb der traditionellen Kassastunden erfolgen.

Seit langem agieren die Österreicher renditebewusst und werden vom Sparer zum Wertpapier-Anleger. Ganz besonders gilt das für die Erben-Generation, die in den kommenden Jahren dreistellige Milliardenbeträge in die Hände bekommt. Noch nie war in Österreich ein so breiter Wohlstand zu verzeichnen. Und mit dem Geld, das er von Oma Sparbuch abhebt, zockt so mancher Enkel am Frankfurter Neuen Markt. Daran verdienen alle Geldinstitute, ganz besonders aber einige kleine aber feine Privatbanken - die mittlerweile freilich wie die Großinstitute als Aktiengesellschaften geführt werden - ebenso wie die Töchter ausländischer Großbanken, welche sich auf die Vermögensberatung spezialisieren und mit ihrem internationalen Produktangebot punkten. Und so manche österreichische Großbank legt sich eine eigene Privatbank zu oder gliedert eine Abteilung völlig aus dem Massenbetrieb aus, um die besonders gut betuchte Kundschaft entsprechend zu betreuen.

Kritische Kunden Bankkunden werden in Zukunft weit kritischer sein als jetzt. Der Euro bringt ebenso wie die moderne Technologie ein noch breiteres Angebot an Anlage- und Finanzierungsmodellen. Zwar hält bei vielen Leuten die Beziehung zu ihrem Geldinstitut bisher noch immer länger als ihre Ehe, doch das muss nicht so bleiben. In der Politik ist längst die Ära der Wechselwähler angebrochen. Und so ähnlich könnte es künftig auch bei den Bankdienstleistungen sein. Zwar bleibt man vielleicht mit dem Routinegeschäft, an dem nicht allzu viel zu verdienen ist, bei seiner alten Hausbank. Für spezielle Veranlagungen oder Finanzierungen geht man aber fremd und sucht sich bewusst das Institut mit dem besten Angebot aus.

Überleben werden in diesem Konkurrenzkampf nur jene Institute, welche perfekte Dienstleistung - in der maßgeschneiderten Beratung ebenso wie in der schnellen und reibungslosen Abwicklung der Transaktionen - zu optimalen Kosten anbieten.

Die Autorin ist Wirtschaftsredakteurin in der Tageszeitung "Die Presse".

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