6750528-1967_26_04.jpg
Digital In Arbeit

Kreiskys Herausforderung

Werbung
Werbung
Werbung

Die roten Raumplaner verstanden es, aus ihren Aktionen auch publizistisches Material zu schlagen. Mit großem Aufgebot — auch eine Reihe unabhängiger Journalisten wurde eingeladen — fuhren sie nach Hessen, um dort die Raumplanung zu studieren. Mit dem Ruhekissen im Landhaus war es endgültig vorbei. Im ÖVP-Lager erhielten nun jene Kräfte Auftrieb, die schon immer für eine raschere Verwirklichung der Raumplanungskonzepte eingetreten waren.

Dr. Kreisky forderte erst vor wenigen Wochen mit einer neuerlichen Raumplanungskonferenz in Krems die ÖVP zu einem Leistungsund Ideenwettbewerb auf diesem Gebiet heraus. Die „roten“ Raumplaner sind dabei, einen „Hessen-Plan“ für Niederösterreich zu modellieren. Sicher kann man die Verhältnisse in der deutschen Bundesrepublik nur im geringen Maße mit denen zwischen Enns und Leitha vergleichen, noch viel weniger steht die Finanzkraft in einer Relation. So werden für den zehn Jahre umfassenden Hessen-Plan 33 Milliarden D-Mark zur Verfügung gestellt! Anderseits können die Erfahrungen, die man in Hessen gemacht hat, auch für Niederösterreich nutzsbar sein. Das Referat, das der hessische Finanzminister Oswald in Krems hielt, hätte auch vor einer ÖVP-Konferenz Anklang gefunden. Man kann nicht genug unterstreichen, wenn er sagte: „Die Raumordnung darf kein nach ideologischen Zukunftsvisionen aufgezwungener Dirigismus sein; die freiheitliche Lebensordnung darf durch sie nicht verlorengehen, sondern muß gesichert werden.“

Beispielgebend wäre auch die in Hessen aus staatspolitischen Gründen vorgenommene wirtschaftliche und soziale Stärkung der toten Grenze. Wer sich innerhalb des 15-Kilometer-Streifens im Grenzgebiet ein Haus baut, wird bei der Wohnbauförderung bevorzugt. Bund und Land geben Starthilfen, Steuererleichterungen und Investitionshilfen für Industrie und Gewerbe.

Dr. Kreisky hat diese Gedanken erst kürzlich in einem Fernsehinterview zur Diskussion gestellt. Der Vorschlag, an der toten Grenze eine Zone des Wohlstandes — und nicht der Anmut, wie es jetzt vielfach der Fall ist — zu schaffen, eine repräsentative Anlage, wäre verlockend. Allerdings, woher die finanziellen Mittel dafür nehmen?

Die sozialistischen Initiativen in Sachen Raumplanung, die propagandistisch entsprechend ausgewertet wurden, mögen dort und da den Eindruck erweckt haben, als schliefen die „schwarzen“ Raumplaner den Dornröschenschlaf. Dabei haben sie nicht einmal ein Nickerchen gemacht. Die Schuld, daß es bisher weithin bei der Planung blieb — immerhin wurden von der Flanungsabteilung des Landes und vom österreichischen Institut für Raumplanung 121 größere und kleinere Konzepte ausgearbeitet —, liegt nicht bei den Fachleuten, sondern bei den Politikern. Das wohl größte Hindernis ist die magere Finanzlage des Landes,die durch die ungeheuren Defizite der Spitäler, durch den Straßen-, Schul- und Wohnungsbau ohnehin schon über Gebühr belastet ist.

Allein für die Schulreform — im Herbst werden wieder 70 einklassige Zwergschulen geschlossen — soll eine Milliarde Schilling notwendig sein. Die Bildung einer Region Sankt Pölten-Krems verlangt enorme Mittel. Der Bau der Schnellstraße und einer weiteren Donaubrücke sind für diese Schwerpunktbildung unbedingte Voraussetzung. Auch die Untersuchung über die regionalen Standortvoraussetzungen für Industrieneugründungen bleibt ein papierenes Konzept, wenn den Unternehmen nicht die nötigen finanziellen Anreize gegeben werden.

Übrigens wurden im heurigen Jahr bereits 14 Darlehen aus dem Betriebsinvestitionsfonds des Landes vergeben, (Von 1962 bis Ende 196 waren es 61,4 Millionen Schilling — 110 Darlehen —, die aus diesem Fonds für die Gründung oder den Ausbau von Betrieben in unterentwickelten Gebieten Niederösterreichs gewährt wurden.) Dazu kommt, daß das Land in manchen Fällen auch die Haftung für Kredite übernimmt; daß dies auch mit einem bedeutenden Risiko verbunden ist, hat sich wiederholt gezeigt.

Niederösterreich kann daher aus eigener Kraft nur eine Politik der kleinen Schritte verfolgen. In Hessen konnte man dagegen mit Bonns Geldern die Siebenmeilenstiefel anziehen. Aber Niederösterreichs „Finanzminister“ Roman Resch hat leider keinen Goldesel.

Bleibt solcherart den Niederösterreichern nichts anderes übrig, als auf ein Wunder zu warten? Das Wunder könnte sich tatsächlich einstellen, falls das CERN-Projekt ins Waldviertel käme. Im Herbst wird dafür die Entscheidung fallen. Sollte dann noch der Rhein-Main-Donau-Kanal den Anschluß an die Wirtschaft Europas bringen, so bestünde berechtigte Hoffnung, Niederösterreich aus dem „toten Winkel“ herauszuführen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung