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Krems — Wirtschaftsbarometer

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Wenn die alte Donaustadt Krems wieder zur Landesausstellung einlädt, wenn diese Einladung über die Grenzen unseres Landes hinaus sowohl bei den Ausstellern als auch bei den Besuchern mehr und mehr Interesse weckt, so darf man daraus folgern, daß Niederösterreich an wirtschaftlicher Stärke und Bedeutung gewonnen hat. Denn was die Landesausstellung zeigt, das hat nur eine konsequente Wirtschaftsförderung erreicht, das könnte man als den Barometerstand unserer bisherigen Leistungen bezeichnen.

Um so begrüßenswerter ist es, daß diese Leistungsschau zugleich auch mit einem Volksfest verbunden wird, denn die Wirtschaft geht schließlich jeden an, und über die erzielten Erfolge hat jeder Ursache, sich zu freuen. Und so kann denn auch das Kremser Volksfest in gewisser Hinsicht als Spiegelbild eines zunehmenden Wohlstandes angesehen werden.

Niederösterreich hatte besondere Schwierigkeiten zu überwinden, um auf diesen Stand der Entwicklung zu gelangen. Erst mit dem Abschluß des Staatsvertrages erhielt das Land jene politischen Voraussetzungen, die in anderen Bundesländern viel früher gegeben waren und einen bedeutenden wirtschaftlichen Vorsprung des westlichen Oesterreichs ermöglichten. Doch auch jetzt noch hat Niederösterreich seine besonderen Schwierigkeiten. Sie liegen in der Verteilung der vorhandenen Geldmittel durch den Bund und in dem Fehlen einer eigenen Hauptstadt. Niederösterreich ist flächenmäßig das größte Bundesland, und es wohnen dort nur um 200.000 Menschen weniger als in Wien. Trotzdem erhält Niederösterreich samt allen seinen Gemeinden zusammen nur die Hälfte der finanziellen Mittel, die Wien als Land und Gemeinde bekommt. 1,4 Milliarden Schilling für Niederösterreich stehen 2,7 Milliarden für Wien gegenüber. Allein an veranlagter Einkommensteuer erhält das Land auf Grund der Bevölkerungszahl um rund 170 Millionen Schilling weniger, Wien jedoch um rund 340 Millionen Schilling mehr. Die Bundeshauptstadt zieht die wirtschaftliche Kraft aus dem Lande, sie bildet ein gewisses Zentrum, denn Niederösterreich fehlt ja die Landeshauptstadt. Die Impulse, die aus Niederösterreich kommen, fließen nicht mehr als finanzielle Stärkung in das Land zurück, wie es in anderen Bundesländern mit einer eigenen Hauptstadt der Fall ist, sondern bleiben in Wien.

Darum ist Niederösterreich ganz besonders bestrebt, neue Wirtschaftszentren in allen Teilen des Landes zu begründen und bestehende Schwerpunkte auszubilden. Vor allem soll diese Entwicklung durch neue Betriebsgründungen oder durch Großbaustellen gefördert werden. Die beiden Landesgesellschaften für die Energieversorgung von Niederösterreich, die . NEWAG und die NIOGAS, haben wesentlich dazu beigetragen, diesem Ziele näher zu kommen. Die Kampkraftwerke haben neben ihrer energiewirtschaftlichen Bedeutung auch neues Leben in das Waldviertel gebracht und sind schon jetzt zu einem Anziehungspunkt für den Fremdenverkehr geworden. Die NIOGAS hat mit der Erschließung des heimischen Erdgases vor allem im südlichen Niederösterreich die Gründung von neuen Industrien interessant gemacht. In einem Notstandsgebiet, das von Fabrikruinen gekennzeichnet war, entstehen neue, moderne Werkshallen und Betriebsgebäude. NEWAG und NIOGAS selbst beabsichtigen ihre Verwaltungsgebäude in den Raum von Mödling zu verlegen, um auch dort ein neues Wirtschaftszentrum entstehen zu lassen.

Hand in Hand mit dem Bau neuer Betriebe geht die Errichtung von Wohnungen, und dadurch werden wieder Geschäfte und Gewerbebetriebe notwendig. So entstehen neue Lebensräume, die einer bodenständigen Bevölkerung Arbeit und Wohnung geben, dem gesamten Land aber neue wirtschaftliche Kräfte.

Das Land allein wäre nicht in der Lage, diese neuen Lebensräume zu schaffen. Wir erblicken unsere Aufgabe vielmehr darin, die private Initiative in dieser Richtung hin zu unterstützen, sei es durch die Schaffung einer günstigen Energiebasis, durch Kreditaktionen für Gewerbe und Wohnbau, durch eine entsprechende Raumplanung und vor allem durch geeignete Verkehrswege. Straßen erschließen ein Land. Die Autobahnen sollen auf Drängen des Landes so gebaut werden, daß die vier Viertel Niederösterreichs einander näherrücken, sie sollen einen geschlossenen Wirtschaftskörper schaffen. Deshalb ist eine Umfahrung von Wien — für die das Land bereit ist, die Vorfinanzierung zu übernehmen — ein dringendes wirtschaftliches Erfordernis, Aber auch alle anderen Straßenbauten sollen dazu dienen, den Kreislauf der Wirtschaft zu beleben. Gerade die neue Wachaustraße ist dafür ein überzeugendes Beispiel.

Die Stadt Krems beweist es, daß dieser Weg richtig ist. Landesausstellung und Wachauer Volksfest entspringen aus dem Wirtschaftszentrum der Donaustadt und legen darüber hinaus beredtes Zeugnis für die Schaffenskraft eines ganzen Landes ab. Doch diese Aufbauarbeit bleibt nicht in erhöhten Produktionszahlen, in einem rein materiellen Wohlstand stecken. Gerade Krems mit seinen gepflegten Kunststätten, mit seiner vielbesuchten Gotikausstellung hebt den Blick über den arbeitsreichen Alltag hinaus zu bleibenden geistigen und kulturellen Werten, für die zu wirken es sich lohnt.

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