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Kühne Idee: Versichern gegen Arbeitslosigkeit

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Fortsetzung von Seite 1)

Warum läuft die Versicherungsleistung maximal ein Jahr lang? Eine sogenannte „legistische Falle” verhindert die längere Auszahlung: Sobald die Arbeitslosenunterstützung in Notstandshilfe übergeht, wird die Zahlung der Versicherung als „Einkommen” gewertet. Das bedeutet, daß die Notstandshilfe um genau diesen Betrag gekürzt würde.

Der Öffentlichkeitsreferent des Versicherungsverbandes, Gregor Ko-zak, wiegt bedenklich den Kopf, wenn die Bede auf mögliche „Hinterge-hungsstrategien” kommt, auf Wege, aus der Versicherung ein wenig ille gal das Möglichste herauszuholen: „Es wäre zum Beispiel denkbar, daß ein älterer Arbeitnehmer zwei Jahre vor Pensionsantritt in Krankenstand geht - mit Hilfe von Ärzten ist das manchmal unschwer möglich. Nach einem Jahr kündigt der Arbeitgeber -der baldige Pensionist gleitet mit fast vollen Rezügen in die Pension, auf die er sich schon ein Jahr lang „vorbereitet” hat, und der Arbeitgeber erspart sich eine Stange Geld.”

Wäre er in der Situation, mit seiner Kündigung rechnen zu müssen, würde er, Rozak, sich jedenfalls für solch eine Versicherung entscheiden: „Ich würde das abschließen, es scheint für den Kunden sehr günstig zu sein.”

Was bewegt einen Geschäftsmann dazu, auf einem sozialpolitisch glatten Parkett Tanzschritte zu wagen, bei denen die Gefahr des Ausrutschens nicht gerade gering zu sein scheint?

VJV-Generaldirektor Philipp: „Es ist für mich eine Philosophie, fast eine Religion: Ich glaube, Versichern soll Freiheit zum Handeln und Leben geben; man soll vergessen können, daß die Welt voller Gefahren ist, und man soll wissen, daß wenigstens materiell die meisten Risiken aufgehoben werden können. Meiner Ansicht nach sollten Versicherungen einen unglaublich hohen ethischen Anspruch haben und nicht nur geschäftsmäßig orientiert sein. Dabei dann auch noch zu verdienen, das versuchen wir - und wir verdienen nicht schlecht!”

Arbeitslosigkeit, so meint Philipp, darf man nicht nur verwalten, wie es durch die bloße Auszahlung von Arbeitslosengeld geschieht. „Man muß etwas dagegen tun! Ich möchte den Retroffenen das Gefühl geben, in einer schwierigen und gefährlichen Ubergangsphase gut versorgt zu sein. Sie sollen in Ruhe einen neuen Arbeitsplatz suchen können, sich in aller Ruhe selbständig machen können, was auch immer ... Die meisten aber werden hektisch, werden unsicher, machen in Bewerbergesprächen einen schlechten Eindruck und zerstören damit ihre eigenen Chancen, wieder einen guten Job zu finden.”

Die jetzige Einführung der Arbeitslosigkeitsversicherung ist historisch gesehen ein zweiter Anlauf. Schon in den zwanziger Jahren gab es Versuche, gegen das Risiko von Arbeitslosigkeit zu versichern. Die Idee konnte sich aber damals nicht durchsetzen. In neuerer Zeit etablierte sich die Idee der privaten Vorsorge in den USA, Großbritannien, Australien und Frankreich sowie ab 1996 auch in Deutschland.

Abgesehen davon ist eine direkte Arbeitslosigkeitsversicherung wie die „Protect” in Österreich nicht die einzige Möglichkeit, gegen Existenzgefährdung durch Arbeitslosigkeit vorzubeugen. Auch Versicherungen wie

■ Kredit-Restschulden

■ Iebens, Unfall

■ Sparzielversicherung bei Bausparen und

■ Verdienstausfall bei Freiberuflern können die mitunter große und plötzliche Gefahr des Abrutschens in die Armut mindern.

Alternativen

Einen anderen, eigenen Weg geht die Erste Allgemeine Generali (EA):

Sie bietet zu den klassischen Versicherungen (Leben, Gesundheit, Kfz) dazu ein „Tip&Tat-Paket” an. Kommt es in einer dieser Sparten zum Versicherungsfall, wird die Versicherung aktiver als man es bisher gewohnt war: Sie bietet aktive Hilfe an, zum Beispiel Autoabschleppen (nicht nur Ersatz der Kosten) und so weiter. Die Versicherung will sich auf diese Weise als „Freund und Helfer” etablieren.

Dazu Versicherungsmaklerin Magdalena Messany-Schättle: „Mit solchen Angeboten reagieren die Versicherungen auf die Eigenart der Österreicher, sich nicht primär gegen ein Risiko zu versichern, sondern sich durch Prämien einen Anspruch erkaufen zu wollen. Deutlichster Ausdruck dieser Gesinnung: Wenn ich nicht eine Gegenleistung bekommen habe, waren die Prämien eigentlich vergebens!

Hier haken Leistungen wie das Tip&Tat-Paket ein. Schlauerweise erzeugen diese Dienstleistungen nicht nur das Gefühl beim Kunden: Mir wird etwas geboten!, sondern auch Kostenersparnis für die Versicherungsunternehmen. Denn ein Installateur, der im Auftrag von Tip&Tat am Wochenende zum Wasserrohrbruch kommt, kostet die Versicherung, die mit ihm einen Vertrag hat, weniger als ein „freier” Professionist, dessen Rechnung dem Unternehmen präsentiert wird. So haben alle etwas davon ...!” Man spricht in solchen Fällen von „Assistance-Leistungen”.

Ahnlich auch im Rereich Arbeitslosigkeit: Im Rahmen von Tip&Tat wird Information geboten, wo Aussicht auf einen Arbeitsplatz besteht, man bietet Rechtsberatung an und Gespräche mit einem Personalberater. Unterstützung also auf den ersten Schritten aus der Arbeitslosigkeit heraus.

Die Erfahrung der nächsten Jahre wird zeigen, ob das Prinzip „alles was griffig ist, läßt sich versichern - man muß es nur abschätzen und berechnen können!” auch die Versicherung gegen Arbeitslosigkeit einbezieht, oder ob dieses neue Angebot in Österreich den Weg jener Produkte geht, die der sogenannten negativen Risikoauslese zum Opfer fallen, weil sie sich nicht wirklich rechnen.

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