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Künstler-Ideen als Verkaufsschlager

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Werbung begegnet uns auf Schildern, in Inseraten, im Kino, auf Fassaden oder im Fernsehen. Wir begegnen ihr mit so großer Selbstverständlichkeit, als sei sie ein wesentlicher Faktor für die Entstehung von „Lebensgefühl”. Auch können wir das Umworbensein nicht abstellen, denn Werbung begleitet uns bei Tag und Nacht.

Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts entwickelten sich Werbemittel und ihre Medien. Auslösendes Moment war die Entstehung von Markenartikeln. Garantie- und Meistermarken, bei denen durch Zeichen auf die Herkunft der Ware hingewiesen und die Qualität verbürgt wurde, stehen am Beginn der Werbegeschichte. Festgelegte Verpackungseinheiten, eine gleichbleibende äußere Erscheinung und Einheitspreise vollzogen den Wandel des Verkaufs von loser Ware durch ein facettenreiches Angebot von einheitlich definierten und kontrollierten Standardprodukten.

Künstler und Architekten des 20. Jahrhunderts arbeiteten als Entwerfer von Plakaten, Verpackungen und im Bereich des Produktdesigns. Peter Behrens erlangte als Architekt sowie als Werbegestalter und Designer für die AEG Berühmtheit. El Lissitzky und Wilhelm Wagenfeld waren für Pelikan tätig.

Der Siegeszug der Werbefotografie dauert bis heute an, und der Film- und Videobereich ist erobert. Er schlägt sich weltweit mit Rekordumsätzen in Produktion und Plazierung zu Buche. Beispielsweise beauftragte der Pariser Parfumhersteller Nina Ricci den bekanntesten Werbefilmer Großbritanniens, Tony Kaye, mit einem 60 Sekunden Spot.

Es wurde vermutlich der aufwendigste Werbefilm gedreht, den Frankreich je gesehen hat: Sechs Drehtage, 50 Tänzer, 110 Tiere, 400 Kostüme und die Belichtung von 200 Filmrollen sprechen für sich - Kosten: rund 30 Millionen Schilling oder 500.000 Schilling pro Sekunde.

Im Vergleich: Das erfolgreichste Parfüm von Nina Ricci verkauft sich weltweit einmal pro Sekunde.

Das Münchner Stadtmuseum widmet gegenwärtig eine Ausstellung dem Thema „Die Kunst zu werben” und präsentiert die Entwicklung der Produktwerbung im 20. Jahrhundert. Anhand von ausgewählten und gut dokumentierten Beispielen gewinnt man Einblick in die verschiedenen Formen von Werbung und - aus der Sicht des Konsumenten -in die Geschmacksentwick lung und -ästhetik.

Selbst die Werbebranche wird dieser Ausstellung einiges abgewinnen können, weil sich in bezug zu manchen Produkten die Werbestrategien über eine gewisse Zeitspanne nachvollziehen lassen. Selten geht ein Wirtschaftssektor so leichtfertig und so häufig auf in der Vergangenheit Erprobtes ein wie die Werbewirtschaft.

Der Konkurrenzkampf ist meist zu hart, um auch noch lange zu überlegen oder gar in Forschung zu investieren, bis die werblichen Signale für eine Ware entwickelt sind. Das ist zugleich der Grund, weshalb Künstler wertvolle Partner der Werbung wurden: Man kauft sich einfach ihre Visionen. Das kreative Potential ersetzt billig teure Trend- und Marktanalysen und die Künstler bekommen ein ordentliches Salär und sind glücklich. Die Branche ist gestreßt und erfolgssüchtig, schnellebig, sehr wendig, sehr intelligent, aber manchmal auch so dumm, daß es kaum zu glauben ist. Die Erfahrung zeigt, daß leider viele Werbeagenturen und -graphiker daran scheitern, daß sie bei der Entwicklung von Kampagnen nicht in der Lage sind, die richtigen Fragen zu stellen. Das Beziehungsfeld zwischen einem Produkt und der Umgebung, in der es plaziert werden soll, eingehend zu erörtern ist eine komplizierte intellektuelle Aufgabe. Das ist aber genau der Punkt, der manche Kampagnen und ihre Erfinder berühmt gemacht hat.

Schade ist, daß die Ausstellung „Die Kunst zu Werben” kaum in den Bereich von Werbung und Moral eingeht, sondern sich zu museal auf das Terrain von „Werbeästhetik” spezialisiert. Denn im historischen Bück-blick finden sich neben Benetton noch viele Bildbotschaften und Slogans, die heutzutage nicht vertretbar wären. Auch verzichtet die Ausstellung auf den Bereich der Werbung in derDienstleistungs- und Freizeitwirtschaft. Hier wäre manches noch viel ausgeprägter darstellbar. Weil es sich in diesem Bereich um austauschbare Produkte und Leistungen handelt, gilt es, Banken und Versicherungen „Unverwechselbarkeit” zu verleihen.

Die Frage, wie werbe ich richtig, ist bei näherer Betrachtung im Tourismus besonders komplex. Denn hier geht es immer um die Bewerbung von einer großen Summe von Leistungen: Was unterscheidet das Salzkammergut vom Bregenzerwald, ein Hotel vom anderen? Was ist Tirol? Wie intensiv fürs Badein werben, wenn vielleicht im Sommer das Wetter schlecht ist? Es wird wohl in keinem Wirtschaftszweig zum Teil so miserabel geworben, wie am Beisesektor.

Und da gerade im Umgang mit der Bewerbung von Traditionen - also dessen, was etwa für eine Begion typisch ist - keinesfalls der Fehler von Blauäugigkeit passieren dürfte, ist das Gebiet der Urlaubswerbung so auskunftsreich über das Assoziationsund Abstraktionsvermögen der Werbemacher.

Immer soll der Kunde in den Ferien rundum am glücklichsten sein. Aber wie drückt man das am besten aus, wenn die Werbefachleute zumeist schon an der einfachen Frage scheitern, wer denn eigentlich dieser Kunde ist? Denn eine zu ausgeprägte Spezialisierung und Erforschung bestimmter Zielgruppen würde nämlich jedes Tourismus-Werbebudget sprengen. Daher erfindet dieser Markt jeweils für Summen von Zielgruppen Werbemaßnahmen und vereinfacht Botschaften bis zur nicht mehr haltbaren Grobheit derart, so-daß wieder nur das eine bleibt: Werbung verkauft Glück. Aber ist es denn käuflich?

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