"Laienspieler in der ÖIAG am Werk"

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Der Unternehmensberater und ehemalige Verstaatlichten-Manager Klaus Woltron stellt im furche-Gespräch klar, was er von der Arbeit der ÖIAG hält, warum Bahn und Post keinesfalls privatisiert werden dürfen und dass die Wirtschaftspolitik von Schwarz-Blau zwar halbherzig, aber gar nicht so schlecht ist.

Die Furche: Derzeit stehen Betriebe wie Post und Bahn im Mittelpunkt der wirtschaftspolitischen Diskussion. Ganz im Stil der Rückschauen, die derzeit Hochkonjunktur haben: Wie blicken Sie auf Ihre Zeit bei der Verstaatlichten Industrie zurück?

Klaus Woltron: Nostalgisch. Ich habe dort einen großen Teil meiner unternehmerischen Jugend verbracht. Andererseits habe ich fürchterlich gelitten unter dieser Misswirtschaft. Sie hat damit großen Anteil am Budgetdefizit. Ich bin dann sogar nach Brasilien ausgewandert, weil ich dachte, die ganze Verstaatlichte Industrie wird ruiniert, was ja gestimmt hat. Es gab damals viele Leute, die gesagt haben, wir müssten die Kosten nur um fünf bis sechs Prozent senken, dann wären wir konkurrenzfähig. Aber das war bei den damaligen Machthabern nicht durchzusetzen. Naja, die Verstaatlichte war ein Teil meines Lebens, und spät aber doch hat man die richtigen Maßnahmen ergriffen, als Franz Vranitzky ans Ruder gekommen ist. Die meisten Teile sind zu hochprofitablen Konzernen geworden.

Die Furche: Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang den Verkauf der va Tech an Siemens?

Woltron: Wenn man schon so eine hochvermögende Beteiligungsholding wie die öiag hat, dann sollte die auch wissen, wie mit Beteiligungen umzugehen ist. Mir hat nicht gefallen, dass die öiag stümperhaft vor drei oder vier Jahren zugelassen hat, dass ein hoher Anteil der Aktien in Spekulantenhände wie die von Mirko Kovats gefallen ist. Die Investoren haben herumspekuliert und damit riesige Gewinne gemacht, die besser in das Unternehmen selbst geflossen wären. Den Umweg über diese Spekulationen hätte man sich ersparen können, wenn bei der öiag nicht so eine Laienspieltruppe am Werk wäre. Jetzt geht es zwar wieder in die richtige Richtung, denn Siemens ist sicher eine gute Lösung, aber die va Tech hätte es auch allein geschafft. Das Problem ist, dass mit zu wenig Selbstbewusstsein und mit Kurzatmigkeit an die Sache herangegangen wurde. Man wollte nur möglichst schnell Geld machen. Auf die Schnelle kann man aber keine Konzernpolitik machen. Der Staat hätte sich weiter zurückziehen können, und mit einem Börsegang hätte die va Tech genug Kapital bekommen.

Die Furche: Die Tendenz ist ja, dass der Staat immer mehr Kompetenzen abgibt. Welche Bereiche sehen Sie noch als Staatsaufgabe?

Woltron: Alles, was vitale Bedürfnisse des Menschen sind, soll sich der Staat vorbehalten. Damit Geld zu verdienen ist unmoralisch. Ich bin zum Beispiel ein absoluter Gegner davon, das Wasser zu privatisieren. Das ist mein Wasser, ich bin als Österreicher mit einem Achtmillionstel daran beteiligt. Und dieses Wasser will ich nicht von irgendeiner amerikanischen oder französischen und auch nicht von einer österreichischen Firma bekommen, die mir schlechteres Wasser liefert, wenn sie ihren Gewinn nicht macht. Genauso sind es auch meine Spitäler, meine Schulen. Auch die Bahn ist für eine Privatisierung nicht geeignet. Mit der Bahn kann man kein Geld verdienen und soll es auch gar nicht, weil sie eine Reihe von gemeinwirtschaftlichen und ökologischen Aufgaben hat. Man kann bei der Bahn viel Geld einsparen, man kann sie besser machen, aber man darf sie nicht privatisieren. Auch was die Post angeht, bin ich kein Neoliberaler. Ich bin schon ein wirtschaftsfreundlich-liberal denkender Mensch, sicher kein Linksliberaler. Aber wenn ich mir vorstelle, was die Post für eine gemeinschaftsbindende, psychologische Wirkung hat, bis ins letzte Tiroler Bergdorf... Die Post verbindet die Menschen miteinander. Jetzt fallen Standorte weg. Es werden die Rentner auf dem Land nicht mehr zum Tratschen hingehen. Und es wird wieder eine Stufe kühler werden und unfreundlicher. Ob das für uns alle das Leben schöner macht, was ja letztendlich der Sinn des Wirtschaftens ist, bleibe dahingestellt. Derzeit wird es immer kälter und unfreundlicher.

Die Furche: Zum Thema unfreundlicher: Wie bewerten Sie die Forderung von Veit Sorger, dem Präsidenten der Industriellenvereinigung, die tägliche Arbeitszeit solle um zwei Stunden verlängert werden, um den Wirtschaftsstandort zu sichern?

Woltron: Das sind zu 90 Prozent reine Drohgebärden. Veit Sorger ist wahrscheinlich überzeugt, dass man die Österreicher zu mehr Leistung motivieren muss. Und dass die Arbeitszeitverlängerung eines der wenigen Mittel ist, einige Branchen in Österreich am Leben zu halten. Aber das funktioniert ja nicht. Auch wenn die Arbeitszeit unter ungeheurem Getöse und Geheul und siebenfachen Gusenbauer'schen Revolutionen um zwei Stunden verlängert würde, änderte das nichts daran, dass etliche Produktionen ins Ausland verlagert werden, weil es auf die zwei Stunden auch nicht mehr ankommt. Umgekehrt werden Betriebe wie zum Beispiel bmw, denen es auf Qualität und ein eingespieltes Team ankommt, ohnehin nicht abwandern. Die Arbeitszeit zu verlängern ist ein Blödsinn.

Die Furche: Wie sehen Sie denn die Bemühungen der schwarz-blauen Regierung, den Wirtschaftsstandort attraktiver zu machen?

Woltron: So besonders viel hat die schwarz-blaue Regierung ja nicht gemacht. Aber was gemacht wurde, geht schon in die richtige Richtung: Den Staat auf eine Reihe von sozialen, ökologischen und administrativen Funktionen zurückzuführen, ist in Ordnung. Die moderate Entlastung der Unternehmen führt zu einem Beschäftigungseffekt. Ein Großteil der Privatisierungsschritte war richtig, aber man muss genau schauen, was jetzt noch kommt, denn nichts, was extrem ist, ist gut. Die Pensionen sind sie zumindest einmal angegangen, wenn sich die övp auch vor der Beamtenpensionsfrage fürchtet. Die Einführung moderater Studiengebühren in Verbindung mit großzügigen Stipendiensystemen ist gut. Die Wirtschaftspolitik ist österreichisch-grillparzerisch: mit halben Mitteln auf halben Wegen zu halben Zielen unterwegs, aber das ist immer noch viel besser als nichts. Ich glaube, es wäre auch gar nicht gut, wenn man das zu radikal und zu schnell machen würde. Ein paar mal halbherzig ergibt auch irgendwann 80 Prozent - mühsam und mit viel Geschrei, aber doch.

Das Gespräch führte Claudia Feiertag.

Suche nach Wegen, den Kapitalismus zu zähmen

Bis vor knapp elf Jahren hat der 59-jährige Klaus Woltron Großkonzerne geleitet. Begonnen hat er seine berufliche Laufbahn in der Verstaatlichten Industrie: Er war unter anderem Stellvertretender Produktionsleiter bei der Schoeller-Bleckmann ag, später managte er als Generaldirektor die Simmering-Graz-Pauker ag. Dazwischen leitete er den Bereich Know-How-Transfer bei der Brasilianischen Nuclebras. Nach fünf Jahren als Generaldirektor bei Asea Brown Boveri Austria machte sich der gebürtige Oberösterreicher selbstständig, seither ist er unter anderem Geschäftsführender Gesellschafter der Minas Beteiligungs- und Managementgesellschaft. Im Think-Tank "Club of Vienna" engagiert sich der studierte Metallurg und Verfahrenstechniker für die Suche nach Lösungen für jene Probleme, die durch kapitalistisches Wirtschaften erzeugt werden. Aber erst wenn Unzufriedenheit, mangelnde Kooperationsbereitschaft der Arbeitnehmer, ökologische Schäden, Rohstoff- und Spekulationskrisen überhand nähmen, sei die Zeit für Reformen gekommen, "davor bringen wir die Energie nicht auf", ist Woltron überzeugt, der sich selbst als "lösungsorientiert" beschreibt, "weil nur jammern niemanden weiterbringt".

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